Das Sammeln und Recyceln von Plastik fördert die Plastikproduktion und zementiert schädliches Konsumverhalten. – Ein Positionspapier von Greenpeace Schweiz zur Plastik-Separatsammlung und dessen Recycling in der Schweiz (März 2021, aktualisiert Mai 2023)
Konsument:innen tragen Säcke voll PET- und Milch-Flaschen zu den Detailhändlern und füllen dort die Sammelcontainer. Plastikrecycling ist ein Bedürfnis und zurzeit ein viel diskutiertes Thema. Angebote mit separaten Sammelsäcken häufen sich, Gemeinden führen Pilotversuche durch, und zuletzt hat der Nationalrat im Rahmen der Revision des Umweltschutzgesetzes der Liberalisierung der Plastiksammlung zugestimmt. Dieser Trend scheint gut für die Umwelt, ist es aber nicht wirklich.
Wir stehen einem Ausbau des Plastikrecyclings skeptisch gegenüber, denn dessen ökologische Nutzen ist gering. Durch vermehrtes Recycling werden aber umweltschädliche Konsumverhalten und Denkweisen hingegen legitimiert und zementiert. Die Diskussion ist symptomatisch für eine in der Schweiz breit etablierte Denkweise zum Umgang mit Ressourcen: Die undifferenzierte Vorstellung, Recycling würde einen wesentlichen Beitrag zur Schonung der Ressourcen beitragen, ist in der Schweiz tief verankert. Recycling von Plastikabfall aus Haushalten ist für Greenpeace eine unzulängliche Lösung (siehe hierzu False-Solutions-Report von 2019 oder den Bericht Circular Claims Fall Flat Again von 2022). Und alle Massnahmen zur Optimierung des bestehenden Abfallsystems sind ohne systemische Umstellung auf Mehrweg lediglich Greenwashing. Es braucht ein fundamentales Umdenken.
Wenn eine Person in der Schweiz ein Jahr lang 70 Prozent ihres Plastikabfalls separat sammelt, entsteht ein ökologischer Nutzen, der dem Verzicht auf ein Rindsentrecôte entspricht.
Im Gegensatz zur heutigen, ungenügenden Praxis im Umgang mit Plastikabfall, weist eine separate Plastiksammlung zwar einen ökologischen Nutzen aus. Dieser ist aber sehr gering. Wenn eine Person in der Schweiz ein Jahr lang 70 Prozent ihres Plastikabfalls in eine Separatsammlung bringen würde, entsteht ein ökologischer Nutzen, der dem Verzicht auf ein Rindsentrecôte entspricht. Dies zeigt eine unabhängige Referenzstudie. (KurVE-Studie 2017)
Plastik ist kein zukunftsfähiges Material
Plastik und seine Produktion stellen eine erhebliche Bedrohung für unser Klima dar, denn 99 Prozent des Plastiks wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Die Ölindustrie investiert derzeit Milliarden, um die Produktion massiv auszuweiten. Angesichts der sinkenden Nachfrage nach Erdöl setzt die fossile Energieindustrie alles auf Plastik. Plastik ist ein Erdölprodukt und daher nicht mit unseren Klimazielen vereinbar. Die Treibhausgasemissionen von Einwegplastik, die zum grössten Teil aus der Produktion stammen, entsprachen 2021 den gesamten Emissionen Grossbritanniens (Quelle).
Derzeit wird in der Schweiz etwa 90 Prozent des Plastiks über die Hauskehrichtsammlung in KVAs verbrannt. Ein separates Sammelsystem würde nichts daran ändern, da nur ein geringer Anteil an Plastik rezklierbar ist (sortenreines sauberes PET, teils PE und PP). Nicht ohne Grund wurden weltweit nur 9 Prozent des seit 1950 produzierten Plastiks recycelt. Mischplastik, Multilayer-Verpackungen mit verschiedenen Plastikarten oder auch Alu/Karton-Verpackungen mit Plastikbeschichtungen müssen auch im neuen System aussortiert werden. Ohne eine fundamentale Veränderung des verwendeten Plastiks werden weiterhin über 50 Prozent des Plastikabfalls in KVAs oder Zementwerken verbrannt werden. Daher kann das Plastik-Recycling als Etikettenschwindel der Abfallindustrie bezeichnet werden. Produkte, die aus rezykliertem Material (Rezyklat) hergestellt werden, sind meist minderwertig und schaffen zudem häufig neue Probleme, weil sie mit der Zeit verspröden und so zur Mikroplastik-Verschmutzung beitragen. Bei den wenigen Plastikarten, die rezykliert werden können, wächst die Besorgnis über gesundheitliche Gefahren, die von giftigen Chemikalien in rezykliertem Plastik ausgehen.
Auch mit separater Sammlung werden über 50 Prozent des Plastikabfalls in KVAs oder Zementwerken verbrannt werden.
Die Einführung eines flächendeckenden Plastik-Sammelsystems schafft mit dem Ausbau von Infrastruktur und Prozessen schnell grosse Abhängigkeiten, die wirksameren Kunstoffreduktionsmassnahmen und der Umstellung auf Mehrwegsysteme im Weg stehen werden (Locked-in-Syndrom). Die aufgebaute und finanzierte Infrastruktur muss ausgelastet bleiben. Eine Abnahme der Kunstoff-Abfallmenge würde für die Branche sofort Probleme schaffen. Solche Absurditäten gibt es bereits heute in anderen Bereichen der Branche, wie z.B. bei der Konkurrenz um Abfall wegen der tiefen Auslastung der KVA.
Plastikverbrauch würde steigen
Zweifelsohne sind Plastiksammlungen bei den Konsumentinnen und Konsumenten sehr beliebt. Diese sind des Plastiks in ihrem Leben überdrüssig. Gaukelt man ihnen vor, mit einer separaten Plastiksammlung wesentlich zum Umweltschutz beizutragen, sinken Problembewusstsein und Handlungsdruck. Das ist bereits bei anderen Materialien wie Einwegglas zu beobachten (Mehrweg-Glas schneidet in Studien am besten ab, Einwegglas-Recycling jedoch am schlechtesten).
Gemäss Medienberichten treibt der Detailhandel seit einigen Jahren Projekte zum Recycling von Plastik voran. Im Rahmen der Überarbeitung des Umweltschutzgesetzes drängen die Detailhändler stark auf die Öffnung des Monopols für die Abfallentsorgung. Dies erstaunt wenig. Die Branche braucht Antworten auf die Plastikflut, welche die Kundschaft immer mehr nervt. Nun versucht man zu argumentieren, Verpackungen seien kein Problem denn sie würden schliesslich rezykliert. Doch dies ist eine Scheinlösung. Ohne innovative Umstellung auf Mehrwegsysteme, ist eine Zunahme des Plastikeinsatzes im Vertrieb von Lebensmitteln und Konsumgütern zu erwarten. Ein damit erhöhter Ressourcenverbrauch ist jedoch nicht kompatibel mit unseren planetaren Grenzen.
Konsumgüterindustrie in der Pflicht
Der aktuelle Plastikverbrauch ist mit einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen also nicht vereinbar. Anstelle von falschen Lösungen, müssen Ansätze verfolgt werden, die zu einer echten Verminderung des Ressourceneinsatzes führen. Vorrang müssen Vermeidung- und Wiederverwendungsstrategien haben, welche die Schliessung von echten Produktkreisläufen ermöglichen (echte Kreislaufwirtschaft). Darauf sollten die Firmen ihre Innovationskraft lenken und nicht in ein neues «Recycling»-System, das kaum zur Schonung der Ressourcen beitragen wird.
Unsere Berechnungen zeigen, dass gleich viel CO2 eingespart werden könnte (24 kg pro Person und Jahr bei einer «flächendeckenden» Plastiksammlung gemäss Projekt der Recycling-Branche), wenn rund ein Fünftel der Verpackungen entweder komplett abgeschafft würden (z.B. Gemüse, Früchte) oder auf Mehrweg-Behälter mit Refill-Systemen umgestellt würden (z.B. Reinigungsmittel, Shampoo, Getreide, Trockenfrüchten, Teigwaren, Tierfutter, Take-Away, Milchprodukte etc.). Entsprechende Pilotversuche bestätigen die Beliebtheit von solchen Systemen bei der Kundschaft. Solche Systeme müssen jetzt partnerschaftlich von Konsumgüterherstellern, Detailhandel und Gesetzgeber:innen vorangetrieben werden:
- Bereitstellung einer umfassenden Mehrweg-Infrastruktur und branchenübergreifende Standardisierung der Mehrweg-Systeme. Dies beinhaltet auch eine flächendeckende und funktionierende Hintergrund-Logistik, inkl. Transport, Transportverpackungen, Vertriebs- und Reinigungssysteme etc. Diese müssen primär von den Herstellerfirmen bereitgestellt oder zumindest finanziert werden gemäss dem EPR-Prinzip (Erweiterte Hersteller-Verantwortung, engl. extended producer responsibility).
- Entwicklung und Verwendung von standardisierten Mehrweg-Behältern/Behältertypen und entsprechende Anpassung der Verkaufslogistk. Die Behälter sollen dauerhaft wiederverwendbar und aus hochwertigem und langlebigem Material bestehen, damit sie am Ende des Lebenszyklus sortenrein rezykliert werden können (Ökodesign für echtes Recycling, z.B. Flasche-zu-Flasche Recycling ohne Downcycling).
- Einfache Rückgabe- und Wiederauffüllmöglichkeiten bei jeder Verkaufsstelle oder Zuhause, um das System für Kund:innen praktisch zu machen (Vier Grundmodelle: 1. Refill at Home, 2. Refill on the Go, 3. Return from Home, 4. Return on the Go).
Dazu müssen auch das Versorgungssystem und die gängigen Konsummuster (z. B. Regionalisierung der Versorgung, Verkleinerung des Sortiments, Aufgabe von verpackungsintensiven Produkten) überdacht werden. Das ökologische Potenzial von innovativen Mehrweg-Lösungen von Konsumgüterverpackungen ist letztlich deutlich höher, als das Potenzial von Recycling-Systemen.
Es braucht nun eine Mehrweg-Infrastruktur und branchenübergreifende Standardisierung der Mehrweg-Systeme.
Die Pläne, die derzeit in der Öffentlichkeit portiert werden, sehen einen vorgezogenen Entsorgungsbeitrag auf Plastikverpackungen vor, um das Sammel-, Trenn- und Aufbereitungssystem zu finanzieren. Ein ähnliches System gibt es schon für die Separatsammlung von PET-Getränkeflaschen. Wir befürworten eine Abgabe auf Plastikverpackungen. Die muss allerdings so ausgestaltet werden, dass sie eine Lenkungswirkung erzielt und einen Anreiz schafft, Verpackungen zu vermeiden. Zudem sollten die Einnahmen in die Entwicklung von innovativen alternativen Liefersystemen fliessen, welche auf eine möglichst grosse Vermeidung von Verpackungen zielen.
Fordere die Schweizer Regierung und die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, ein rechtsverbindliches globales Plastikabkommen abzuschliessen.