In Schweden scheint die Atom-Lobby einen Sieg errungen zu haben: Das Parlament erlaubt den Bau neuer AKW. Das erstaunt, in einem Land, in dem der Atomausstieg eigentlich schon vor rund 30 Jahren in einer Volksabstimmung besiegelt worden war. Doch das Freudengeheul der Atom-Liebhaber ist eigentlich nur ein unterdrückter Verzweiflungsschrei.

Die schwedischen AKW werden trotz dem jüngsten Parlamentsentscheid bald in Pension gehen: Greenpeace-Aktivisten überbringen dem Atomkraftwerk Oskarshamn den Rentenbescheid © Uffe Weng / Greenpeace

Wer heutzutage in Europa noch ein Atomkraftwerk bauen will, braucht Geld. Viel Geld. Und Zeit. Und Nerven. Ein prominentes Beispiel ist das geplante AKW Hinkley Point C in Grossbritannien. Berechnungen von Greenpeace Energy Deutschland zeigen, dass insgesamt der unglaubliche Betrag von über 100 Milliarden Euro in das Neubauprojekt geschaufelt werden soll. Nicht viel besser sieht es bei AKW in Finnland und Frankreich aus, die bereits im Bau sind. Bei beiden wachsen die Kosten ins Unermessliche, und der Betriebsbeginn wird immer weiter nach hinten geschoben.

Und jetzt das: Ausgerechnet Schweden lässt den Bau neuer AKW wieder zu. Ausgerechnet Schweden, das nach der teilweisen Kernschmelze im US-Atomkraftwerk Three Mile Island Ende der 1970er-Jahre per Volksabstimmung den Atomausstieg beschloss. Ausgerechnet Schweden, dessen AKW-Betreiber ihr maroden Meiler selbst bald vom Netz nehmen wollen, weil die Nachrüstungen zu teuer wären.

«Grosser Fehler»
Ludvig Tillman, Energie-Experte von Greenpeace Schweden bezeichnet das hauchdünne Ja des  schwedischen Parlaments zu neuen AKW als grossen Fehler, der das Land weit zurückwerfe. Er gibt sich aber zugleich kämpferisch: «Greenpeace wird sich weiter jedem Schritt hin zu neuen Atomkraftwerken entgegenstellen.»

Problematisch ist vor allem das Signal, das Schweden mit seinem Entscheid aussendet. Den Sieg, als den die Atomlobby den Parlaments-Entscheid feiert, hat diese aber mitnichten errungen. Das Gesetz schliesst nämlich Subventionen für Atomkraft klar aus. Die Schweden sind also offenbar doch genügend klug, nicht Staats-Milliarden in die Energietechnologie von vorgestern zu verlochen wie die Briten.

Alte AKW gehen bald vom Netz
Neue AKW werden also auch in Schweden mit dem neuen Gesetz keine gebaut werden. Droht nun die gleiche paradoxe Risikosituation wie in der Schweiz? Dass die uralten Kraftwerke bis zum St. Nimmerleinstag am Netz bleiben und das Risiko stetig steigt? Auch diese Gefahr ist in Schweden zum Glück klein: Zwar sieht das Gesetz vor, dass die Kernenergiesteuer abgeschafft wird – gleichzeitig steigt aber die Haftung für die AKW-Betreiber massiv an. Diese werden also kaum auf ihren Entscheid zurückkommen, die Meiler vom Netz zu nehmen.

Zudem hat das schwedische Parlament im gleichen Zug Fördermassnahmen beschlossen für die zukunftsgerichtete Energiegewinnung – aus Windkraft. Und das im Gesetz festgeschriebene Ziel lautet, Schweden bis 2040 komplett mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Das Freudengeheul der schwedischen Atomlobby ist deshalb nur der unterdrückte Verzweiflungsschrei einer untergehenden Zunft.

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