Immer mehr Studien kommen zum Schluss, dass der Kontakt mit chemisch-synthetischen Pestiziden über Luft, Wasser und Lebensmittel negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Mögliche Folgen: Krebs oder neurodegenerative Krankheiten wie Morbus Parkinson.
Am Sonntag, 11. April, ist Weltparkinsontag. Morbus Parkinson, umgangssprachlich auch «Schüttellähmung» genannt, ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In der Schweiz sind rund 15’000 Menschen davon betroffen. Die Krankheit nimmt in allen Alterskategorien und ebenso alterskorrigiert zu. Bis 2040 wird weltweit mit einer Verdoppelung der Patientenzahlen gerechnet. Neben dem Alter spielen Pestizide eine bedeutende Rolle, also Insektizide, Fungizide und Herbizide.
Pestizide und Morbus Parkinson
Ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Morbus Parkinson und dem Kontakt zu Pestiziden wurde seit langem vermutet. Dies insbesondere bei Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Sie sind dort dem Einfluss von Pestiziden direkt und intensiv ausgesetzt. Im Auftrag des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hat das Institut für Arbeitsmedizin der Uni Lausanne diese Effekte zusammengefasst. Es schlussfolgert, dass Beschäftigte in der Landwirtschaft mit Kontakt zu Pestiziden ein um über 50% erhöhtes Risiko haben, an einem Morbus Parkinson zu erkranken.
In der Schweiz wenig Forschung und Wissen
Andere Länder zogen daraus Konsequenzen: In Frankreich ist Morbus Parkinson seit 2012 als Berufskrankheit bei Beschäftigen anerkannt, die professionell mit Pestiziden in Kontakt kommen. Zudem gibt es in zahlreichen Ländern Melderegister und Datenbanken zur Erfassung der gesundheitlichen Nebenwirkungen von Pestiziden. In der Schweiz aber sind diese Zusammenhänge kaum erforscht.
Via Geruchorgan oder Darmgehirn ins Kopfgehirn
Im Gehirn produzieren Nervenzellen das wichtige Dopamin. Nur dank diesem Botenstoff können sie überhaupt miteinander kommunizieren und Signale an andere Hirnregionen übertragen. Im Laufe des Lebens sterben die Zellen natürlicherweise peu à peu ab. Bei der weitaus häufigsten Form von Morbus Parkinson, dem idiopathischen Parkinson-Syndrom, ist dieser Prozess stark beschleunigt. Da bei Untersuchungen die Anreicherung eines fehlgefalteten Proteins (Alpha-Synuclein) auch im Darm gefunden wurde, wird davon ausgegangen, dass Umweltfaktoren bei der Entstehung eine Rolle spielen. So haben Pestizide bei Mäusen zu einer Aggregation von Alpha-Synuclein geführt. Das Protein gelangt vom Darm in das Nervensystem des Darms und von da über Nervenverbindungen ins Gehirn oder via Geruchsorgan direkt ins Gehirn. Dazu passen neuere Erkenntnisse, dass die toxische Wirkung von chemisch-synthetischen Pestiziden auf das Mikrobiom lange unterschätzt wurde. Die Forschung der letzten Dekade verdeutlicht, dass das von vielen Wissenschaftlern als neues Organ bezeichnete «Ökosystem» im Darm einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit hat.
Wind und Wasser verbreiten die Pestizide
Chemisch-synthetische Pestizide bleiben nicht dort, wo sie gespritzt werden. Sie sind heute fast überall in den Böden, in Gewässern und in der Luft sowie in Lebensmitteln zu finden. Greenpeace Schweiz und das Umweltinstitut München zeigten in Untersuchungen mit Luftpassivsammlern, dass sich Pestizide stärker und weiter verbreiten als gedacht. Selbst Jahrzehnte nach deren Einsatz: Zum Beispiel konnte das seit 1972 verbotene DDT aktuell immer noch nachgewiesen werden – für Bäuerinnen und Bauern sowie für Anwohnerinnen und Anwohner ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Yves Zenger, Mediensprecher bei Greenpeace Schweiz, sagt: «Insbesondere die orale Aufnahme und das Einatmen der Pestizide dürften bei der Entstehung von Parkinson eine Rolle spielen. Der Kontakt mit den Giften in der Luft ist wie Passivrauchen. Leider kann sich dem niemand entziehen, selbst mit konsequentem Bio-Konsum nicht. Die Pestizide sind einfach da, und wir nehmen sie auf, ohne uns davor schützen zu können.»
Biologisch vs. synthetisch
Die in der biologischen Landwirtschaft eingesetzten natürlichen Pestizide sind in kurzer Zeit biologisch abbaubar und kumulieren nicht – mit der Ausnahme von Kupfer, das allerdings auch im konventionellen Landbau eingesetzt wird. Synthetisch-chemische Pestizide dagegen basieren auf Molekülen, die von Chemiker*innen entwickelt wurden und nicht oder nur sehr langsam biologisch abbaubar sind. Dazu gehören Organochlor- und Organophosphatpestizide sowie die Neonikotinoide (Bienengift!).
Auch Krebs
Selbst bei niedrigen Konzentrationen haben chemisch-synthetische Pestizide negative gesundheitliche Auswirkungen. Auf Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, aber auch auf Menschen, die in Landwirtschaftszonen leben. Sie stehen nicht «nur» mit Parkinson in Verbindung, sondern vermutlich auch mit verschiedenen Krebsarten: unter anderem Non-Hodgkin-Lymphomen, Prostatakrebs und Brustkrebs.
Gesamtschadstoffmengen werden nicht berücksichtigt
Die Zulassungsstellen, die den Einsatz dieser Pestizide bewilligt haben, haben die langfristigen Auswirkungen bei sehr niedrigen Konzentrationen nicht berücksichtigt. Sie sind oft gezwungen, ihre Entscheide zu revidieren und Pestizide vom Markt zu nehmen, die sie zunächst bewilligt hatten. Manchmal geschieht dies erst nach vielen Jahren. Einige dieser synthetischen Pestizide werden jedoch nicht abgebaut und verschmutzen Wasser, Nahrungsmittel und die Luft auch Jahrzehnte nach ihrem Verbot. Zudem: Wirklich relevant sind nicht die einzelnen Grenzwerte, sondern die Gesamtschadstoffmengen, die Pestizidcocktails, denen wir tagtäglich über Luft, Wasser und Lebensmittel ausgesetzt sind.
«One Health»
Nicht erst seit Covid ist klar: Die Gesundheit von Ökosystemen, Menschen und Tieren hängt eng zusammen. Schädigen wir die Umwelt, schädigen wir auch uns selbst. Unser Umgang mit der Natur fällt früher oder später auf uns zurück — im Guten wie im Schlechten. Chemisch-synthetische Pestizide und Antibiotika vergiften Böden, Luft und Gewässer – auf Jahrzehnte. Am 13. Juni haben wir die einmalige Chance für einen agrarpolitischen Wandel, der den Begriff «Gesundheit» ganzheitlich denkt. Sowohl die Initiative für sauberes Trinkwasser als auch die Initiative für eine Schweiz ohne Pestizide verlangen einen gesunden Umgang mit der Natur, insbesondere in der Landwirtschaft. Wir stimmen daher 2xJa.
«Schütze Wasser, Boden und Gesundheit»: 2xja.ch/