Der Klimawandel ist zur grössten Bedrohung der Menschheit geworden, am stärksten von den immer häufigeren Hitzeextremen sind bei uns Frauen im Pensionsalter betroffen. Weil der politische Kampf für wirksame Klimaschutz-Massnahmen von mächtigen Interessen blockiert wird, beschreiten die sogenannten KlimaSeniorinnen den juristischen Weg. Mit der Klage, ihr Recht auf Leben und ihr Recht auf Gesundheit werden verletzt, fanden sie in der Schweiz kein Gehör. Die Chancen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dies anders beurteilt, stehen gut.
Der 29. März 2023 hat das Potenzial, als Meilenstein in die Geschichte im weltweiten Kampf gegen die sich immer deutlicher abzeichnende Klimakatastrophe einzugehen. Erstmals überprüft dann der EGMR, das auf die Einhaltung der Menschenrechte spezialisierte Gericht des Europarats in Strassburg, inwiefern ein Staat wie die Schweiz die Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss, um die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung zu schützen.
Die Schweizer Klimaklage vor der letzten Instanz
Der Kampf der KlimaSeniorinnen, einem Verein, dem über 2000 Frauen im Pensionsalter aus allen Schweizer Landesteilen angehören, geht zurück auf deren Beschwerde beim UVEK im Jahr 2016. Angesichts der stark steigenden Zahl von Todesfällen, die direkt auf extreme Hitzesommer zurückzuführen waren – 2003 und 2015, seither sind die wochenlangen Hitzewellen 2019 und 2022 dazugekommen – verlangten die KlimaSeniorinnen, dass die Schweiz alle geeigneten Massnahmen ergreifen müsse, um ihr Recht auf Leben sowie ihr Recht auf Gesundheit zu schützen.
Die Verwaltung, das Bundesverwaltungsgericht sowie das Bundesgericht haben die Klage der KlimaSeniorinnen mit je unterschiedlichen Begründungen zurückgewiesen, die letztlich auf dasselbe hinausliefen: eine (menschenrechtliche) Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürger:innen sei im Fall des Klimawandels nicht gegeben.
Mit dieser Frage will sich jetzt erstmals die oberste juristische Instanz in Sachen Menschenrechte in Europa, der EGMR in Strassburg, auseinandersetzen. Er hat bereits entschieden, dass er die Klage «Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland» zusammen mit je einer Klage aus Frankreich und Portugal prioritär behandeln will. Und dies in der Grossen Kammer des Gerichts, die für speziell wichtige Fälle und Leiturteile zuständig ist. Nach zwei Anhörungen am 29. März 2023 folgt eine dritte im Herbst, so dass frühestens Ende 2023 mit der Urteilsverkündung zu rechnen ist.
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Beteilige dichWeitreichende Konsequenzen möglich
Die Klage der KlimaSeniorinnen könnte vom EGMR ganz oder teilweise gutgeheissen, selbstverständlich auch abgewiesen werden. Was das Urteil für konkrete Auswirkungen auf die Schweizer Klimapolitik haben wird, hängt im Einzelnen von der Urteilsbegründung ab. Sicher ist, dass das Urteil nicht nur für die Schweiz, sondern für alle 46 Staaten, die dem Europarat angehören, bindenden Charakter hat. Bei einem positiven Urteil für die KlimaSeniorinnen ist denkbar, dass die Schweizer Klimaklage von einem Schweizer Gericht neu beurteilt werden muss, aber auch, dass die Schweiz explizit aufgefordert wird, ihre gesetzlich festgelegten Klimaziele nachzubessern, weil sie der EGMR aus Sicht der Menschenrechte als ungenügend eingestuft hat.
Wer mehr über die KlimaSeniorinnen, ihre Geschichte, ihren Kampf für eine griffigere Schweizer Klimapolitik erfahren will, findet eine Fülle von Information auf der Webseite der Klimaseniorinnen. Ebenfalls zu finden sind ausführliche Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen, die den KlimaSeniorinnen immer wieder gestellt werden.
Greenpeace hat seit 2016 immer wieder darauf hingewiesen, dass die Umweltorganisation das Projekt der KlimaSeniorinnen initiiert und mitgeholfen hat, aufzubauen. Nur dank der Unterstützung von Greenpeace haben die KlimaSeniorinnen überhaupt die Möglichkeit, für den Schutz ihrer Menschenrechte zu kämpfen.