Der geplante Tapajós-Staudamm hätte schwerwiegende Folgen für das Volk der Munduruku und viele seltene Tierarten. Etliche Firmen liebäugeln mit dem Projekt und sehen darin ein verlockendes Geschäft — auch aus der Schweiz. 

Gegen den  geplanten Bau des Tapajós-Staudamms formiert sich breiter Wiederstand lokaler Gemeinschaften, von WissenschaftlerInnen und  Nichtregierungsorganisationen — mittendrin: Greenpeace. Bereits das Belo-Monte-Projekt hat gezeigt: Diese Projekte bringen vor allem Zerstörung in die artenreichen, schützenswerten Gebiete im Amazonas. Für viele Menschen, darunter Indigene, sind diese Staudämme ein gravierender Eingriff in ihre Lebensgrundlagen und Kultur. Der jetzt geplante Staudamm wäre der erste von mehreren geplanten solchen Projekten entlang des Tapajós – einem der letzten unberührten Flusssysteme im Amazonas-Gebiet. Die Region hätte durch den Bau mit erheblichen sozialen und ökologischen Konsequenzen zu kämpfen. Durch den ersten geplanten Damm, der Sao Luiz de Tapajós, enstünde ein 729 Quadratkilometer grosses Staubecken – eine Fläche so gross wie New York City. Viele Firmen rund um die Welt wittern trotzdem ein grosses Geschäft: Greenpeace-Brasilien veröffentlichte heute den Bericht «Damning the Amazon – Risky Business of Hydropower in the Amazon», der aufzeigt, inwieweit internationale Konzerne in bestehende Staudammprojekte im Amazonas-Regenwald verstrickt sind.

Heimat der Munduruku

Der Tapajós-Fluss, insbesondere am oberen und mittleren Stromlauf, ist die Heimat der Munduruku, einem indigenen Volk, das rund 14’000 Menschen zählt. Für sie hätte ein Staudamm schwerwiegende Folgen: Sie müssten umgesiedelt werden. Wird der Tapajós aufgestaut, stirbt der Fluss, der Wald und mit ihm die jahrhundertealte Kultur, Lebensweise und Lebensgrundlage der Menschen an seinen Ufern.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es im Zuge des Projekts zu Menschenrechtsverletzungen kommen wird: Laut der brasilianischen Verfassung ist die Lebensweise und kulturelle Identität geschützt. Sie dürfen demnach über den Verbleib ihres Landes mitentscheiden. Es muss damit gerechnet werden, dass dies einfach übergangen wird. Ebenso muss man leider davon ausgehen, dass das Projekt internationale Menschenrechtsstandards verletzen wird — beispielsweise die UNO-Deklaration über die Rechte indigener Völker und die ILO-Konvention 169 zum Schutz der indigenen Völker, die beide das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Völker garantieren.

Bedrohung für Regenwald und seltene Tierarten

Ebenso gravierend wäre der Bau für den tropischen Regenwald und seine seltenen Tierarten: Weite Teile des Sawre Muybu Gebietes, das im Besitz der Munduruku ist, müssten für den mehr als sieben Kilometer breiten Damm geflutet werden. Zusätzlich würden grosse Flächen Wald durch indirekte Zerstörung (beispielsweise durch den Bau von Strassen) verloren gehen. Riesige Urwaldflächen und zahlreiche Seen und Inseln gehen unwiderruflich verloren. Dabei gilt das Tal als eines der artenreichsten im Amazonas. Jaguare, Flussdelfine, Seekühe, hunderte Fisch- und Vogelarten und viele andere seltene Tiere leben hier. 

Im Zuge der Projektentwicklung wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung angefertigt. Beauftragt wurde es von Eletrobrás, dem führenden Unternehmen des Konsortiums, das Interesse am Bau des Staudamms hat. In einem unabhängigen Bericht kritisierten neun auf ihrem Gebiet anerkannte WissenschaftlerInnen die Ergebnisse massiv. Abgesehen von den zu erwartenden Folgen für Menschen, Tiere und Regenwald werde das Gebiet hinter der geplanten Staumauer nicht berücksichtigt, ebenso wie die Tatsache, dass noch weitere vier Staudämme auf dem gleichen Flussgebiet geplant seien. Auch werde die Bevölkerung nicht über die tatsächlichen Folgen des Projekts informiert.

Auch Schweizer Firmen hoffen auf Tapajós-Profit

Die offizielle Ausschreibung für das Staudammprojekt  hätte bereits letztes Jahr stattfinden sollen und ist wegen politischer Turbulenzen schon mehrmals verschoben worden. Ein neues Datum ist noch nicht bekannt. Erst nach der Ausschreibung wird klar werden, welche Firmen definitiv am Konsortium beteiligt sind. Auch Schweizer Unternehmen haben vermutlich ein Interesse: zum Beispiel Alstom Renewable (Schweiz) GmbH – seit 2016 von GE übernommen und nun GE Renewable Energy (Schweiz) – mit Sitz in Birr (Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und Service von Staudammkomponenten), Andritz Hydro AG in Kriens sowie die Zurich Insurance. Sie alle waren bereits in vergangenen Staudamm-Projekten beteiligt. Wir fordern sie deshalb auf, sich nicht an dem Staudamm-Projekt zu beteiligen.

Der Amazonas-Regenwald gibt uns Zeit, unsere Lebensweisen von klimafeindlichen Energien auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen. Wird dieser CO2-Speicher weiter zerstört, beschleunigt Brasilien den Klimawandel, während andere Länder versuchen, ihm mit Klimalösungen entgegenzuwirken. Mit einem Verzicht würden die Firmen ein wichtiges Zeichen setzen: wer zukunftsorientierten Klimaschutz will, unterstützt den Ausbau von Solar- und Windenergie, ohne den Amazonas Regenwald zu zerstören.

Newsblog-Eintrag vom 21. März 2016

«Der Fluss ist unser Zuhause»

Zum Tag des Waldes protestiert Greenpeace gemeinsam mit den Munduruku gegen ein Staudammprojekt im Amazonas-Gebiet. Das indigene Volk fürchtet um den artenreichen Lebensraum am Tapajós-Fluss. Und seine jahrhundertealte Kultur.



Montag, 21. März 2016 © Valdemir Cunha / Greenpeace

Unsere Fotoreportage aus der Region.

Mitten im dichten Dschungel des Amazonas liegt das Dorf Sawré Muybu. Die Bewohner sind die Munduruku, ein indigenes Volk, das am Ufer des Tapajós-Flusses, einem Nebenarm des Amazonas, zuhause ist. Seit Jahrhunderten leben die Munduruku hier im Einklang mit der Natur. Doch ihr Lebensraum, ihr Dorf und damit auch ihre Kultur könnten bald verschwinden: Die brasilianische Regierung will an einem der letzten unberührten Nebenflüsse des Amazonas ein gigantisches Staudammprojekt (engl.) verwirklichen.

Die Munduruku wehren sich: Heute – am internationalen Tag des Waldes – senden sie gemeinsam mit Greenpeace eine Nachricht an die brasilianische Regierung und die Energiewirtschaft. 60 Vertreter der Munduruku und Greenpeace-AktivistInnen breiteten auf einem heiligen Abschnitt des Tapajós ein Banner aus, befestigt an ihren traditionellen Holzkanus. «Damn the Dam – Keep Tapajós River Alive!» (Verbannt den Damm – haltet den Tapajós am Leben). Sie fordern, die zerstörerischen Pläne aufzugeben: «Wird der Tapajós aufgestaut, stirbt der Fluss, der Wald und mit ihm die Kultur und Lebensgrundlage der Menschen an seinen Ufern», warnt Jannes Stoppel, Greenpeace-Experte für Wälder und derzeit vor Ort im Amazonas.



Montag, 21. März 2016
© Rogério Assis / Greenpeace

Noch ist der Regenwald dort intakt

Mehr als 40 Staudämme hat die brasilianische Regierung für das Tapajòs-Becken vorgesehen, einige sind in der konkreten Planungsphase. Der São Luiz do Tapajós, ist der erste Damm, der gebaut werden soll. Das Grossprojekt, das den Fluss in mehreren Abschnitten durch riesige Staumauern zerschneiden würde, ist Teil eines umfassenden Plans der brasilianischen Regierung zur Steigerung der nationalen Energieproduktion. Doch das Vorhaben der Regierung könnte immense Schäden in einem der letzten intakten Urwälder des Amazonas anrichten und die 12’000 Indigenen des Tapajós-Tals für immer aus ihrer Heimat vertreiben. Für den Damm würde ein Teil ihres Gebietes geflutet, ihre Fischgründe und heiligen Stätten würden zerstört werden. Die Munduruku müssten ihre angestammte Heimat verlassen und ihre traditionelle Lebensweise aufgeben. «Fluss und Wald sind unser Zuhause und unsere Lebensgrundlage – mit dem Bau dieses Dammes nimmt man uns beides», sagt ihr Oberhaupt Juarez Saw Munduruku.

Desaster auch für Fauna und Flora

Auch aus ökologischen Aspekten wäre der Bau des Staudamms eine Katastrophe: Für den mehr als sieben Kilometer breiten São Luiz do Tapajós-Damm würde ein 729 Quadratkilometer grosses Staubecken entstehen. Das bedeutete die unwiderrufliche Zerstörung von riesigen Urwaldflächen und zahlreichen Seen und Inseln. Dabei gilt das Tal als eines der artenreichsten im Amazonas. Jaguare, Flussdelfine, Seekühe, hunderte Fisch- und Vogelarten und viele andere seltene Tiere leben hier.

Es bleibt (wenig) Zeit

«Noch befindet sich das Dammprojekt in einem frühen Stadium des Genehmigungsprozesses, der genauso ernsthafte Mängel aufweist, wie zuvor das Belo Monte-Staudammprojekt», so Stoppel. «Dieses ist derzeit Teil der grössten Korruptionsermittlung in Brasilien – daraus muss die brasilianische Regierung Lehren und früh genug die Notbremse ziehen.»

Energie zu derart hohen Kosten für Mensch und Umwelt zu produzieren, ist weder moralisch vertretbar noch nachhaltig. Auch ist fraglich, ob der Damm tatsächlich die Energie produzieren kann, die sich die brasilianische Regierung von dem Grossbauprojekt erhofft. Jüngsten Studien zufolge wird die Wassermenge des Tapajós in den nächsten Jahrzehnten aufgrund nachlassender Niederschläge und weiterer Abholzungen wahrscheinlich um 30 Prozent sinken. Dies könnte den wirtschaftlichen Erfolg des geplanten Megadamms erheblich beeinträchtigen. 

Zwar wurde im Vorfeld der Planungen für das Grossstaudammprojekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Doch geschah dies im Auftrag von Eletrobras, einem führenden Unternehmen Brasiliens mit grossem Interesse am Staudammbau. Vor allem aber wurde bei der Prüfung eines völlig ausser Acht gelassen: die Auswirkungen auf die in der Region lebenden Menschen – die Munduruku.

 

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