Das Kabarettisten-Duo Patti Basler & Philippe Kuhn sowie die Genfer Sängerin Licia Chery sehen die Pandemie mit uns zusammen als Chance zur Reflexion und zur gesellschaftlichen Neugestaltung. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Krise und wie die Menschen den Lockdown erlebt haben.
Liebe Töchter und Söhne: Es wird euch an nichts mangeln!
Ich werde langsam alt und etwas müde. Meine Biografie ist tief in die Lebenslinien meiner Hände geschrieben. An meinen Oberarmen habe ich mir Flügel aus schlaffer Haut wachsen lassen, eine Art Wingsuit, um die Distanz zu überbrücken, wenn ich vor lauter Brunnen die leise Talsohle nicht mehr hören kann. Dauernd passiert irgendetwas, ein Kommen und Gehen, ihr wechselt euren Standort und eure Adresse, die Wechseljahre sind gekommen.
Und ich, eure Mutter Helvetia, bin mitten drin.
Hitzewallungen, Klimawechsel, Klimakterium. Regelmässiges Blutvergiessen gibt es in unserem neutralen Land schon lange nicht mehr, auch meine Feuchtgebiete sind trockengelegt, dafür brodelt es an überhängenden Stellen, wo früher nicht einmal sanfte Hanglagen waren. Ich versuche mich jung und produktiv zu halten, indem ich mal da etwas aufspritze oder dort etwas Chemie einwerfe. Bis zum bitteren Ende, bis Pharma-Geddon.
Mitten durch meine Eingeweide führt die Alpentransversale und in meinem Mund, in meiner Gosche, meiner Göschenen musste schon lange eine Brücke gebaut werden, da ihr mir mit eurem pubertären Gehabe manchmal den letzten Nerv ausgerissen habt.
Doch jetzt ist es Zeit, an die Wurzel zurückzukehren, back to the roots, zurück zur Scholle. Denn ihr habt es bunt getrieben in letzter Zeit. Ihr seid flügge geworden und habt die Welt bereist oder sie in euer Wohnzimmer bestellt. Ihr habt den Teufel für eure Konsumsucht eine Luftbrücke bauen lassen. Und ihr habt vergessen, dass er dafür eure Seele verlangt hat. Dass er euch die Luft zum Atmen nimmt. Doch ihr wolltet immer mehr. Immer höher, schneller weiter, immer mehr! Mehr Konsum, mehr Hitze, mehr Sonne, mehr Meer.
Und als ihr noch eine Krankheit angeschleppt habt, konnte ich nicht mehr anders, ich musste tun, was Mütter tun in solchen Situationen: Ich gab euch Hausarrest.
Ihr durftet nicht mehr steil gehen wie eine exponentielle Ansteckungskurve. Pubertät hin oder her: Ihr musstet die Grenzen respektieren. Aber ich war hier für euch. Wie jede Mutter versuchte ich euch all das zu bieten, was ihr sonst anderswo sucht. Als Mensch geht’s einem in der Schweiz doch wie einem Hobbit im Auenland: «Mer isch Froh do». Man ist froh, da zu sein. Hier, wo Milch und Honig fliessen. Milk and Honey oder doch eher Milk and Money, denn die Bienen scheinen auch keine Lust mehr zu haben.
In der dunkelsten Stunde, isoliert in euren Wohnungen wie ich in Europa, da schien es an nichts zu mangeln. Shopping konnte man überbrücken mit Online-Einkäufen, Pendeln wurde überbrückt mit Homeoffice, Fitness habt ihr in meinen Wäldern betrieben. Natürlich war ich froh, dass ihr endlich gelernt habt, die Hände gründlich zu waschen. Nicht nur in schweizerisch-neutraler Unschuld, sondern mit Seife. Eine Armlänge Abstand halten und Klopapier benutzen: Das wussten meine Töchter schon lange. Nun haben es auch die Söhne gelernt.
Nur etwas, habt ihr mir erzählt, nur etwas habe gefehlt.
Was zähle in Wallisellen, was die Schweiz will in Witzwil, das seien Umarmungen. Was gefalle in St. Gallen, seien Kollegen. Was einem von Finsternis trenne in Finsterhennen, seien die Freundinnen. Was man zurück will in Roggwil, seien die Berührungen, was fehle in Falera, sei ein Handschlag. Es gehe nicht um schwere Dinge in Ehrendingen, nicht um die Büez in Spiez, nicht ums Büro in Büron: Es seien die Freunde, die gefehlt hätten. Die Kolleginnen, die man vermisste, Familienmitglieder.
Eine ausgestreckte Hand, ein Arm, der sich über die wilden Wasser legt wie die Teufelsbrücke über die Schöllenenschlucht. Gerade auch, wenn man keinen Bock hat.
Was man am meisten vermisse, sei weder die Hitze des Verbrennungsmotors, noch die Schwüle der Ferienreise. Nur die Wärme eines lieben Menschen.
Und das, liebe Kinder, könnt ihr doch mitnehmen. Denn pädagogisch fragwürdige Massnahmen wie Hausarrest sollten zumindest einen Lerneffekt haben: Es wird euch an nichts mangeln, wenn ihr aus dem Mehr ein Weniger macht. Solange euer Bedürfnis nach Wärme von einer liebenden Person gestillt wird, dies sich wie eine Brücke über die Schöllenen legt. Oder euch zumindest mit schlaffen Oberarmen Flügel verleiht.
Es grüsst
Das Geburtstagskind, eure Mutter
Liebi Söhn und Töchtere: Es wird euch a nüt mangle!
Ich wird langsam alt und ächli müed. Mini Biografie isch tief id Lebenslinie vo mine Händ gschribe. A mine Oberärm hani mir Flügel us schlaffer Hut lo wachse, en Art Wingsuit, zum d’Distanz z’überbrücke, wenni vor LUTER- Brunne di liislig Talsohle nümm ghör.
Dauernd passiert öppis, es Cho und Goh, ihr wechselt euche Standort und euchi Adresse,
d’Wechseljohr sind cho.
Und ich, euchi Muetter Helvetia, bi zmittst drin.
Hitzewallige, Klimawechsel, Klimakterium: Regelmässigs Bluetvergiesse gitt’s in eusem neutrale Land scho lang nümm, au mini Füechtgebiet sind trochengleit, defür brodelt und saftets überhängende Stelle, wo früehner ned emol sanfti Hanglage gsi sind.
Ich probier mi jung und produktiv z’ bhalte, moll do öppis ufsprütze oder döt ächli Chemie,.bitteri Pille bis zum bitteren Endi, bis Pharma-Geddon.
Zmitts dur mini Igweid füehrt d Alpentransversale und in mim Mul, i minere Gosche, minere Göschenen hetts scho lang e Brugg, will ihr mir mit euchem pubertäre Gehabe de letscht Nerv usriissed.
Doch jetzt isches Zit, ad Wurzle zruggzchehre, back to the roots, zrugg zude Schöllene. Ihr händ tumm to ide Letschti. Ihr sind flügge worde und händ die Welt bereist oder i euchi Stube bschtellt.
Ihr händ de Tüüfel für euchi Konsumsucht en Luftbrug lo boue. Und ihr händ vergässe, dass är dafür euchi Seele verlangt hett. Dass er euch d’ Luft zum Schnuufe nimmt. Doch ihr händ immer meh wölle. Immer höcher, schnäller, witter. Immer meh! Meh Konsum, meh Hitz, meh Sunne, meh Meer!.
Und woner no e Chranket ufgläse und heibroocht händ, hani eifach nümm andersch chönne, ich ha müess mache, was Müetterer mache in settige Situatione: Ich ha euch Hausarrest geh. Mer sind all zäme deheim bliibe.
Wer bliibt dehei?
Dini Muetter!
Ihr händ nümm döfe steil goh winen exponentielli Asteckigskurve. Pubertät hin oder här: Ihr händ müesse d’Gränze respektiere. Aber ich, ich bi do gsi für euch. Wie jedi Mutter hani probiert, euch all das z’biete, was ihr suscht nöime anderscht gsuecht hättet.
Als Mensch goht’s eim in de Schwiz doch wimene Hobbit im Auenland: «Mer isch Froh do». Do, wo Milch und Honig fliesse. Milk and Honey oder doch ehnder Milk and Money, d Biinli händ schiints au au ke Luscht me.
In de dunkelschte Stunde, isoliert in euchne Wohnige wien’ ich in Europa, hetts euch a nüt gfehlt. Shopping händer chönne überbrücke mit Online-Ichöif, Pendle mit Homeoffice, Fitness händer i mine Wälder betribe.
Natürlich bini froh gsi, händer ändli glehrt, d’Händ gründlich z’wäsche. Nid nur i schwizerisch-neutraler Unschuld, sondern mit Seifi. En Armlängi Abstand halte und WC-Paoier bruuche: Da händ mini Töchter scho lang chönne. Jetzt händ’s au d’ Söhn glehrt.
Nur öppis, händer mir verzellt, öppis heig gfehlt.
Was zell in Zell, was d’ Schwiz will in Witzwil, was mer wölli in Vully, das sige Umarmige.
Was gefalli in St. Galle, sige Kolleginne. Was me zrogg will will in Roggwil sige Berüehrige, was fehli in Fully, sig e Handschlag.
Es gieng nicht um schweri Ding in Ehrendinge, nid um d’Büez in Spiez, ned ums Büro in Büron: Es sige d’ Fründe, wo gefehlt hebe. D’ Freundinne, wo eim vo de Finsternis tränne ind Finschterhänne, d’Familie in Falera.
En usgstreckti Hand, en Arm, wo sich über die wilde Wasser leit, wi d’Tüüfelsbrugg über d’Schöllenenschlucht. Ebe grad au denn, weme ke Bock hett. Ke Sündebock, wome cha zum Tüüfel jage.
Was me am meischte vermissi, sig weder d’Hitz vom Verbrennigsmotor, noch d’ Schwüli vo de Feriereis. Nur d’Wärmi vomen liebe Mänsch.
Und das, liebi Chind, chöned ihr doch mitneh. Pädagogisch fragwürdigi Massnahme wie Hausarrest sötte wenigschtens e Lerneffekt ha:
Es wird euch an nüt mangle, wenn ihr usem Meh es Weniger machet. Solange euches Bedürfnis nach Wärmi vomene liebende Mänsch gschtillt wird, wo sich wine Brugg über d’Schöllenen leit. Oder euch wenigschtens mit schlaffen Oberärm Flügel verleiht.
Es grüsst
Dini Muetter