Der renommierte Schweizer Bio-Pionier und -Forscher Dr. Hans Rudolf Herren war einer der Initiatoren des Monsanto-Tribunals vom letzten Wochenende in Den Haag. Im Interview erklärt er, wie man die Welt ökologisch ernähren kann.
RechtsexpertInnen und ZeugInnen aus aller Welt haben sich letztes Wochenende in Den Haag versammelt, um symbolisch über Monsanto zu richten. Das von Greenpeace unterstützte Monsanto-Tribunal wollte den US-Agrochemiekonzern für Verbrechen gegen Mensch und Umwelt zur Verantwortung ziehen. Die erhobenen Vorwürfe wurden zusammengetragen und die verursachten Schäden evaluiert. Das Tribunal stützte sich auf die im Jahre 2011 verabschiedeten «UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte». Im Gespräch mit Stefan Kerschbaumer erläuterte der renommierte Schweizer Bio-Pionier und Gründer der Stiftung Biovision, Dr. Hans Rudolf Herren, das Geschäft des US-Agrochemiekonzerns Monsanto und erklärte, wie biologische Landwirtschaft die Welt ernähren kann.
Dr. Herren, was hat Sie und andere Menschen aus der Zivilgesellschaft dazu bewogen, das Monsanto-Tribunal abgehalten?
Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vermarktet Monsanto zahlreiche hochgiftige Produkte, die Krankheit oder Tod von tausenden von Menschen verursachten und die Umwelt dauerhaft schädigten. Dazu gehört etwa RoundUp, das weltweit am meisten eingesetzte Unkrautvertilgungsmittel und Mittelpunkt des grössten Gesundheits- und Umweltskandal der modernen Geschichte. Dieses hochgiftige Herbizid wird grossflächig in Kombination mit genmanipuliertem Saatgut – so genanntem «RoundUp Ready»-Saatgut – verwendet, in erster Linie um Soja, Mais und Raps für Tierfutter und Agrotreibstoffe anzubauen. Weiter wird RoundUp auch auf Golfplätzen, entlang von Strassen, Bahngleisen, und unter Hochspannungsleitungen gesprüht. Das Produkt wird auch oft in Hausgärten und auf Rasen gebraucht.
Monsanto fördert ein Modell von Industrielandwirtschaft, das weltweit mindestens ein Drittel der anthropogenen Treibhausgasemissionen verursacht. Die industrielle und konventionelle Landwirtschaft ist zu einem grossen Teil verantwortlich für die Abnahme von Bodenfruchtbarkeit und Grundwasserreserven, für Biodiversitätsverlust und Artensterben, sowie weltweit für die Verdrängung von Millionen von Kleinbauern. Weiter haben die Produkte der industriellen und auch der konventionellen Landwirtschaft Glyphosat-Rückstände, die die WHO also mögliches Karzinogen eingestuft hat. Mit der Patentierung von Lebewesen und Saatgut bedroht dieses Modell die Ernährungssouveränität von uns allen.
Kritiker werfen Monsanto vor, durch eine systematische Verschleierungsstrategie die durch ihre Produkte verursachten Schäden an Mensch und Umwelt zu leugnen und ihre verheerenden Aktivitäten aufrecht zu erhalten. Zu diesen gehört: Lobbying bei den gesetzgebenden Agenturen und Regierungen, Lügen und Korruption, Finanzierung betrügerischer wissenschaftlicher Studien, unter Druck setzen unabhängiger Wissenschaftler, Manipulation von Presseorganen, etc. Dieses unverantwortliche Verhalten muss beendet werden – die Welt kann nicht weiter diese Schäden an Menschen, der Natur und schlussendlich auch der Wirtschaft in Kauf nehmen.
Ist die von Monsanto und anderen Konzernen vorangetriebene Form der Landwirtschaft tatsächlich ertragreicher als biologische Landwirtschaft?
Wenn man sich die Produktion nur in Kg/Ha anschaut, ja. Aber wir brauchen eben nicht mehr leere Kalorien, wir brauchen mehr gute und vielseitige Nahrung. Wir brauchen mehr Gesundheit, mehr Nährstoffe und mehr Einkommen pro Hektar. In einer Welt, in der man heute etwa doppelt so viel Kalorien produziert, wie nötig wären, um die Bevölkerung zu ernähren, könnte man auch ein bisschen weniger, dafür nachhaltiger, diverser produzieren.
Wir müssen die Nahrungsmittelproduktion lokalisieren und kulturell anpassen, nicht mehr und mehr globalisieren. Agrarökologie, Biolandbau, Regenerative Landwirtschaft und natürlich nachhaltige Nahrungssysteme müssen die industrielle und konventionelle Landwirtschaft sofort ersetzen. Wir wissen wie, wo und wann… es geht jetzt darum, die Kräfte, die immer dagegen steuern, mit der Ausrede wir müssen mehr und billiger produzieren, zu neutralisieren, um der nachhaltigen Landwirtschaft eine Chance zur Entfaltung geben. Wir haben nicht mehr viel Zeit: der Klimawandel rückt nach, und nur eine ökologische Landwirtschaft, in den oben genannten Formen, kann uns vor plus 2º Celsius retten.
Kann biologische Landwirtschaft die Welt ernähren?
Ja, ganz natürlich. Es geht, wie ich es selbst erforscht habe, mit der Push-Pull-Methode. In Afrika etwa kann man die Erträge nachhaltig verdoppeln oder gar verdreifachen. Damit könnten sich auch die ärmsten Länder gesund selbst ernähren. Nordamerika und Europa müssen aufhören, Überschüsse zu produzieren, die sie dann nach Afrika exportieren, so dass die afrikanischen Bäuerinnen und Bauern ihre Produkte auf den lokalen Märkten verkaufen können, um Einkommen zu generieren statt gegen billige Importe kämpfen zu müssen. Die Stiftung Biovision zeigt seit Jahren, wie man mit Biolandbau und agrarökologischen Methoden viel und gesund produzieren kann.
Was müsste sich ändern, dass wir in Zukunft biologische Landwirtschaft mit ausreichend Erträgen für die ganze Welt etablieren können?
Natürlich müssen Forschung und Umsetzung auf diese Landwirtschaft umgestellt werden. Die Subventionen, die heute die «falsche» Landwirtschaft unterstützen, die ohne Zuschüsse bankrott wäre, müssen für die Transformation auf allen Ebenen des Nahrungssystems eingesetzt werden, und dies in den Industriestaaten und den Entwicklungsländern. Die Entwicklungsorganisationen, Stiftungen, Entwicklungsbanken und Regierungen müssen ihre Mittel, die heute immer noch hauptsächlich in die veraltete «grüne Revolution» fliessen, in eine Transformation der Landwirtschaft und der Nahrungssysteme, basierend auf agrarökologischen Prinzipien, fliessen lassen. Dies hat schon der Weltagrarbericht, der von 400 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt verfasst wurde, 2009 vorgeschlagen. Leider hatte dazumal eben auch schon die Agrarlobby die Verbreitung und die Umsetzung des Berichtes blockiert, mit der Aussage, dass man die Produktion verdoppeln müsse, um eine Ernährungskrise zu vermeiden.