Aufgrund massiver Sicherheitsmängel durfte Beznau 1 nach der Revision nicht wieder ans Netz. Dies soll sich schon bald ändern: Betreiberin Axpo plant, den ältesten Reaktor der Welt wieder in Betrieb zu nehmen. Ein Unterfangen mit Fragezeichen.
Man kennt es aus dem Alltag: Mit fortschreitendem Alter häufen sich die Probleme. Der Asphalt auf der Strasse bekommt Risse, der Computer stürzt häufiger ab, die Knochen im Körper werden brüchiger. Nicht anders ist es bei einem AKW. Die Beznau-Betreiberin Axpo hat zwar zig Millionen Franken in die Nachrüstung investiert; doch das Herzstück ist stark abgenützt und lässt sich nicht austauschen: Der Reaktordruckbehälter. Jener Teil eines AKW, in dem die Kernspaltung stattfindet. Jener Teil eines AKW, der auf keinen Fall kaputt gehen darf. Denn geht er kaputt, kommt es zum Super-GAU, dem Horrorszenario, das vor fünf Jahren in Fukushima und vor 30 Jahren in Tschernobyl Realität wurde.
Die Altersgebrechen
So wie die Knochen im Körper, ist auch der Stahl des Druckbehälters in Beznau über die Jahre spröde und brüchig geworden. Dafür hat der andauernde Beschuss durch Neutronen gesorgt. Gefährlich wird die Versprödung vor allem dann, wenn der Reaktor notfallmässig abgeschaltet werden müsste: Dann wird der heisse Behälter mit Kühlwasser geflutet – wer schon einmal kaltes Wasser in ein erhitztes Glas gegossen hat, weiss, was dann geschehen kann.
Die Herzschwäche
Das Herz von Beznau 1 ist also ohnehin geschwächt. Noch grösser wird dieses Problem dadurch, dass im Innern der Wand des Druckbehälters fast tausend Schwachstellen entdeckt worden sind. Diese Materialfehler – von der Betreiberfirma zu «Anzeigen» oder «Unregelmässigkeiten» verharmlost – stellen selbst Experten vor ein Rätsel: Woher kommen sie? Wachsen sie, wenn der Reaktor läuft? Welche Auswirkungen haben sie auf die Sicherheit? Noch immer gibt es mehr Fragen als Antworten zu diesem Befund, und die Axpo weigert sich, klare Fakten zu liefern. Fest steht letztlich nur eins: Das Herz von Beznau ist noch mehr geschwächt, als zuvor bekannt war. Und damit ist auch das Risiko eines Herzinfarkts, sprich: eines Versagens des Druckbehälters, grösser geworden.
Die Pensionierung
AKW wurden einst darauf ausgelegt, dass sie allerhöchstens 40 Jahre am Netz bleiben. Beznau 1 hat also das Pensionsalter schon um mehr als sechs Jahre überschritten; Reaktor 2 – dessen Herzstück übrigens ebenfalls Schwachstellen in der Stahlwand aufweist – um mehr als vier Jahre. Zwar wird der Druckbehälter von Beznau 1 genau überprüft und steht deshalb seit über einem Jahr still. Doch die Axpo setzt alles dran, das älteste AKW der Welt wieder in Betrieb zu nehmen und möchte es noch weit über das Pensionierungsalter betreiben. Von 60 Jahren Laufzeit ist nun die Rede. Aller Vernunft zum Trotz soll das brandgefährliche Experiment «Wie verhält sich ein AKW, wenn man es einfach immer weiterlaufen lässt?» fortgeführt werden. Die Schweizer Bevölkerung sollte sich nicht weiter dafür als Versuchskaninchen missbrauchen lassen: Beznau darf nie mehr ans Netz.