Überrascht und erfreut waren die Passanten in Brüssels EU-Viertel heute morgen über die Schlagzeile, die sie gerade gelesen hatten. «Staatschefs einigen sich auf historische Vereinbarung für den Klimaschutz». Erst beim zweiten Blick auf die kostenlose Sonderausgabe der International Herald Tribune bemerkten sie, dass es sich um eine täuschend echte Imitation der englischsprachigen Tageszeitung handelt. Greenpeace verteilte die achtseitige Ausgabe aus Anlass eines Treffens der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten. Die Artikel warnen vor den Folgen des Klimawandels und zeigen, wie zügiges und gemeinschaftliches Handeln aussieht. Zurzeit sind die Klimaverhandlungen festgefahren, die im Dezember in Kopenhagen zum vertraglichen Abschluss kommen sollen.
Die Sonderausgabe der englischsprachigen Zeitung trägt das Datum vom 19. Dezember 2009 – der Tag nach dem Abschluss der entscheidenden UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort soll ein neues internationales Klimaschutzabkommen beschlossen werden. Doch die in den Vorbereitungsverhandlungen hat es bisher keine Fortschritte gegeben. «Europa ist wie gelähmt, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist abgetaucht», so Greenpeace-Deutschland-Klimaexperte Karsten Smid. «Die EU hat sich von anderen Industriestaaten, insbesondere den USA, beim Klimaschutz ausbremsen lassen. Wir wollen die Regierungen an ihre Führungsverantwortung erinnern.»
Und die zeigen die versammelten Staatsoberhäupter der nachgemachten Ausgabe reichlich: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy verabschiedet die Atomenergie und will nicht mehr in neue Atomkraftwerke, sondern in erneuerbare Energien investieren. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hat sich vom Tycoon zum verantwortungsvollen Staatsmann gewandelt, der sich für die Produktion von kleinen, effizienten Autos bei Fiat einsetzt. Und auch die griechische Regierung widersetzt sich nicht länger dem Einsatz von Solarenergie.
Auf dem Titelfoto strahlen die Regierungschefs angesichts einer Einigung zur massiven Reduzierung von Treibhausgasen um die Wette. Bei solchen Ergebnissen schießen auch die Börsenkurse in die Höhe, prognostiziert das Blatt. Wenn erst die politischen Weichen gestellt seien, stehe der Ausweitung der Produktion und des Exports von Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien nichts mehr im Wege. Fingierte Anzeigen bebildern eine Welt, in der man Windparks zum Selberbauen bei IKEA kaufen kann.