Die Schweiz produziert zu viel Abfall. Um die Rolle der Detailhändler diesbezüglich genauer zu beziffern, führte Greenpeace Schweiz im vergangenen Sommer bei den umsatzstärksten unter ihnen eine Umfrage durch. Da sie Angaben zu ihrem Verpackungs-Fussabdruck verweigern, deckt die Umweltorganisation den Plastik-Verschleiss am Beispiel der Tomaten-Verpackungen auf.
Der sogenannte Tomaten-Index zeigt, wie viel Gramm Plastik die Grossverteiler verschwenden, um ein Kilo des beliebtesten Gemüses der Schweiz zu verpacken. Im Detailhandel werden jährlich 50’000 Tonnen Tomaten aller Sorten verkauft. Weil die Umweltbilanz von Tomaten nicht nur von der Verpackung, sondern vor allem auch von der Art des Anbaus abhängt, wurde auch der Anteil der Bio-Sorten am Sortiment erhoben (siehe Grafik am Schluss).
Das Resultat fällt deutlicher aus als erwartet. Coop schneidet mit 12 Gramm Plastik pro Kilo Tomaten mit Abstand am besten ab. Der Grossverteiler hat schon versprochen, Bio-Früchte und Gemüse in Zukunft nicht mehr in Plastik zu verpacken, und hat ganz knapp hinter Aldi den grössten Bio-Anteil im Sortiment. Coops Führungsposition erklärt sich dadurch, dass das Unternehmen nicht rezyklierbare Plastikschalen mit Recycling-Karton ersetzt hat. Denner braucht zwar relativ wenig Plastik, bietet jedoch keine Bio-Tomaten an. Die Migros als Drittplatzierte und mit einem kleineren Bio-Anteil als Coop verwendet mit 25 Gramm pro Kilo doppelt so viel Plastik wie die ewige Konkurrentin um den Titel der nachhaltigsten Detailhändlerin der Welt.
Im Schnitt brauchen die Detailhändler 22 Gramm Plastik pro Kilo Tomaten. Hochgerechnet auf die erwähnten 50’000 Tonnen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktanteile, ergäbe dies einen Verbrauch von ca. 1’000 Tonnen Plastik – für eine einzige Gemüsesorte. Dies verdeutlicht, dass alle – auch Coop – noch Fortschritte machen und Tomaten nur noch offen bzw. in Mehrweg-Verpackungen anbieten sollten, so wie dies heute Unverpackt-Läden, Reformhäuser und Märkte schon tun. Sie zeigen, dass Verpackungen komplett unnötig sind.
Die Datenerhebung für den Tomaten-Index lieferte noch zusätzliche interessante Erkenntnisse. Die unsinnigste Verpackung mit 85 Gramm pro Kilo ist einlöchriger Eimer der Migros (siehe Bild links). Er floss aber nicht in den Index, weil die Filiale nicht zufällig ausgewählt wurde. Von einem Grossverteiler, der sich die «ökologische Optimierung» von Verpackungen auf die Fahne geschrieben hat, würde man anderes erwarten.
Betrachtet man nur das Gewicht der verpackten Tomaten (ohne Offenverkauf) schliesst Lidl mit 43 Gramm pro Kilo am schlechtesten ab. Der Discounter hat aber den grössten Anteil Tomaten im Offenverkauf (bei einem relativ kleinen Sortiment).
Der Tomaten-Index zeigt auch, dass nicht nur Bio-Gemüse in Plastik verpackt ist. Coop hat den kleinsten Plastikverbrauch aber den zweithöchsten Bio-Anteil, und braucht als einzige Detailhändlerin weniger Plastik bei Bio-Tomaten als bei konventionellen. Volg, der grösste Plastikverbraucher pro Kilo Tomaten, hat gar keine Bio-Tomaten im Angebot.
Der Tomaten-Index liefert kein exaktes Bild des Verpackungs-Fussabdrucks der Detailhändler, sondern demonstriert eben gerade die Notwendigkeit der Transparenz diesbezüglich. Greenpeace fordert die Detailhändler auf, sich zur Vision von null verbrannten und deponierten Abfällen zu bekennen und sich dieser Vision mit umfassenden, überprüfbaren Aktionsplänen anzunähern.
Methodologie und Disclaimer
Die Ergebnisse des Tomaten-Indexes beruhen auf Fotos und Messungen von Freiwilligen im September 2018, welche Greenpeace Schweiz stichprobenmässig überprüfte. Unter den Einsendungen wurden je 3 Filialen von Denner, Aldi, Lidl und Volg zufällig ausgewählt. Um vergleichbare Resultate zu erhalten, wurden von Migros und Coop nur je 2 Filialtypen untersucht (je 3x “Migros M”, “Migros MM”, “Coop Supermarkt” und “Coop City”). Für unverpackte Tomaten wurde der Wert 0 Gramm pro Kilo angenommen, für Verpackungen mit individuellen Tomaten-Gewichten ein Durchschnittswert. Das Wägen von Plastik-Verpackungen erfolgte auf’s Gramm genau. Die Daten sind auf Anfrage verfügbar.
Die Resultate des Indexes sind mit Vorsicht zu geniessen, da sich die Sortimente und damit auch die Verpackungen ständig ändern. Vor allem bei Migros lagen signifikante Unterschiede zwischen eigentlich gleichen Filialtypen vor; um ein genaueres Bild zu erhalten, müssten mehr Filialen über einen längeren Zeitraum untersucht werden. Zudem ist völlig unbekannt, wie viel von jeder Sorte Tomaten die Detailhändler verkaufen. Ein weiterer wichtiger Faktor der Umweltbilanz von Tomaten, nämlich die Distanz zwischen Produktions- und Verkaufsort, konnte in der ersten Version des Tomaten-Indexes nicht berücksichtigt werden.