Die aktuelle Hitzewelle ist ein morbider Gruss von der Klimakrise. Besonders unter unseren älteren Mitmenschen wird sie auch wieder Todesopfer fordern. Um sie in Zukunft vor dem Hitzetod zu schützen, gibt es nur einen Weg.
Ich habe es schon wieder getan. Schon wieder habe ich auf dem Smartphone die Meteo-Schweiz-App geöffnet. Obwohl ich es doch eigentlich besser wissen müsste. Aber irgendwo in meinem Kopf ist da immer noch diese Hoffnung, die App würde mir ein Bildli von einer dicken, grauen Regenwolke zeigen – oder mindestens eine Tageshöchsttemperatur, die nicht mit einer 3 beginnt. Doch als würde die App mich verhöhnen wollen, ist nun auch dieser klitzekleine Tropfen aus einer weissen Wolke verschwunden, den ich beim letzten fiebrigen App-Check erspäht hatte. Oder war das nur eine Halluzination, die mein von der Hitze weichgekochtes Hirn produziert hatte? Und wo hinter dem 3 bei der Tageshöchsttemperatur noch vor Kurzem immerhin eine 3 oder vielleicht sogar eine 2 gestanden hatte, erblicke ich nun 4en und sogar 5en.
Ein Ende der Hitzwelle ist derzeit nicht in Sicht. Bis am Wochenende, das verrät mir die App gerade per Push-Nachricht, gilt für weite Teile der Schweiz eine Hitzewarnung, Stufe 3: erhebliche Gefahr.
Gefahr für die Jüngsten und die Ältesten
Wenn die ominöse 3 in der Temperaturanzeige erscheint und länger dort verharrt, dann wird das für die Jüngsten und die Ältesten unter uns zu einem grossen Problem. Bei Kleinkindern wie auch bei Seniorinnen und Senioren funktioniert das natürliche Kühlsystem unseres Körpers, das Schwitzen, weniger gut als bei Erwachsenen unter dem Rentenalter. Wie fatal ein Hitzesommer sein kann, zeigen der Rekord-Sommer 2003 und der Nahezu-Rekordsommer 2015: Ersterer sorgte in der Schweiz für fast 1000 zusätzliche Todesfälle, Zweiterer für rund 800 – die meisten dieser zusätzlichen Toten waren ältere Menschen.
Hitzewellen werden sich häufen
Dass sich Mittelland und Tessin in Glutöfen verwandeln so wie in diesen Tagen, das wird wegen der fortschreitenden Aufheizung des Weltklimas immer häufiger vorkommen – Hitzesommer wie 2015 werden gemäss eines Berichts des Bundesamts für Umwelt bis Mitte des Jahrhunderts zum Normalfall werden. Wenn wir die Klimakrise Klimakrise sein lassen, also wie bisher CO2 und andere Treibhausgase in die Atomsphäre blasen, dann ist zu befürchten, dass wir bis Ende des Jahrhunderts bis zu fünfmal mehr Hitzewellen erleben werden, die mit dem Label «kann ihre Gesundheit gefährden» versehen werden müssen. Das zeigt eine dieses Jahr veröffentlichte Studie von Greenpeace Schweiz. Für die Todesfälle aufgrund der Hitze bedeutet dies der Studie zufolge, dass diese sich je nach Region bis zu verdreifachen werden.
Lösung: Fossil-Ausstieg und Agrarwende
Das klingt jetzt alles sehr dramatisch, und das ist es auch – wenn wir nichts unternehmen. Denn wie gesagt: Die Forscherin und der Forscher haben für ihre Studie mit einem Szenario gerechnet, in dem die Weltgemeinschaft Siesta macht, während der weltweite Temperaturanstieg uns ins Schwitzen bringt und für diejenigen, die nicht recht schwitzen können, eine tödliche Gefahr darstellt. Du und ich, wir können alle unseren Teil dazu beitragen, unsere Eltern und unsere Grossmütter und -väter zu schützen. Nicht nur, indem wir ihnen einen Ventilator schenken und sie dazu animieren, viel zu trinken. Nachhaltiger Schutz ist für sie das Aufhalten der Klimakrise – mit einem raschen Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas und einem Umdenken in der Landwirtschaft. Eine Möglichkeit, dich zu engagieren bietet schon bald die Gletscherinitiative oder jederzeit die Mitarbeit bei den Greenpeace-Freiwilligen.
Ich kann mich derweil schon wieder nicht zurückhalten und zücke das Smartphone. Aus den für heute vorausgesagten maximalen 35 Grad sind jetzt schon 36 geworden. Von der grossen grauen Regenwolke keine Spur. Und für den Südtessin wurde soeben die Hitzewarnung auf Stufe 4 erhöht: grosse Gefahr. Kein Anblick, an den ich mich gewöhnen möchte.