Cyrill Studer, Klima Campaigner von Greenpeace Schweiz, berichtet von der Klimakonferenz in Kopenhagen.

Cyrill Studer, Klima Campaigner von Greenpeace Schweiz, berichtet von der Klimakonferenz in Kopenhagen.

Cyrill StuderMontag, 7.Dezember 2009, etwa um 10.30 Uhr: ich befinde mich mit etwa 2000 weiteren Gipfelteilnehmern in der völlig überfüllten East-Hall im Bella-Center, wo die Eröffnungszeremonien aus dem Plenarsaal übertragen werden. Eindrückliche Einspielungen, bewegender Frauenchor, tiefgreifende Reden. Ein Augenblick, in dem sich die ganze Welt um den Klimaschutz zu drehen scheint. Also, schnell den Laptop auf und checken, was andere darüber berichten. Tagesanzeiger-online verbreitet: Wie der Klimagipfel die Umwelt belastet. Uups. Irgendwie habe ich mir eine romantischere Schlagzeile vorgestellt. Da wird über Privatjets, Limousinen und dergleichen berichtet. Es geht nicht lange und die sattsam bekannten Klimaskeptiker schalten sich mit Kommentaren ein. Die haben’s schliesslich schon immer gewusst. Ein gefundenes Fressen.

Mag sein, dass hier etliche Teilnehmende ihre Dekadenz auch für einen Klimagipfel nicht ablegen. Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, welche Limo-Konvois über die Kopenhagener Strassen brausen werden, wenn in etwa einer Woche die 110 Staatschefs eintreffen. Bloss, von dieser ganzen CO2-Schlacht spüre ich in meinem «Hotel» nicht viel: Vor einer Stunde erhob ich mich von meiner Militär-Bahre, die auf einem Betonboden steht. Fast näher als meine Ehefrau zuhause im Doppelbett liegt bereits der Nächste. Und so geht es weiter, etwa 120 Greenpeace-Freiwillige mit ihrem Gepäck, eingepfercht in einer alten Fabrikhalle. Zuerst ging ich raus in die Kälte zu einem Nebengebäude, in dem die Duschen eingerichtet sind. Ich hatte Glück, vermutlich war ich einer der ersten, denn, das Wasser war im Gegensatz zum letzten Mal warm. Dann, immer noch mit nassen Haaren (einen Föhn gibt es natürlich nicht, habe ich geahnt und mir deswegen am Tag der Abreise die Haare noch kurz geschnitten), weiter zum Frühstück, in den Versammlungssaal: gut, nährhaft, biologisch, vegetarisch sowieso. Erstes politisches Update des Morgens vom dänischen Campaigner: Die zurzeit blockierende polnische Delegation wurde bereits vor dem Frühstück von Greenpeace-Akivisten begrüsst, das Medieninteresse war gewaltig. Ziel erreicht: Es wird öffentlich über die Machenschaften der Delegation diskutiert. Nichts mit Verstecken, die Verantwortlichen wurden ans Licht gezehrt.

Und nun: rauf aufs Fahrrad, eine halbe Stunde radeln, hoffentlich nicht gegen den Wind, und dann rein ins Bella-Center. Gut möglich, dass ich etwas müder aussehen werde, als die Delegierten, die heute Morgen in einem Penthouse erwachten. Aber, tauschen wollen? Niemals! Zu fein ist das Vegan-Essen hier, zu interessant waren gestern Abend nach einem langen Tag an der Konferenz all die Diskussionen mit den anderen Greenpeaceleuten in unseren Fabrikhallen. Hier lebt Kopenhagen und von hier und ähnlichen Plätzen aus bildet sich hoffentlich in den nächsten Tagen die Veränderung, die so dringend nötig ist.

Hopenhagen

Nicht, dass ich bis jetzt viel Zeit gehabt hätte, mir die Innenstadt anzusehen, aber einen ersten Eindruck von «Hopenhagen», wie sich die dänische Kapitale seit kurzem nennt, habe ich trotzdem gekriegt. Was besonders auf einem Mietvelo auffällt: Fahrradwege soweit die Strassen reichen. Genug breit, um als dahintrödelnder Outsider sogar von dreirädrigen Transportvelos überholt zu werden. In der Rush-Hour gibt’s sogar eigentliche Velostaus. Aber diese bleiben auch auf den ‚richtigen’ Strassen nicht aus. Was tun? Mein Vorschlag: zusätzliche Flächen zugunsten der Zwei- oder Dreiräder reservieren. Gar nicht so unrealistisch, denn dies ist eine der 50 Massnahmen, mit denen Kopenhagen bis 2025 zur ersten klimaneutralen Hauptstadt werden will. Wer weiss, vielleicht existiert auf einem Geheimpapier bereits die 51. Massnahme ‚Namensänderung von Copenhagen hin zu Hopenhagen’ Aber bitte erst Umsetzen, wenn die ersten 50 Ziele erreicht sind.

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