Im August 2019 tagt der Weltklimarat (IPCC) in Genf, um seinen Bericht zur Landnutzung fertigzustellen. Das Fazit ist brutal: Unser Ernährungssystem, also die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, ist für bis zu 37 Prozent der Treibhausgasemissionen der Menschheit verantwortlich. Der IPCC ist mit dieser Feststellung nicht alleine. Auch die zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystemleistungen (IPBES) hat 2019 hat in einem Bericht nachgewiesen, dass die Artenvielfalt aktuell so schnell schwindet wie es die Erde seit Jahrmillionen nicht mehr erlebt hat. Auch hier wird die Produktion von Lebensmitteln als Problem bezeichnet. Dass immer mehr Böden für die industrielle Landwirtschaft genutzt werden, ist der wichtigste Faktor beim Artenschwund, noch vor der globalen Erwärmung.
Immer mehr Landwirt*innen sind sich dessen bewusst. Mit der Abnahme der Biodiversität geht auch die Zahl der Bestäuberinsekten zurück. Das Verschwinden dieser Insekten schädigt die Produktivität von Nahrungspflanzen, insbesondere Obst und Gemüse, sowie von gewissen Futterpflanzen, die zur Fleisch- und Milchproduktion benötigt werden. Durch die globale Erwärmung verändern sich Wetter und Niederschläge. Extreme Wetterereignisse werden häufiger. Trockenphasen wie im Sommer 2018 und 2019 sowie im Frühjahr 2020 haben die Landwirt*innen hart getroffen. Angesichts des Wassermangels brauchten einige Landwirt*innen im Jura und im Kanton Freiburg sogar Unterstützung von der Armee, um ihre Kühe zu tränken. Die Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Trockenphasen, Starkregen, Frost, Hagel oder Überschwemmungen erschwert die landwirtschaftliche Arbeit massiv.
Ob wir es wollen oder nicht, der Niedergang von Biodiversität und Klima wird auch die Landwirtschaft grundlegend verändern. Gleichzeitig ist eine Anpassung der Landwirtschaft eines der effektivsten Mittel, um Artenverlust und Klimawandel zu bremsen. So würde ein Verzicht auf Pestizide die Bestäuberinsekten schonen und zugleich unser Trinkwasser und unsere Gesundheit schützen. Ebenso spielt der Schutz von Wäldern und natürlichen Ökosystemen eine Schlüsselrolle, damit die Erde CO2 speichern kann. Nun ist die industrielle Nutztierhaltung die Hauptursache für die weltweite Abholzung der Wälder. Daher muss die Landwirtschaft ökologischer werden. Diesen Wandel endlich einzuleiten, ist eine wichtige Entscheidung für unsere Zukunft.
Lösungen existieren bereits
Als erster Schritt muss der Anteil der Tierproduktion reduziert werden: Es sollen nur noch so viele Nutztiere gehalten werden, wie mit den hierzulande vorhandenen natürlichen Ressourcen gefüttert werden können. Importiertes Futter und insbesondere Kraftfutter belastet die Umwelt sowohl im Herkunftsland als auch in der Schweiz. Mit einer ökologischen Landwirtschaft sind solche Importe unvereinbar.
Etliche Landwirt*innen haben sich bereits für eine umweltschonende Produktion entschieden und tragfähige Wirtschaftsmodelle für ihre Betriebe gefunden. Mit Tierhaltung ohne Schlachtung, Kreislaufwirtschaft, Direktverkauf oder Permakultur gibt es bereits etliche Ansätze für die Umgestaltung landwirtschaftlicher Betriebe. Was noch fehlt, ist ein echtes Engagement seitens des Bundes, damit alle Landwirt*innen den Übergang zu einer ökologischen Produktion schaffen.
Stillstand ist keine Option
Leider haben sich die landwirtschaftlichen Dachverbände und der Bund für den Stillstand entschieden. Das krasseste Beispiel dafür ist die neue Agrarpolitik (AP22+), die seit 2018 beim Bund am Köcheln ist. Anno 2020 ging der Schweizerische Bauernverband (SBV) mit dem Wirtschaftsverband Economiesuisse einen schmutzigen Deal ein: Economiesuisse stellt sich gegen die AP22+, dafür lehnt der SBV die Konzernverantwortungsinitiative ab. Durch diese unwürdige Päcklipolitik ist die Arbeit an einer neuen Agrarpolitik vollkommen blockiert. Sogar Bundesrat Guy Parmelin, wahrlich kein fanatischer Umweltschützer, konnte seinen Ärger nicht verhehlen.
Das Problem ist, dass man nicht vom industriellen Hochleistungsmodell abrücken will. Diese Haltung vertreten hauptsächlich Agrochemiekonzerne und Detailhandelsunternehmen, die der landwirtschaftlichen Produktion vor- und nachgelagert sind. Obwohl es völlig unrealistisch ist zu meinen, dass das aktuelle Ernährungssystem in den kommenden Jahren unverändert weiterbestehen kann.
Mit den Bauern zusammenarbeiten
Der Wandel muss mit den Landwirt*innen und nicht gegen sie erfolgen. Sie dürfen nicht auf der Strecke bleiben, und brauchen folglich die Unterstützung des Bundes. Es braucht insbesondere eine Lenkungsabgabe auf Tierprodukte. Der Erlös muss an Betriebe fliessen, die auf eine ökologische Produktion umstellen. Auch muss verhindert werden, dass hiesige Produzenten durch umweltschädliche Billigimporte konkurrenziert werden. Wenn nötig muss der Import bestimmter Produkte eingeschränkt, besteuert oder verboten werden. Futtermittelimporte sollten unverzüglich unterbunden werden. Eine grosse Aufgabe ist zudem die Sensibilisierung der Bevölkerung bezüglich der ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Nahrungsmittel. Fordere die Behörden zum Handeln auf, indem du unsere Petition unterstützt und teilst!
Es ist an der Zeit, die Interessen der Bevölkerung und der Landwirt*innen in den Vordergrund zu stellen. Es braucht ein neues landwirtschaftspolitisches Modell, mit umweltverträglichen Produktionsmethoden und einem verantwortungsvollen Konsum. In einer Broschüre von 2018 namens «Landwirtschaft mit Zukunft» präsentiert Greenpeace Schweiz das System TOP (Tiergerechte und Ökologische Produktion) und zeigt damit auf, wie die Schweizer Nahrungsmittelproduktion im Jahr 2050 aussehen könnte. Das System TOP stellt vor allem saisonale pflanzliche Produkte aus ökologischer Produktion zur Verfügung, weist deutliche niedrigere Tierbestände auf und verzichtet auf Pestizide und Mineraldünger.
Bei der derzeitigen Pattsituation in der Agrarpolitik ist der erste Schritt hin zu diesem Modell 2xJA zu den beiden Agrarinitiativen am 13. Juni.
Aufruf zur Abstimmung
Der Sonntag, 13. Juni ist ein zentraler Abstimmungstag für die Umwelt und das Klima. Neben den beiden Landwirtschaftsinitiativen wird über eine weitere wichtige Vorlage abgestimmt: Das neue CO2-Gesetz. Greenpeace setzt sich vehement für ein JA zum neuen Gesetz ein. Mit einem JA zu allen drei Vorlagen engagieren wir uns für sauberes Wasser, fruchtbare Böden und unsere Gesundheit sowie einen besseren Klimaschutz.
Greenpeace hat das neue CO2-Gesetz während der Beratung im Parlament immer wieder als ungenügend kritisiert, weil die darin enthaltenen Massnahmen nicht ausreichen, um die Klimaziele der Schweiz zu erreichen. Trotzdem sagt Greenpeace nun überzeugt Ja. Eine Ablehnung dieses Gesetzes würde die Schweiz in Sachen Klimaschutz um Jahrzehnte zurückwerfen. Angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Klimakrise wäre der von der Auto- und Erdöllobby geforderte Rückschritt dramatisch. Dieses Gesetz ist ein wesentlicher erster Schritt hin zu einer konsequenten Klimapolitik. Sag deshalb auch du Ja zum neuen CO2-Gesetz.