In die alte Giftmülldeponie Hirschacker in Baden-Württemberg wurden möglicherweise grosse Mengen Dioxin und andere Dauergifte abgelagert. Roche hatte zur Zeit der Hirschacker-Auffüllung vor Ort Lösungsmittel verbrannt und die so entstandenen Dioxin-Rückstände in die Deponie gekippt. Bei der aktuellen Hirschacker-Sanierung wird die Deponie teilweise ausgehoben. Wieviel Dioxin jetzt mit den 17’000 Tonnen Aushub in neue Deponien in Rheinland-Pfalz umgelagert wurde, ist unbekannt. Denn trotz der einschlägig bekannten Problematik wurde im Aushub nicht nach Dioxinen gesucht. Weil das Landratsamt Lörrach und der Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz in Rheinland-Pfalz die gefährliche Stoffvielfalt ignorieren, drohen sowohl die Hirschacker-Sanierung als auch die Budenheim-Umlagerung zum Desaster zu werden.
Greenpeace präsentiert ein weiteres Beispiel
für die ungenügende und unsachgemässe Abfalldeklaration bei der
Chemiemülldeponie Hirschacker bei Grenzach-Whylen
(Baden-Württemberg): Gemäss einem Chemie-internen Papier hat Roche
auf ihrer Hirschacker-Parzelle Nr. 1453 Verbrennungsanlagen für
Lösungsmittel und Chemieabfälle betrieben. Bei der unkontrollierten
Verbrennung von chlorhaltigen Chemieabfällen und Lösungsmittel
entstehen hochgiftige Dioxine. Dioxine, welche durch den
Roche-Unfall von Seveso 1976 traurige Berühmtheit erlangten,
gehören zu den giftigsten Substanzen, die man kennt. Nach Angaben
von ehemaligen Mitarbeitern von Roche-Grenzach handelte es sich bei
der Verbrennungsanlage um eine etwa 16 Meter lange Stahlwanne und
zusätzlich um eine gemauerte Verbrennungswanne. Je nach Wind wurde
die Verbrennungswanne von Roche-Mitarbeitern mit Abfällen gefüllt
und angezündet und die Rückstände anschliessend in die
Hirschacker-Grube gekippt. So sind in den 1950er-Jahren
möglicherweise grosse Mengen Dioxine angefallen und heterogen in
der Deponie verteilt worden. Unbekannte Mengen Dioxin wurden aber
auch mit den Destillations-Rückständen abgekippt, die aus den
damaligen Produktionen stammen, bei denen chlorierte und bromierte
Stoffe verwendet wurden.
Obwohl die Dioxin-Problematik dem Landratsamt
Lörrach und natürlich auch bei Roche bekannt war, wurde bei der
Abfalldeklaration nicht nach Dioxin und anderen Dauergiften gesucht
(lediglich auf Drängen von Greenpeace wurden einmal vier einzelne,
somit vom Umfang her marginale Stichproben auf Dioxin untersucht
und bei allen Proben Dioxine in sehr unterschiedlichen
Konzentrationen gefunden). Deshalb ist unklar, welche Mengen Dioxin
mit den unsachgemäss deklarierten 17’000 Tonnen Hirschacker-Müll
von September bis Dezember 2008 auf die Deponien Berg, Kapiteltal
und Budenheim in Rheinland-Pfalz abgekippt worden sind.
Doch Dioxin ist bei weitem nicht das einzige
Problem. Die über zehnjährige Greenpeace-Erfahrung mit Altlasten
zeigt: Die Chemiemülldeponien von Roche & Co sind alle sehr
heterogen und weisen eine enorme Schadstoff-Vielfalt aus. Bei der
vergleichbaren Deponie Feldrebengrube in Muttenz (CH) fand man in
Abfallproben bis 600 verschiedene Substanzen. Bei der Deponie
Letten im Elsass (F) entsorgte die Chemische Industrie den optisch
unauffälligen Aushub im Sondermüllofen, weil eine Triage des
Aushubs unmöglich war. Entgegen der Behauptung der Lörracher
Behörden ist das auch beim Hirschacker so: Das Problem besteht
nicht nur aus Leichtflüchtigen Halogenierten Kohlenwasserstoffe
(LHKWs), und Verschmutzungen werden keinesfalls von blossem Auge
erkannt. Dies beweisen die wenigen Analysen von Bodenluft, bei
denen man zu 90 % Schadstoffe misst, die nicht LHKWs sind. Giftiges
Hexachlorethan, ursprünglich weiss, wird unerkennbar, da es mit der
Zeit die Farbe der Umgebung annimmt. Auch hier: Selbst starke
Verschmutzung wird erst nach sorgfältiger Beprobung und Analyse
erkannt. Wird bei Altlastensanierungen die Verschmutzung nicht
erkannt und der Giftmüll unsachgemäss abgelagert, kann dies
gravierende Folgen für Mensch und Umwelt haben.
Fazit: Man kann nur finden, wenn man sucht.
Richtig gesucht hat man beim Hirschacker nicht. Das Landratsamt
Lörrach einerseits beprobt und entsorgt Aushub aus der
Roche-Chemiemülldeponie Hirschacker unsachgemäss und im Widerspruch
zu den Vorgaben des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Der
Entsorgungsbetrieb der Stadt Mainz andererseits vertraut den
mangelhaften Lörracher Abfalldeklarationen und riskiert, dass mit
der Umlagerung von Dioxinen und anderen unerkannten
Hirschacker-Giften in Rheinland-Pfalz neue Altlasten entstehen.
Matthias Wüthrich, Leiter der Chemiekampagne
bei Greenpeace Schweiz, fordert: «Die begangenen Fehler müssen
korrigiert werden: Der in Rheinland-Pfalz abgekippte
Hirschacker-Müll muss wieder raus – der Aushub muss sauber beprobt
und fachgerecht entsorgt werden. In Baden-Württemberg muss die
Sanierung der Hirschacker-Grube gemäss den ursprünglichen
Abmachungen von Roche mit Greenpeace sauber weitergehen. Dabei muss
das Landratsamt Lörrach die verbindlichen Vorgaben des
Umweltministeriums Baden-Württemberg, wie’s im Protokoll
geschrieben steht, genau befolgen!»
Das erwähnte Protokoll als
PDF
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Matthias Wüthrich, Leiter Chemiekampagne Greenpeace Schweiz, +41
44 447 41 31
Greenpeace-Medienabteilung, +41 44 447 41 11