Die externen Kosten von Pestiziden überwiegen deren Nutzen. Zu diesem Schluss kommen französische Wissenschaftler. Besonders auffällig: Der Einsatz der chemisch synthetischen Substanzen verursacht hohe Krankheitskosten.
Pestizide können schwere Krankheiten auslösen. Ihr Einsatz führt zu einem Verlust der Artenvielfalt. Bei Vögeln, Amphibien, Reptilien, Insekten — auch bei Bestäubern wie den Haus- und Wildbienen, die für die Lebensmittelvielfalt eine wichtige, unersetzbare Rolle spielen. Eine Bewertung des ökonomischen Nutzens von Pestiziden ist eine wichtige Grundlage für die Diskussion über Sinn und Unsinn des Chemieeinsatzes.
Französische Wissenschaftler haben nun die externen Kosten berechnet, die durch Pestizide entstehen — etwa durch Regulierung, Krankheiten und Umweltschäden. Dafür haben sie 61 Studien analysiert. In ihrer für das französische Institut für Landwirtschaftsforschung (INRA) erstellten Studie (franz.) kommen sie zum Schluss: Die durch Pestizide verursachten externen Kosten sind höher als der Nutzen des Chemieeinsatzes — vielleicht sogar um ein Vielfaches!
Gesundheitskosten explodieren
Die erste Beobachtung der Forscher: Die externen Kosten werden wahrscheinlich deutlich unterschätzt. Auffällig hoch sind die Zahlen, welche die menschliche Gesundheit betreffen. Bisher wurden Kosten, die durch tödliche Folgekrankheiten wie Krebs entstehen, in wirtschaftlichen Pestizid-Studien nicht einbezogen. Die Wissenschaftler schätzen jetzt, dass der Einbezug dieser Zahlen die Gesundheitskosten explodieren lässt. Sie reden von einer Verzehnfachung: 2005 sind die durch Pestizide verursachten Krankheitskosten in den USA alleine von 1,5 Milliarden auf bis zu 15 Milliarden US-Dollar (rund gleich viel in Franken) gestiegen. Die Schäden an Tieren, Pflanzen und mikrobiellen Lebensformen im Boden sind schwer zu quantifizieren und daher nie richtig bewertet worden. Eine US-Studie von 1992 bezifferte diese in einer konserativen Schätzung auf fast 9 Milliarden Franken.
Kosten müssen in Rechnung gestellt werden
Die volkswirtschaftlichen Kosten des Pestizideinsatzes sind riesig. Wenn für jeden Franken, der für Pestizide ausgegeben wird, mindestens nochmals die Hälfte an Folgekosten für Schäden an Umwelt und Gesundheit sowie für die Regulierung dazu kommen, ist das inakzeptabel. Das kommt einem Marktversagen gleich. Preise müssen die wahren Kosten spiegeln. Wer Pestizide herstellt oder anwendet, muss auch die gesellschaftlichen und ökologischen Folgekosten übernehmen und konsequenterweise seinen Kunden in Rechnung stellen. Eine Internalisierung von externen Kosten ist in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nötig. Eine Pestizidabgabe, die für Kostenausgleich sorgt und Innovationsanreize für den biologischen Pflanzenschutz, der ohne chemisch-synthetische Stoffe auskommt, ist eine diskussionswürdige Lösung.
Paradigmenwechsel nötig
Der hohe Pestizideinsatz der industriellen Landwirtschaft reduziert die Biodiversität, gefährdet unsere Gesundheit und hinterlässt einen Chemie-Cocktail in unseren Lebensmitteln. Es ist höchste Zeit an einem Pestizid-Ausstiegsplan zu arbeiten und den KonsumentInnen nachhaltig produzierte, gesunde Lebensmittel anzubieten. Die Schweizer Agrarwirtschaft muss vom Paradigma der chemieintensiven Landwirtschaft wegkommen. Insbesondere muss der Einsatz von synthetischen Pestiziden schrittweise reduziert werden. Dies erfordert eine Abkehr von industriellen Agrarsystemen und die Einführung ökologischer landwirtschaftlicher Praktiken. Nur so können die ökologischen und wirtschaftlichen Probleme, mit denen die Landwirtschaft derzeit zu kämpfen hat, effektiv und ganzheitlich gelöst werden.
Konkret heisst dies: Verbesserung der Bodenbewirtschaftung, Anwendung biologischer Schädlingsbekämpfung, Auswahl resistenter, den örtlichen Bedingungen angepasster Sorten, Gestaltung pflanzenbaulich optimaler Fruchtfolgen und Erhöhung der Vielfalt landwirtschaftlicher Systeme. Greenpeace fordert die Supermärkte auf, die Bauern beim Umstieg auf eine nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen.