Heute vor fünf Jahren ereignete sich der verheerende Atomunfall in Fukushima. Ein Greenpeace-Report zeigt: Dort und in Tschernobyl ist die Katastrophe längst nicht ausgestanden.
Die Zeit heilt nicht alle Wunden. So bestimmt die atomare Katastrophe in Tschernobyl noch 30 Jahre später den Alltag der Betroffenen. Ein neuer Greenpeace-Report zeigt die Narben, die der Reaktorunfall in der Ukraine hinterlassen hat: Die Überlebenden des Super-GAU essen Jahrzehnte nach der Katastrophe verstrahlte Nahrung und verfeuern radioaktives Holz. Zu den körperlichen Folgen der Verstrahlung treten zudem soziale und psychische Probleme.
Den Folgen von Tschernobyl sind die Probleme in Japan gegenübergestellt. Die Bevölkerung in Fukushima steht fünf Jahre nach dem Unfall allerdings noch am Anfang der Bewältigung. Die bisherigen Anstrengungen zur Dekontaminierung sind weitgehend fruchtlos. Weite Teile der Präfektur Fukushima werden über Jahrhunderte radioaktiv bleiben – entgegen der Beteuerungen der japanischen Regierung, die bereits mit der Rücksiedlung der Bevölkerung in stark verstrahlte Gebiete beginnen will. Sich dagegen zu wehren, ist für viele der Betroffenen keine Option: Wenn die Regierung die Entschädigungszahlungen einstellt, haben sie finanziell oft keine andere Wahl.
KEIN GELD FÜR WIRKSAMEN SCHUTZ
«Die Atomindustrie und Regierungen in der ganzen Welt halten den Mythos aufrecht, dass es nach einem nuklearen Unfall eine Rückkehr zur Normalität geben kann», sagt Junichi Sato, Geschäftsführer von Greenpeace Japan. «Die Fakten entlarven das als politische Phrasendrescherei, die wissenschaftliche Realität sieht ganz anders aus.» Tatsächlich verschlimmert sich die Lage für die Bewohner sogar noch: In der Ukraine fehlt das Geld, um die Bevölkerung in den kontaminierten Gebieten weiterhin wirksam vor der verbliebenen Radioaktivität zu schützen. Das heisst, wenn dem Land künftig Mittel für Umwelt- und Verbraucherschutzmassnahmen fehlen, steigt auch wieder die Strahlenbelastung, mit der die Menschen tagtäglich zu tun haben.
In beiden Unfallgebieten hat Greenpeace weitreichende Gesundheitsauswirkungen dokumentiert: In den kontaminierten Bereichen um Tschernobyl stieg die Sterberate, die Geburtenrate sank. Krebserkrankungen sind häufiger, genauso wie psychische Auswirkungen. In Fukushima leiden immer mehr Kinder unter Schilddrüsenkrebs – eine überzufällige Häufung. Depressionssymptome mehren sich.
KATASTROPHEN VON HISTORISCHEM AUSMASS
Der Unfall in Tschernobyl war 1986 buchstäblich beispiellos: Erst danach hat die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO eine internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse entwickelt. Zweimal in einem Vierteljahrhundert gab es Katastrophen am oberen Ende der «INES» genannten Gefahrenbewertungsskala: Als einzige Atomunfälle der Geschichte werden die Ereignisse in der Ukraine und Japan mit Stufe 7 bewertet, darüber hinaus gibt es keine Steigerung.
Entgegen den Beteuerungen der Atomindustrie sind AKW keine sichere Form der Energiegewinnung. 2012 widerlegte Greenpeace in der Studie „Lehren aus Fukushima“ die Aussage von Atomkraftbefürwortern, wonach eine schwere Kernschmelze nur einmal in 250 Jahren zu befürchten sei. Statistisch gesehen kommt es sogar alle zehn Jahre zu einem schweren Atomunfall.
Nachrichten wie die jüngste Unfallmeldung aus dem französischen Meiler Fessenheim sorgen darum für grosse Beunruhigung. Der GAU in Japan fand immerhin in einem technisch hochentwickelten Land statt – warum sollte Beznau, das älteste AKW der Welt, sicherer sein? An einem Ausstieg aus der Atomkraft führt deshalb kein Weg vorbei. Für alles andere ist der Preis schlicht zu hoch: In Fukushima wurde die Heimat von rund 100.000 Menschen für Generationen radioaktiv verstrahlt. Dreissig Jahre nach Tschernobyl leben heute fünf Millionen Menschen auf – und von – kontaminiertem Land.
Report: NUCLEAR SCARS – Die endlosen Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl