Widen, 31. August 2012. Sleep In vor CEO Vosers Haus
© Greenpeace / Ex Press / Flurin Bertschinger
Seit Wochen besucht Eisbär Paul das Haus von Shell-Chef Peter Voser. Als Antwort bekam er nur Ignoranz. Jetzt hat er vor Vosers Auffahrt ein Bett aufgestellt und sich häuslich eingerichtet. Dieses ist nicht nur zum Kuscheln da. Beobachtet von einem privaten Sicherheitsdienst und der Polizei zeigt Paul jetzt auch seine Krallen und fordert den Shell-Chef ultimativ auf, auf Ölbohrungen in der Arktis zu verzichten.
Es ist sein achter Versuch. Wochenende für Wochenende trottet Eisbär Paul nach Widen. Seine Mission: Shell von seiner Heimat fernzuhalten. Doch der Shell-Chef zeigte Paul die kalte Schulter, verweigerte jeglichen Dialog und heuerte private Sicherheitskräfte gegen den vertriebenen Arktisbewohner ein. Grund genug, nun auch seine Krallen zu zeigen. Es ist Zeit, dass Voser von seinem unverantwortlichen Tun ablässt und einwilligt, auf Ölbohrungen in der Arktis zu verzichten.
Paul hinterliess Voser bereits mehrere Briefe mit der Forderung, die Hände von seiner Heimat zu lassen. Sie blieben unbeantwortet. Voser eröffnete mit Shell einen Wettlauf um Ölreserven in der Arktis. Der niederländisch-britische Ölkonzern will in den nächsten Wochen in Alaska erste Probebohrungen vornehmen.
Die Ölreserven der Arktis decken den weltweiten Ölbedarf lediglich drei Jahre lang. Dafür nimmt Shell die Zerstörung eines der letzten intakten Ökosysteme in Kauf. Pauls Heimat könnte schon bald ölverseucht sein. Und eisfrei. Denn Wissenschaftler melden einen neuen Minus-Eisrekord: Das Eis im Nordpolarmeer ist in diesem Jahr stärker geschmolzen als je zuvor seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen. Bis Mitte September wird es weiter schmelzen. Der Nordpol wird in absehbarer Zeit im Sommer ganz eisfrei und für Öltanker befahrbar sein. Um nach noch mehr Öl zu bohren. Ein Teufelskreis.
Dass Ölbohrungen in der Arktis ein Spiel mit dem Feuer sind, hat sogar BP eingesehen. Der Konzern, der das Desaster im Golf von Mexiko angerichtet hatte, legte seine Arktis-Pläne wegen des unkalkulierbaren Risikos unlängst auf Eis.
Shell scheint das nicht zu kümmern. Nach einigen Rückschlägen und technischen Problemen mit ihrer Flotte forderte Shell eine Verlängerung der Bohrzeit in der Arktis. Im Juli war Shells Ölbohrschiff Noble Discoverer gefährlich nahe ans Ufer von Dutch Harbor in Alaska geraten. Laut Augenzeugen lief das Schiff auf Grund. Der Vorfall zeigt das Risiko, das Shell mit Probebohrungen in der hochsensiblen Arktis eingehen will. Die US-Regierung hatte ursprünglich mit dem Konzern vereinbart, dass dieser die Bohrungen in der Tschuktschensee am 24. September beendet. Ob sie einen Aufschub gewährt muss bezweifelt werden.
«Starke Stürme und Eisbedeckung im Winter machen Ölbohrungen in der Arktis zu einem waghalsigen Unterfangen», sagt Nadine Berthel von Greenpeace Schweiz. «Eine schnelle Antwort auf ein Ölleck ist wegen der langen Dunkelperioden und der Abgelegenheit nahezu unmöglich. Falls Shell in der Arktis bohrt ist es daher weniger eine Frage ob, sondern eher wann es zu einer Ölkatastrophe kommt.»
Fast zwei Millionen Arktisschützerinnen und Arktisschützer sprechen sich bereits für ein Schutzgebiet im Hohen Norden aus. Die Zahl steigt ständig weiter. Sind Sie dabei? Damit Pauls Artgenossen vielleicht überleben können.