Just an dem Tag, an dem das grösste Meeresschutzgebiet der Welt in der Antarktis in Kraft tritt, hat die internationale Ländergemeinschaft ein Fischereiverbot über vorerst 16 Jahre in der Arktis beschlossen.
Um die Landschaften und Gewässer des Hohen Nordens ranken sich unzählige Sagen und Mythen. Island etwa nimmt beim Strassenbau noch heute Rücksicht auf die Lebensräume der Elfen. Die Inuit beschreiben in ihren Erzählungen, dass alle Kräfte der Natur und alle Gegenstände eine Seele oder zumindest seelische Eigenschaften hätten. Die Seele lebt in ihrem Glauben nach dem körperlichen Tod weiter — im Himmel, unter dem Meer oder über den Wolken. Sie kann überdies durch andere Menschen und Tiere wandern. Verschiedene Tierarten und geophysikalischen Phänomenen werden bestimmten Geistern zugeordnet, die den Menschen Nutzen oder Schaden zufügen können. Es gibt viele Berichte über einzigartige Verbindungen zwischen Menschen und Tieren.
Unerforschter als der Mond
In der arktischen Tiefsee beobachten WissenschaftlerInnen Jahr für Jahr neue Arten, die teilweise surreal wirken und einer Märchenwelt entsprungen scheinen. Bunte Wasserschnecken etwa, auch Seeschmetterlinge genannt, die mit ihren zarten Flügeln wie Elfen durch das Wasser gleiten. Oder Haie, auf deren Augen leuchtende Krebse sitzen, Narwale, die Einhörner der Meere, und Gelbhaar-Quallen, die mit ihren langen Tentakeln an Rapunzel erinnern. Bekannter sind die Kaltwasserkorallen, verschiedene Walarten, Eisbären, Walrösser und unzählige Seevögel wie der Papageitaucher. Diese Meeresregion beheimatet zudem viele Fischarten, Plankton und kleinste Krillkrebse, die Basis der arktischen und marinen Nahrungskette.
Politik schiebt Fischereiindustrie den Riegel
Doch das arktische Eis, das dieses Ökosystem lange schützte, schmilzt. Fischereikonzerne sehen sich als Nutzniesser der Klimaerhitzung, die die Bahn frei macht für ihre Monsterschiffe. Denn während die arktischen Staaten USA, Kanada, Russland, Dänemark und Norwegen die Fischerei an den Küstengewässern und den ausschliesslichen Wirtschaftszonen kontrollieren, werden die internationalen Gewässer der Arktis von keinem Staat überprüft. Den Plänen der Fischereiindustrie schiebt die Politik nach einer langen intensiven Greenpeace-Kampagne nun den Riegel: Zwar nicht für immer, wie wir das verlangten, aber wenigstens für die nächsten 16 Jahre ist der Fischfang in einem Gebiet rund um den Nordpol verboten, das über 65 Mal so gross ist wie die Schweiz. Danach soll die Vereinbarung alle fünf Jahre erneuert werden. Das ist ein Meilenstein für den Schutz der Arktis und der Nahrungsgrundlage ihrer einzigartigen Tierwelt. Und ein riesiger Erfolg für unser Arktis-Team.
Bereits letztes Jahr konnten wir nach zähen Verhandlungen einige der weltweit grössten Fischerei-Unternehmen und Anbieter von Meeresfrüchten dazu verpflichten, in zuvor eisbedeckten Gegenden der nördlichen Barentssee auf die Kabeljau-Fischerei zu verzichten. Dazu gehören McDonald’s, Tesco, Iglo, Young’s Seafood, Icelandic Seachill, Fiskebåt – welcher die gesamte Meeres-Fischereiflotte Norwegens repräsentiert –, der russische Fischereikonzern Karat, sowie der europaweit grösste Verarbeiter von gefrorenem Fisch, Espersen.
Antarktis-Schutzgebiet in Kraft
Ausgerechnet am selben Tag trat auf der anderen Seite der Welt das weltweit grösste Meeresschutzgebiet in Kraft: Ab sofort ist im antarktischen Rossmeer eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometer – mehr als 35 Mal so gross wie die Schweiz – vor Fischerei und anderen Industrien geschützt. Auch dafür hatten wir uns jahrelang eingesetzt. Die Meere brauchen unseren Schutz. Wir werden uns auch in Zukunft weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Weltmeere vor industrieller Fischerei und Ölbohrungen sicher sind. Handlungsbedarf besteht weiterhin: Obwohl internationale Zusagen gemacht wurden, bis zum Jahr 2020 zehn Prozent der Meere unter Schutz zu stellen, sind derzeit nur zwei Prozent geschützt. Meeresschutzgebiete sind entscheidend, um die ökologische Vielfalt zu bewahren, Fischbestände wieder aufzubauen und die Widerstandsfähigkeit im Kampf gegen die Klimaerhitzung zu erhöhen.