«Wär hett’s erfunde?» Erstaunlicherweise heisst die Antwort auf diese Frage auch beim weltweit am meisten eingesetzte Herbizid Glyphosat: «Die Schweizer habens erfunden!»
Es war Dr. Henri Martin, ein Forscher der Cilag in Schaffhausen, der Glyphosat 1950 zum ersten mal synthetisiert hat [1]. Die Wirksamkeit gegenüber Pflanzen hat er aber nicht erkannt und seine Entdeckung wurde weiterverkauft. Jahrelang wurde Glyphosat nur in kleinen Mengen als sogenannter Chelatbildner – ein Molekül welches sich an Metalle bindet – eingesetzt, wofür der Stauffer Chemical Company 1964 ein Patent gewährt wurde [2].
Erst 1970 hat der Monsanto-Chemiker Dr. John Franz die Herbizidwirkung von Glyphosat entdeckt und den Grundstein für dessen Siegeszug gelegt. Monsanto hat Glyphosat als Herbizid sogleich patentieren lassen und 1974 unter dem Marknennamen «Roundup» auf den Markt gebracht. Roundup wurde rasch zum Erfolg und der Einsatz in der US-Landwirtschaft stieg in den ersten 20 Jahren von 360 auf über 12’000 Tonnen. Roundup’s Erfolg basiert auf seiner Wirksamkeit – es tötet rasch und zuverlässig jede Pflanze – und seiner im Vergleich zu älteren Herbiziden wie Atrazin geringerer akuter Giftigkeit. Aber gerade die hohe Wirksamkeit von Glyphosat war aus Sicht von Monsanto ein Problem: Es unterscheidet nicht zwischen Unkraut und Kulturpflanze: Jede Pflanze, die mit dem Mittel in Kontakt kommt, wird zerstört. Deshalb konnte Roundup nur vor der Aussaat oder in Reihen zwischen Kulturen verwendet werden. Dies limitierte die Einsatzmöglichkeiten und somit den Umsatz.
Der Big Bang
1996 hat sich dies aber grundlegend geändert: Monsanto brachte herbizidtolerante Soja-, Mais- und Baumwollpflanzen auf dem Markt, die so genannten Roundup-Ready Sorten. Diese Pflanzen wurden gentechnisch so verändert, dass ihnen Glyphosat nichts anhaben kann. Nun konnten die Bauern Glyphosat direkt über die Kulturpflanzen spritzen und das ganze Jahr über einsetzen. Das von Monsanto aggressiv vermarktete Kombipaket von herbizidtoleranten Samen und Roundup hat sich zum Blockbuster entwickelt und der globale Glyphosat-Einsatz ist explodiert. So ist zwar Roundup seit über 40 Jahren auf dem Markt, aber über 70 % der jemals eingesetzten Menge wurde in den letzten 10 Jahren versprüht. Es wird geschätzt, dass heute weltweit 30 % aller Äcker mit Glyphosat behandelt werden.
Herbizidtolerante Pflanzen sind heute für über 56 % des Glyphosat-Einsatzes verantwortlich. Neben Soja, Mais und Baumwolle gibt es heute auch Roundup-Ready-Raps, -Weizen, -Randen und -Luzerne (Alfaalfa).
Die Folgen
Den Bauern wurden mit Roundup-Ready Saatgut grössere Erträge, ein effizienterer Anbau und Einsparungen bei Pestiziden versprochen. Mittlerweile ist deutlich, dass die Versprechen nicht eingehalten werden:
- Der Ertrag gentechnisch veränderter Pflanzen ist nicht grösser als derjenige konventioneller Sorten [3]. Die Erträge nehmen mit den Jahren zudem ab, weil die Böden ausgelaugt sind.
- Die eingesetzte Pestizidmenge nimmt im Verlauf der Anbaujahre zu, weil die Unkräuter resistenter werden. Weltweit sind schon über 30 Sorten an Superunkräuter bekannt, die sich kaum mehr bekämpfen lassen.
- Der Anbau ist zwar etwas einfacher, da die mechanische Unkrautbehandlung und das Pflügen entfällt. Der Preis dafür ist aber eine totale Abhängigkeit der Bauern von den Agrokonzernen.
Der massive Glyphosat-Einsatz hat grosse Auswirkungen auf die Umwelt: Glyphosat schädigt die Bodenfauna wie Mikroorganismen und Regenwürmer, wirkt negativ auf die Gewässerorganismen und Amphibien und dezimiert Insekten wie Bestäuber und Schmetterlinge, da sie weniger Nahrung finden. Aber auch auf den Tellern landet immer mehr Glyphosat. So haben die US-Behörden die Toleranzmengen für Glyphosat in Nahrungsmitteln auf Wunsch der Industrie mehrfach angepasst:
Eine stetig wachsende Anzahl an Studien bringt Glyphosat mit verschiedenen Gesundheitsproblemen in Verbindung. So ist belegt, dass sich Glyphosat in Nieren und Leber akkumulieren und zu Organschäden führen kann. Glyphosat steht im Verdacht fruchtschädigend zu wirken und krebserzeugend zu sein.
Wie Weiter?
Der heutige massive Glyphosat-Einsatz stellt ein nicht verantwortbares Risiko für Mensch und Umwelt dar und muss gestoppt werden. Sowohl die EU wie auch die Schweizer Behörden werden demnächst über eine Verlängerung der Zulassung entscheiden. In der Schweiz haben wir den Parlamentsdiensten am 4. Februar 2016 zusammen mit den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz (AefU) sowie der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) eine Petition mit über 25’000 Unterschriften übergeben, die ein Glyphosat-Verbot fordert. Wichtig ist allerdings, dass Glyphosat nicht einfach durch andere Herbizide ersetzt wird. Denn diese sind zum Teil noch toxischer als Glyphosat. Gerade bei der Unkrautbekämpfung gibt es viele Möglichkeiten, die ohne Herbizide funktionieren:
- Mechanische Methoden (Hacken, Jäten)
- Abbrennen mit Gas
- Einsatz von Mulch
- High-Tech Roboter, die Unkräuter selektiv bekämpfen
Wir brauchen einen grundsätzlichen Wandel in der Landwirtschaft und eine Abkehr von der rein industriellen Logik. Denn das Ziel der Landwirtschaft sollte es ja sein, gesunde Lebensmittel zu produzieren und dabei die Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten – und nicht die Kassen weniger globaler Agrokonzerne zu füllen.
Quellen
[1] Trends in glyphosate herbicide use un the United States and globally (http://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-016-0070-0)
[2] US-Patent Glyphosat als Chelatbildner (http://pdfpiw.uspto.gov/.piw?Docid=03160632&homeurl=http://patft.uspto.gov/netacgi/nph-Parser?Sect1=PTO2%26Sect2=HITOFF%26p=1%26u=%252Fnetahtml%252FPTO%252Fsearch-bool.html%26r=1%26f=G%26l=50%26co1=AND%26d=PALL%26s1=%25223160632%2B%2522.PN.%26OS=PN/%26RS=&PageNum=&Rtype=&SectionNum=&idkey=NONE&Input=View+first+page
[3] Zwei Jahrzehnte des Versagens (http://www.greenpeace.org/switzerland/de/Publikationen/Landwirtschaft/Zwei-Jahrzehnte-des-Versagens/)