Wie Unternehmen durch vermeintliche Nachhaltigkeitslabel Konsument*innen mit angeblich ökologischer Waldbewirtschaftung in die Irre führen, zeigt eine neuen Studie von Greenpeace International auf.

Das FSC-Label (Forest Stewardship Council)  kennen viele, vom Schulheft bis zur Gartenbank verspricht es Nachhaltigkeit für holz- und zellstoff-basierte Produkte. RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil),  das meist verbreitete Label für Palmöl,  war jüngst in der Abstimmungsdebatte zum Freihandelsabkommen mit Indonesien in den Schlagzeilen.  Etliche weitere Label haben mittlerweile die Produktpaletten der Super- oder Drogeriemärkte erobert. Sie stehen für Umweltschutz und soziales Engagement bei der Herstellung der Produkte. Ein wachsender Markt, denn Konsument*innen ist der Schutz unserer Ressourcen zunehmend wichtig. 

Der neue Greenpeace Report «Destruction: Certified – Zertifizierte Zerstörung» zeigt nun: Diese Nachhaltigkeit ist nur vorgegaukelt. In Wirklichkeit tragen multinationale, global agierende Gütezeichen wie RSPO und FSC massgeblich zur weltweiten Waldzerstörung und zu Menschenrechtsverletzungen bei. Mit ihren schwachen Standards, unzureichenden Kontrollen, Intransparenz und wirtschaftlichen Eigeninteressen können Zertifikate keinerlei Waldschutz garantieren. 

Zertifizierte Firmen roden Regenwald

So haben sich zum Beispiel Mitglieder des RSPO dazu verpflichtet, keine Rodung von Primärwäldern und ökologisch wertvollen Waldflächen für Ölpalm-Plantagen durchzuführen.

Trotzdem hat etwa das seit 2013 RSPO zertifizierte Unternehmen Bumitami zwischen 2005 und 2018 rund 11’100 Hektare Wald gerodet – davon fast 2300 Hektare ab 2014 – offenbar ohne einer Bewertung, ob dies schützenswerte Gebiete mit einer sehr hohen biologischen Vielfalt sind.

Auch der FSC schreibt, dass er sich dafür einsetzt, dass unsere Wälder auch künftigen Generationen erhalten bleiben. Trotzdem sind FSC-zertifizierte Betriebe in Regenwaldrodungen involviert: Zwischen 2013 und 2017 rodete eine FSC-zertifizierte Firma über 30’000 Hektare Regenwald in Indonesien – eine Fläche so gross wie der Kanton Schaffhausen.

Gleichzeitig wird durch die vorgegaukelte Nachhaltigkeit auch noch die Nachfrage nach wald- und naturgefährdenden Rohstoffen angekurbelt, da ja der Eindruck erweckt wird, dass zertifizierte Produkte «grün», «nachhaltig» und «fair» seien, ganz gleich, wie viel davon produziert und konsumiert wird. Konsument*innen werden so dreist in die Irre geführt und geblendet. Vor lauter Bäumen können sie den Wald nicht mehr sehen.

Wie funktionieren Zertifizierungssysteme?

Zertifizierungssysteme sind zumeist in einer Vereinsstruktur aufgebaut, oft werden diese von Unternehmen selbst oder auch gemeinsam mit NGO gegründet. Die Erstellung des Standards ist den Gründern, dem Vorstand oder der Generalversammlung überlassen und damit komplett willkürlich. Will ein Unternehmen Teile seiner Produkte zertifizieren, muss es meistens bei dem jeweiligen Verein Mitglied werden. Das ist mit einer Mitgliedsgebühr, meist gestaffelt nach Konzernumsatz, verbunden. Um die Rohstoffe zertifizieren zu lassen, muss der jeweilige Betrieb eine Gebühr oder Lizenz zahlen, dies ist beispielsweise beim FSC die Haupteinnahmequelle: die Annual Administration Fee.

Kontrolliert werden die Standards von Kontrollagenturen, das heisst Zertifizierungsfirmen, die mit den Vereinen dazu eine Kooperation abschliessen. Bezahlt werden diese jedoch direkt von dem zu zertifizierenden Betrieb oder Unternehmen. Besonders schockierend ist auch die Inkonsequenz in der Zertifikatsvergabe: Auch Unternehmen, die in Umweltzerstörung involviert sind, können zertifizierte Rohstoffe produzieren und handeln. Zudem werden beispielsweise Unternehmen mit RSPO und FSC zertifiziert, die von Subfirmen beliefert werden, die nachweislich Wälder zerstören.

Was also tun? 

Klima- und Artenschutz dürfen bei der Herstellung von Alltagsprodukten nicht privaten Zertifizierern überlassen werden. Anstatt freiwillige Zertifizierungsmechanismen braucht es jetzt dringend gesetzliche Massnahmen, um den Ausschluss von Produkten aus Waldzerstörung sicherzustellen – auf nationalen und internationalen Ebenen. Dabei müssten Unternehmen zu transparenten Rückverfolgungssystemen und der Einhaltung sozialer Standards für alle Waren verpflichtet werden. «Auch wir Konsument*innen haben Einfluss. Wir entscheiden mit unserer Produktewahl, welche Art der Landwirtschaft und welche Produktion wir fördern wollen», sagt Asti Roesle, Waldexpertin bei Greenpeace Schweiz. «Vor dem Kauf von Waren wie Möbeln oder Büchern ist zu überlegen, ob sie neu sein müssen. Und viele Wegwerfprodukte lassen sich durch Mehrwegprodukte ersetzen. Wir dürfen uns nicht mit falschen Lösungen zufrieden geben.» 


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Was du beim Einkaufen beachten kannst:

Sollte man aufhören, zertifizierte Produkte zu kaufen?

Nein. Einige Label können durchaus als Entscheidungshilfe oder zumindest gewisse soziale Aspekte verbessern. Bei Lebensmitteln ist grundsätzlich empfehlenswert, möglichst auf frische und saisonale Produkte aus der Region zu achten, am besten in Demeter- oder Bio-Qualität.

Wie kann ich möglichst waldfreundlich einkaufen?

In unzähligen Produkten, bei denen man es nicht vermuten würde, kann Waldzerstörung stecken. Für Konsument*innen ist das oft schwierig nachzuvollziehen oder gar nicht zu erkennen. Wie Sie im Alltag Produkte vermeiden können, die mit Waldzerstörung in Verbindung stehen können, erfährst du hier. 

Gibt es Alternativen zum FSC-Siegel?

International gibt es noch keine Alternativen. Von dem weit verbreiteten PEFC-Siegel raten alle grossen Umweltverbände ab: Hier hat sich die Wirtschaft im Wesentlichen selbst ein Gütesiegel verpasst, unabhängige Kontrollen zum Waldschutz gibt es nicht. Solche Industriezertifikate garantieren keine nachhaltige Waldwirtschaft. In der Schweiz fährt man grundsätzlich am besten mit regionalem Holz. Da kann man auch einen Augenschein nehmen, wie der Wald bewirtschaftet und wie geholzt wird.