Die Bewältigung der Klimakrise und der Schutz unserer Ozeane gehen Hand in Hand.
– Von Jennifer Morgan, Geschäftsführerin von Greenpeace International.
Die Klimakrise ist heute weltweit eine gelebte Realität. Die Wetterextreme haben das Jahr 2019 dominiert, als ob der Planet die Dringlichkeit des bevorstehenden Klimagipfels im September unterstreichen wollte. Diesmal hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Länder-Regierungen aufgefordert, nicht mit sorgfältig getexteten Reden, sondern mit echten Aktionsplänen aufzufahren.
Da Schülerbewegungen noch immer jede Woche überall auf der Welt streiken, sah die ganze Welt gebannt zu, wie Greta Thunberg nach New York segelte, um die Forderungen der Schüler nach sofortigem Klimaschutz einzufordern, die Forderung nach einer Zukunft.
Wir brauchen eine drastische Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe und eine Beschleunigung unseres globalen Übergangs zu klimaneutralen Gesellschaften. Aber zur Bekämpfung des Klimawandels brauchen wir auch gesunde Ozeane.
Die Ozeane nehmen naturgemäss grosse Mengen an Kohlendioxid auf und sind ein wichtiger Schutz vor den sich verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels. Bei seinem jüngsten Besuch im Pazifik argumentierte der UN-Chef, dass wir «intelligente und weitreichende Schritte brauchen, um die miteinander verknüpften Herausforderungen des Klimawandels und der Gesundheit der Meere anzugehen». Diese Aussage ist absolut richtig, und ein wichtiger Schritt, der notwendig ist, ist ein mutiges neues Meeresschutzabkommen, welches in diesem Monat bei der UNO verhandelt wird.
Der Umfang dieses neuen globalen Abkommens könnte enorm sein: nämlich fast die Hälfte des Planeten. Die Hochsee, diejenigen Ozeane jenseits der Ländergrenzen der Anrainerstaaten, bedecken mehr Raum auf unserem Planeten als alle Kontinente zusammen. Leider werden diese internationalen Gewässer heute rücksichtslos ausgebeutet. Neben dem Klimawandel führen auch Überfischung, Tiefseebohrungen, Ölbohrungen und Kunststoffverunreinigungen dazu, dass unsere Ozeane an den Rand des Zusammenbruchs geraten. Nur etwa 1% der globalen Meere sind angemessen geschützt. Es gibt kein wirksames Rechtsinstrument, das die Schaffung von Meeresschutzgebieten – Gebiete, die für schädliche menschliche Aktivitäten nicht geeignet sind – in internationalen Gewässern erlaubt.
Wissenschaftler sind sich darüber im Klaren, dass wir bis 2030 mindestens 30% unserer Ozeane weltweit schützen müssen, wenn wir die Tierwelt schützen und dazu beitragen wollen, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Aber das wird nur gelingen, wenn ein ehrgeiziger Ozeanvertrag schnell verabschiedet wird und somit die Tür zur Schaffung effektiver Meeresschutzgebiete in internationalen Gewässern aufgestossen wird. Alle Regierungen, die im September am UN-Klimagipfel teilnehmen, sollten sich verpflichten, bis 2020 einen starken globalen Ozeanvertrag anzunehmen.
Bei den laufenden Verhandlungen bei den Vereinten Nationen müssen die Regierungen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass auf der für die erste Hälfte des nächsten Jahres geplanten Abschlussverhandlungsrunde ein Vertrag verabschiedet werden kann. Viele Länder haben sich bereits für eine starkes Abkommen ausgesprochen. Länder aus Afrika, dem Pazifik, Lateinamerika und Europa sind sich beispielsweise einig, dass der «Global Ocean Treaty», das internationale Abkommen zum Schutz der Hochsee, die Schaffung von Schutzgebieten auf internationaler Ebene ausdrücklich zulassen sollte. Einige Regierungen – wie die USA, Norwegen, Australien, Japan, Kanada, Neuseeland und Ecuador – scheinen jedoch einen verwässerten Vertrag zu befürworten, der nicht in der Lage wäre, das von der Wissenschaft geforderte Netzwerk von Meeresschutzgebieten zu schaffen. Während der laufenden dritten Verhandlungsrunde müssen sich diese Länder der Herausforderung stellen, wenn sie sich ebenfalls zu den führenden Nationen in Punkto Meeresschutz zählen möchten. Im Blickpunkt steht auch China, Gastgeber des Biodiversitätsgipfels 2020 – CBD COP15 -, der die Ziele für die Biodiversität nach 2020 festlegen wird. Und die Augen werden auf Russland, Island und Korea gerichtet sein, die die Verhandlungen bisher zurückgehalten haben.
Es gibt kein grösseres Symbol für die Dringlichkeit des Klimaschutzes und seine Vernetzung mit unserer Natur, als das Schiff mit Greta Thunberg, das in New York ankommt, ein winziger Fleck auf einem riesigen Meer. Unsere Ozeane halten alles Leben auf der Erde am Leben und sind ein wichtiger Verbündeter gegen den Klimakollaps. Die Bewältigung der Klimakrise und der Schutz unserer Ozeane gehen Hand in Hand.
Uno-Verhandlungen zum Schutz der Hochseegewässer
Die UNO berät in New York bis Frühjahr 2020 einen rechtsverbindlichen Vertrag zum Schutz der Hochseegewässer. Die Hohe See beginnt 200 Meilen vor den Küsten und bedeckt fast die Hälfte der Erdoberfläche.
Bisher ist sie ein weitestgehend rechtsfreier Raum, der Selbstbedienung sind keine Grenzen gesetzt: Flotten von Fischtrawlern durchpflügen die Meere – bis zu 300‘000 Wale und Delfine verenden so jährlich als Beifang. Viele kommerziell genutzte Arten stehen am Rande der Ausrottung, Lizenzen für Rohstoffabbau bedrohen noch unerforschte Meeresregionen.
Greenpeace befindet sich derzeit mit dem Schiff Esperanza zusammen mit Wissenschaftlern auf einer einjährigen Meeres-Expedition, um zu zeigen welche Geheimnisse die Hohe See birgt und welchen Gefahren sie ausgesetzt ist. Bisher ist nur rund ein Prozent der Hohen See geschützt.
Greenpeace und britische MeeresforscherInnen haben einen Vorschlag erarbeitet, um mindestens ein Drittel der Hohen See vor menschlichen Eingriffen zu bewahren. Das Greenpeace-System verknüpft Lebensräume mit hoher biologischer Vielfalt und Routen für wandernde Arten: Viele Meerestiere wie Wale, Schildkröten oder Albatrosse legen zwischen Kinderstube und Nahrungsgründen grosse Entfernungen zurück.