Als ich mich gestern im verregneten Zürich zu Bett legte ging mir Cancun im Kopf herum, denn die standen zu der Zeit ja mitten in den Verhandlungen. Ein Wort drehte sich in meinem Kopf: «Teufelskreis».
Eine Meldung über verheerende Waldbrände hatte das ausgelöst. Darin ging es nicht um bewusste Brandrodungen von Regenwäldern, denen wir von Greenpeace einen Riegel vorzuschieben versuchen. Es ging um Verheerungen in den Wäldern der Nordhalbkugel, die von der Klimaerwärmung selbst verursacht werden – und letztere zusätzlich ankurbeln. Nicht nur die Bäume, sondern auch das im Boden gelagerte Pflanzenmaterial brennt ab und das setzt ungeheure Mengen von CO2 frei. Der klassische Teufelskreis. Zufällig haben wir gerade gestern den Bericht eines Aktivisten von Greenpeace Schweiz publiziert: Stefan schaute nicht tatenlos zu, sondern beteiligte sich an Löschaktionen von Greenpeace Russland.
Ein Teufelskreis prägt auch die verfahrene Pattsituation zwischen den USA und China. Solange der eine sich nicht bewegt, kriegt auch der andere den Hintern nicht hoch. Keiner der beiden will nationale Reduktionsziele (falls denn vorhanden) in einen verbindlichen internationalen Vertrag festhalten lassen. Und dieser endlose Streit bringt das ganze Kartenhaus zum Wackeln.
Einzig die EU könnte jetzt Stärke zeigen, voran gehen und eine neue Dynamik auslösen. Sie bangt aber um ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und macht so einen weiteren Teufelskreis auf: Noch ist der Kontinent technologisch führend bei den erneuerbaren Energien (bei der installierten Leistung haben USA und China die Nase vorn). Wenn sich Europa nicht sputet, verliert es an Terrain, und eine Abwärtsspirale setzt ein.
Wecken taten mich Sonnenstrahlen. Die Frühstückslektüre festigte das Gefühl, dass heute vielleicht, zur Abwechslung, ein erfolgreicherer Cancun-Tag werden könnte: Im – übrigens sehr guten – Online-Magazin klimaretter.info las ich dann tatsächlich von einem «Euphorie-Rausch», der an der Konferenz plötzlich ausgebrochen sei.
In Grossbritannien sind offenbar ernsthafte Bestrebungen im Gang, die Reduktionsziele auf grandiose minus 60 Prozent bis 2030 festzulegen (gegenüber Stand 1990). Das ist das höchste je gemachte Reduktionsversprechen. Dieser Schritt von Cameron könnte Europas Klimapolitik endlich den Schub verleihen, auf den wir lange gewartet haben.
Zudem scheint China nun plötzlich willig, darüber zu reden, sich in internationale Prozesse und Verbindlichkeiten einzubinden. Und mit einem Mal sollen auch die USA bereit, sich stärker fürs Klima zu engagieren, nicht zuletzt finanziell, was bei mir neue Hoffnungen für den Schutz der Regenwälder weckt.
Sie bewegen sich also doch! Das ist Balsam an einem Verhandlungs-Dienstagmorgen.
PS: Und die Schweiz? Sie gehört nicht in das saubere Dutzend der innovativen Länder und schafft es gerade noch auf den 13. Unglücksplatz in der gestern veröffentlichten Klima-Hitparade. Und das auch nur dank der Stromproduktion aus praktisch CO2-freier Wasserkraft – nicht aufgrund aktueller Innovation bei den Erneuerbaren.