Vivane Fasca ist bei Greenpeace Brasilien verantwortlich für Fundraising und Marketing. Die Präsidentschaftswahl vom 2. Oktober ist für sie eine Wahl von «Demokratie oder Diktatur».

Vivian, wie geht es Greenpeace Brasilien nach fast vier Jahren Jair Bolsonaro?

Nach dem Wahlsieg von Jair Bolsonaro 2018 wussten wir, es stehen schwierige Zeiten an. Wie schlimm es tatsächlich wurde, hat selbst uns überrascht. Bolsonaro bezeichnete Greenpeace als «Krebsgeschwür», als «Dreck», als «Abfall». Er macht Umweltschutzorganisationen für die Brandrodungen im Amazonas verantwortlich. Verrückt, nicht wahr?

Was ist besonders schwierig?

Es gibt keinen Dialog mehr. Wer den Amazonas ausbeuten will, hat freie Hand. Gegenüber dem Ausland verkündete Bolsonaro: Der Amazonas gehört uns. Niemand hat das Recht, uns dreinzureden, was wir mit ihm machen. Regierung und Parlament brachten eine Reihe von Umweltgesetzen zu Fall und sie schwächten die regionalen und lokalen Umweltbehörden.

Zwischen 2015 und 2020 wurden gemäss den Vereinten Nationen in Brasilien 194 Umweltaktivist:innen umgebracht. 

Diese Verbrechen sind eine Tragödie. Ein besonders trauriges Beispiel ist der Mord im vergangenen Juni am Anthropologen Bruno Pereira und am britischen Journalisten Dom Philipps. Pereira hat für die Indigenen-Schutzbehörde Funai gearbeitet. Philipps hat unter anderem für die britische «Times» und den «Guardian» über Umweltverbrechen im Amazonas geschrieben.

Was hat sich in Sachen Gewalt in den vergangenen Jahren geändert?

Unter Bolsonaro hat die Gewalt im Vergleich zu den Vorgängerregierungen unter Lula und Rousseff massiv zugenommen. Kriminelle können heute tun und machen, was sie wollen, nicht zuletzt im Amazonasgebiet. Es herrscht eine Kultur der Gesetz- und Straflosigkeit. 

Im April 2022 demonstrieren diverse indigene Völker Brasiliens gegen die vorherrschende Gewalt im Land. © Tuane Fernandes / Greenpeace

Wie kann Greenpeace in solch einem Umfeld arbeiten?

Greenpeace hat in Brasilien in den vergangenen 30 Jahren grosse Erfahrung im Umgang mit Risiken gewonnen. Jeder Aktivität geht eine detaillierte Risikoanalyse voraus. Das minimiert die Gefahren, ohne sie aber ganz ausschliessen zu können. 

Wie hat Corona die Arbeit von Greenpeace beeinflusst?

Während der Covid-Pandemie haben wir unsere Aktivitäten gegen die Umweltzerstörung und die Zusammenarbeit mit Indigenen aus Sicherheitsgründen stark heruntergefahren. Im Sommer 2020 starteten wir das Projekt «Wings of emergency». Wir versorgten Indigene unter anderem mit Sauerstoff und Masken. Das war nur möglich, weil wir als einzige Umweltorganisation in Brasilien ein kleines Flugzeug besitzen.

Bei der Präsidentschaftswahl heute haben nur zwei Kandidaten eine reelle Gewinnchance. Expräsident Lula da Silva, der wegen Korruption 580 Tage im Gefängnis sass, und Bolsonaro. Was für eine Auswahl!

Ja, die Auswahl ist nicht berauschend. Trotzdem: Es ist eine Wahl von Demokratie oder Diktatur, von Glaubwürdigkeit oder Lüge, von Stabilität oder Instabilität.

Welches sind die grössten Gefahren für den Amazonas?

Der Regenwald ist aus vier Gründen bedroht: wegen dem Sojaanbau, den Weideflächen für Rinder, durch illegalen Holzschlag und illegalen Bergbau. Aktuell sind die grösste Gefahr Brandrodungen für Weideflächen. Lula hat unter anderem versprochen, dass er eine Klimaschutzbehörde einrichten wird, damit Brasilien die Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten kann und der Regenwald besser geschützt ist.

Auch 2022 kommt es zu neuen Brandrekorden im Amazonas. © Christian Braga / Greenpeace

Was können Greenpeace-Unterstützer:innen in der Schweiz tun?

In Brasilien konnten wir während der Covid-Pandemie die Menschen auf der Strasse kaum mehr für Spenden angehen. Die Einnahmen gingen zurück. Umso mehr sind wir dankbar für die finanzielle Unterstützung von anderen Greenpeace-Organisationen.


Vivian Fasca ist seit 2018 bei Greenpeace Brasilien. Sie ist verantwortlich für Fundraising und Marketing: «Für Greenpeace zu arbeiten und zum Schutz des Amazonas beizutragen, inspiriert mich. Ich weiss, dass ich Teil einer der weltweit wichtigsten Kämpfe bin. Ein Kampf, der für unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder entscheidend sein wird.»

Hier findest du Informationen, wie du Greenpeace im Kampf gegen die Zerstörung des Amazonas unterstützen kannst.