Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Hier ist Teil 2 meiner Schilderungen, den Teil 1 findest du hier.
Ich bin Greenpeace-Campaigner und habe die Klimakatastrophe am eigenen Leib erfahren. Ich berichte aus Manila, wo ich zur Zeit für Greenpeace International arbeite. Hier ist Teil 2 meiner Schilderungen, den Teil 1 findest du hier.
Sonntag, 11.10.09
Im Rückblick lässt sich folgendes festhalten: Innerhalb von nur sechs Stunden sind über 42cm Regen gefallen – soviel wie noch nie und insgesamt doppelt so viel wie beim Sturm „Katrina“ 2005 in den USA. „Ketsana“ hat Gebiete der Philippinischen Hauptstadt mit ihren mindestens 12 Millionen Einwohnern überflutet, die vorher noch nie überflutet waren. Die Überschwemmungen forderten laut Regierungsangaben 340 Menschenleben, rund 700’000 Familien befinden sich in Evakuationszentren, 4 Millionen sind direkt betroffen, benötigen Hilfe und beklagen Schäden.
Medienberichten zufolge hat die Regierung nur 1 Million oder ¼ der Hilfsbedürftigen mit Hilfeleistungen erreicht, die anderen 3 Millionen oder ¾ der Hilfsbedürftigen wurden von NGOs und Angehörigen oder gar nicht versorgt. 80% von Manila war bis zu 8 Meter unter Wasser, viele Schulen und ganze Quartiere sind es noch immer. Gemäss Behörden wird das Wasser in 20 Städten und Dörfer um den Laguna-See womöglich noch fünf Monate stehen, weil die Abflüsse blockiert sind. Über eine Million Menschen leben nun im Wasser. In einem Gebiet müssen 400’000 Menschen dauerhaft umgesiedelt werden, Slumbewohner, die ihre Hütten an exponierter Stelle aufgebaut haben, weil nur dort Platz für sie war. Die Behörden versprechen Unterstützung, lassen aber bereits jetzt verlauten, dass die Umsiedelung etwa ein Jahr dauern wird. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Vertriebenen einmal mehr auf sich alleine gestellt sind und sich bald wieder irgendwo an exponierter Stelle niederlassen werden. Überflutete Gebiete haben nach wie vor kein Strom – der ganze Grossraum Manila, schicke Geschäfts- und Wohnviertel inklusive, erfuhren die ganze Woche über stundenlange Stromausfälle, weil die Transformatoren der privatisierten Stromversorger in der Flut Schaden genommen haben. Die Wasserversorgung erlitt aufgrund von Rohrbrüchen und Infiltration von Schmutzwasser ebenfalls Schäden – das Wasser sei teils bräunlich und schmecke faulig. In den Pumpen der Wasserversorgung hätte man Menschenteile gefunden. 16 Spitäler mit ihren Notfallaufnahmen im Erdgeschoss wurden beschädigt. In den Evakuationszentren fürchtet man den Ausbruch von Epidemien und Krankheiten, wie Dengue-Fieber und Durchfall. Lungenkrankheiten, Haut- und Pilzinfektionen und Leptospirose sind bereits häufig – alles Krankheiten, die sich infolge Exposition gegenüber kontaminiertem, stehenden Wassers rasch verbreiten. Das Wasser ist nicht nur wegen den stinkenden Müllhaufen und Tierkadaver wie Ratten, Schweine, Hunde mit gefährlichen Krankheitserregern kontaminiert. Auch lecke Öltanks, Tankstellen und wohl auch überflutete Fabriken belasten das Wasser zusätzlich. Offene Deponien, in denen der Moloch Manila seinen Müll entsorgt, stehen jetzt unter Wasser. Die Verteilung von Hilfsgütern verläuft chaotisch – abgelegene Quartiere werden ausser Acht gelassen, die Nahrungspakete der Regierung werden gemäss Augenzeugen teils von fahrenden Lastwagen abgeworfen, was unter den Hilfsbedürftigen zu Keilerei und Faustrecht führt. Es mangelt an allem Grundlegenden wie sauberem Wasser, ausgewogenen Nahrungsmitteln, Gummistiefeln, Hygieneartikeln, Beschäftigung und Medikamenten. Ich weiss von Evakuationszentren mit 1 Toilette für 3000 Vertriebene.
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Doch die Schäden sind bei weitem nicht nur auf Manila begrenzt – die Hauptstadt ist einfach prominenter in den Medien. Der nachrückende Supertaifun „Parma“ hat in 25 Provinzen eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Parma hat das Land erst nach 10 Tagen verheerender Niederschläge und Sturmböen verlassen. Gemeinerweise kam Parma auf seiner Bahn nordwärts zum Stillstand und bewegte sich zeitweise wieder südwärts – angesogen durch ein weiteres Sturmtief im Osten. So wurden weite Gebiete von Parma gleich dreimal stark in Mitleidenschaft gezogen: Ganze Dörfer und Städt wurden von der Aussenwelt abgeschnitten, Fluten, Schlammlawinen und Bergrutsche haben Häuser, Strassen zerstört und mindestens 200 Menschen unter sich begraben. Trotz Zwangsevakuationen starben hunderte von Menschen. Die Dämme sind zum bersten voll, drohen zu brechen und müssen daher in grosser Eile abgelassen werden. Bereits jetzt sind weit über 100 Dörfer unter Wasser. Es ist unklar, wie auf die Flutwarnungen reagiert werden können. Auch die Schäden in der Landwirtschaft sind enorm. Bereits jetzt ist klar, dass die Reisernte im Wert von 6 Milliarden Pesos vernichtet ist, mit Infrastrukturschäden sind es mind. 30 Milliarden (Sfr. 650mio). Die Philippinen werden nächstes Jahr noch mehr teuren Reis von ihren Nachbarn importieren müssen, um ihre Bevölkerung ernähren zu können.
Die Regierung macht jetzt vor allem die Armen zum Sündenbock. Deren Abfall und Wellblechhütten, oder die Fischgehege im Laguna Lake hätten das Drainagesystem verstopft. Der Chef des Nationalen Katastrophenkoordinations-Komitees macht mangelnde Ressourcen und die lokalen Behörden für das allgemeine Desaster verantwortlich. Die infolge von Korruptionsskandalen und vermutlichem Wahlbetrug im Volk unbeliebte Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo hat den nationalen Katastrophen-Zustand ausgerufen, damit auch unbetroffene Provinzen Geld aus ihren Kassen zur Verfügung stellen können – im nationalen Katastrophenfond befinden sich nur noch 27mio Pesos (Sfr. 540’000.-). Die Präsidentin selber verteilte in ihrer Heimatprovinz Hilfsgüter mit ihrem Namen drauf und liess mit viel Medientamtam ein paar 100 verstörte Flüchtlinge im Präsidentenpalast campieren. Hilfsgüter werden nicht mit Regierungsgeldern bezahlt, anstelle von Starthilfe für Hilfsbedürftige gibt es verbilligte Kredite für Bürger, die sich die staatliche Sozialhilfe leisten können. Die Mehrheit, die im informellen Sektor arbeitet, wird leer ausgehen. Abgesehen von öffentlichen Aufrufen zum Gebet und einem Spendeaufruf an unbetroffene Provinzen und ans Ausland hat man von der Regierung nicht viel Aktivität gesehen. Ein Kommentator im Inquirer, der grössten philippinischen Tageszeitung, schrieb: Die Regierung habe aufgehört zu regieren.
Die Kritik an der Regierung wird nun immer lauter. Kritisiert wird deren Unfähigkeit, die Katastrophe zu managen, Hilfsgüter zu verteilen, Abfallberge wegzuräumen und den Wiederaufbau zu organisieren, man hinterfragt das Fehlen von Rettungsbooten, Helikoptern und Katastrophen-Einsatzplänen, spricht vom unverantwortlichen Öffnen von Dämmen und Flut förderndem Abholzen von Wäldern und Bergbau, spekuliert über die tatsächliche Zahl von Todesopfern, rügt die fehlenden Flut-Frühwarnsysteme und ungenauen Wettervorhersagen infolge veralteter Technologie in einem Land, das jedes Jahr von mind. 20 Taifunen – Tendenz steigend – getroffen wird, und zählt die Fehler einer krass vernachlässigten, verantwortungslosen Stadtraum- und Umweltplanung auf…
Und über allem schwebt das Wort „CLIMATE CHANGE “, das jetzt auch auf den Philippinen zum Wortschatz der Taxifahrer, Marktfrauen und Regierungsangestellten gehört…
Spenden!
Da ich bin selber in Manila bin, sehe ich mit eigenen Augen, wie dringend Hilfe nötig ist – jeder Franken hilft! Wer den Menschen in Südostasien nach den Taifunen, Erdbeben und Tsunamis von der Schweiz aus beistehen will, hat z.B. folgende Spendemöglichkeiten: Schweizerisches Rotes Kreuz oder Glückskette!
Salamat und Ingat!
Danke!