Was verbindet den US-amerikanischen Yosemite-Nationalpark, die griechische Insel Lesbos und die Sächsische Schweiz? Sie fackeln ab. Eine traurige Weltreise in die brennenden Wälder der Erde.
Wie lange müssten wir schweigen, wenn wir für jede Region, in der in diesem Jahr Waldbrände getobt haben oder gerade toben, eine Schweigeminute einlegen würden? In Deutschland je 60 Sekunden für Brandenburg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, das Sauerland, Sachsen und Thüringen; in Tschechien für die Böhmische Schweiz. Dazu kämen der Yosemite-Nationalpark in den USA; in Spanien Andalusien, Katalonien, Kastilien und León, ebenso die Insel Teneriffa; in Griechenland Kreta, Euböa, Samos, Lesbos, der Peloponnes und Lesbos; Südtirol, der Gardasee, Venetien, Sardinien, Sizilien und Apulien in Italien; die kroatische Adriaküste; die Pyrenäen, die Gironde und die Provence in Frankreich; Bragança, Guarda, Coimbra, Leiria, Viseu, Santarém, Castelo Branco, Portalegre, Faro und die Süd-Algarve in Portugal; Izmir und Datca in der Türkei; Nordzypern; der Amazonas-Regenwald in Brasilien; Sibirien in Russland. Und so weiter.
Hast du mitgezählt? Es wäre jetzt bereits länger als 40 Minuten still. Und die Auflistung ist bei weitem nicht vollständig. Die Lage ist verheerend – und sie ist menschengemacht.
Wenn die Wälder in Rauch aufgehen, ist unsere Zukunft in Gefahr. Jede Spende im Kampf gegen die Flammen zählt. Unterstütze jetzt die Löschteams!
Waldbrände in Brandenburg und in der Sächsischen Schweiz
Normalerweise hängen über dem Elbsandsteingebirge verwunschene Nebelschwaden, doch jetzt sind es kilometerweite Rauchwolken: Die Sächsische Schweiz brennt. Auch in den Wälder des benachbarten Brandenburgs toben die Feuer. Das liegt daran, dass es hier kaum noch naturnahen Wälder gibt, stattdessen dominieren Fichten das Landschaftsbild. Der Wald ist kein Wald mehr, sondern wurde als Monokultur angelegt, um für Produkte wie Möbel, Papier und Brennholz zur Verfügung zu stehen. Kiefer reiht sich an Kiefer, die Luft steht, der Boden ist von trockenen Nadeln bedeckt. Einem solchen “Wald” fehlen die Abwehrkräfte: Erst setzte ihm die Dürre der letzten vier Sommer zu, der Borkenkäfer gab ihm dann den Rest.
Ein trockener und geschwächter Kiefernwald ist durch die ätherischen Öle und Harze wie ein mit Brandbeschleuniger begossener Grill, der bei den heissen Temperaturen der letzten Wochen blitzschnell entflammt. In einem Mischwald mit vielen Laubbäumen hingegen ist es dank der schattenspendenden belaubten Baumkronen deutlich kühler, feuchter und dunkler, zu Waldbränden kommt es dort selten. „Dennoch setzen Teile der Forstwirtschaft weiter auf schnell wachsende Nadelbäume und pflanzen auch Kiefern immer noch in Monokultur”, sagt Greenpeace-Waldexperte Christoph Thies. „Für widerstandsfähige Wälder, die auch in der Heisszeit überleben können, braucht es eine echte Waldwende. Dies bedeutet den strengen Schutz von mindestens 15 Prozent der Wälder in Deutschland und eine ökologische Waldnutzung, die sich am Vorbild der Natur orientiert.”
Einen Lichtblick gibt es: Die Leitung des Nationalparks Sächsische Schweiz hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und lässt nun an den Standorten der toten und/oder abgebrannten Kiefern der Natur ihren Lauf. Hier wachsen langsam junge Kiefern, aber auch Birken, Buchen, Vogelbeeren nach – ein Mischwald, der steigenden Temperaturen und Schädlingen besser gewappnet ist.
Waldbrände in Südeuropa und Russland
Hunderte Kilometer weiter südlich kämpfen unsere beliebten Urlaubsziele Italien, Portugal, Türkei, Frankreich, Zypern gegen die Flammen. Durch die globale Erderwärmung wurden auf der italienischen Insel Sizilien Rekordtemperaturen von 48,8°C erreicht. Die durch die Dürre- und Hitzewellen begünstigten Waldbrände sind Teil eines Teufelskreises: Enorme Mengen CO2 werden aufgrund der Feuer freigesetzt, das Treibhausgas heizt die Erde weiter auf, die gestiegenen Temperaturen begünstigen weiteren Brände,…
Rund 15’000 Kilometer entfernt toben weitere Feuer. Im russischen Sibirien sind natürlich vorkommende Waldbrände eigentlich wichtig für den Erhalt des Ökosystems, denn der Waldboden wird von den hier heimischen Nadelbäumen zugenadelt. Ohne gelegentliche Brände könnten keine Pflanzensamen zum Boden durchdringen. Doch die «Waldbrandsaison» hat als Folge der Klimakrise dieses Jahr früher als sonst eingesetzt – und die betroffene Brandfläche ist bereits doppelt so gross wie im vergangenen Jahr, berichtet Greenpeace Russland. Eine freiwillige Feuerwehr mit vielen engagierten Helfer:innen, wie es sie in Deutschland gibt, hat Russland nicht. In anderen Jahren unterstützt das Militär bei der Brandlöschung – aber die Soldat:innen sind im Krieg.
Expert:innen befürchten langfristige Folgen für den dauerhaft gefrorenen Boden, den sogenannten Permafrostboden. Das betrifft in Russland noch etwa zwei Drittel der gesamten Bodenfläche. Taut der Permafrostboden durch die Feuer weiter auf, könnten grosse Mengen gebundener Treibhausgase freigesetzt werden.
Waldbrände in Brasilien
Rund 9’500 Kilometer entfernt brennt es ebenfalls, hier allerdings mit Absicht: Der brasilianische Amazonas-Regenwald wird gerodet, vielfach um das Land zu rauben, Bodenschätze auszubeuten und neue landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Aus den Satellitendaten des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (INPE) ist zu sehen: 2’287 Brandherde wüteten im Mai im brasilianischen Amazonasgebiet – ein Anstieg von 96 Prozent gegenüber dem Mai letzten Jahres. Nur vor 18 Jahren, im Jahr 2004, war es schlimmer. „Diese Brände sind kein Zufall“, sagt Rômulo Batista, der sich bei Greenpeace Brasilien für den besseren Schutz des Amazonas-Regenwaldes einsetzt. „Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat vor allem die Agrarindustrie ermutigt, das Amazonasgebiet weiter auszubeuten. Brände werden absichtlich gelegt, um Land, insbesondere für die industrielle Landwirtschaft, zu roden.” Die Rinder, für deren Haltung der Regenwald vor allem abgefackelt wird, landen als Steaks auch in unseren Supermärkten.
Wissenschaftler:innen haben kürzlich ihre bisher schärfste Warnung ausgesprochen, dass sich der Amazonas-Regenwald dem Kipppunkt nähert, ab dem er grossflächig versteppen würde. Dies würde Millionen Lebewesen und Tausende wildlebende Tierarten auslöschen – zahlreiche davon bisher noch unentdeckt. Zudem binden diese Wälder grosse Mengen Kohlenstoff und sind wertvolle Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Auch würde eine Verwandlung des riesenhaften Waldes in eine Steppe die Existenz indigener Gruppen noch stärker bedrohen, die bereits mit vielen Gefahren kämpfen, darunter auch den Folgen der Covid-19-Pandemie.