Unsere New Media und Oceans Campaignerin Andrea Rid erzählt vom Leben an Bord der Rainbow Warrior während der Indian Oceans Tour 2012:


Andrea Rid an Bord der Rainbow Warrior im Indischen Ozean
© Paul Hilton / Greenpeace

 

Es ist das erste Mal, dass ich eine so lange Zeit auf einem Schiff verbringen werde. Im Urlaub hab ich zwar schon ein paar Tage auf Tauchschiffen oder einem Segelschiff verbracht, hatte dabei aber immer die Möglichkeit zwischendurch Festland unter den Füssen zu spüren und jederzeit von Bord zu gehen, sofern mir die Lust oder die Seetauglichkeit abhanden kam.

Dieses Mal wird es ganz anders sein und ich habe keine genauen Vorstellungen, was mich erwartet. Dementsprechend schwer fällt es mir trotz langer Rucksack-Reise-Erfahrung richtig zu packen. So nehme ich am Ende für alle Eventualitäten etwas mit. Warme Kleidung, Sommerkleidung, Regenschutz, Sonnenschutz, Flip Flops und festes Schuhwerk, diverse elektronische Geräte, ganz vorne dabei natürlich mein Laptop. Aber auch Tabletten gegen Seekrankheit und mehrere Kilos Schweizer Schokolade für die Crew stehen ganz oben auf meiner Liste.

Als ich in Mauritius am Hafen ankomme kann ich die unverkennbaren Doppelmasten der Rainbow Warrior schon von weitem sehen. Mir bleibt nur kurz Zeit innezuhalten und mir vor Augen zu führen, weswegen ich hier bin und was diese Reise bedeutet.


Die Rainbow Warrior-Crew im Indischen Ozean
© Paul Hilton / Greenpeace

Segel Setzen für mehr Nachhaltigkeit

Normalerweise arbeite ich als New Media Campaigner und Oceans Campaigner bei Greenpeace Schweiz doch für die nächsten vier Wochen werde ich dieses Schiff mein zu Hause nennen und damit den Indischen Ozean durchkreuzen. Doch es wird keine Kreuzfahrt sein, bei der ich Cocktail schlürfend in einer Hängematte auf dem Sonnendeck liegend meine Sommerbräune auffrische, wie manche Kollegen mit einem Augenzwinkern meine Abreise kommentierten.

Nein, die Rainbow Warrior ist aus einem ernsten und wichtigen Grund in diesen Gewässern: die Überfischung stoppen, bessere Kontrollen für illegale und Piratenfischerei zu etablieren, zerstörerische Fangmethoden zu eliminieren und eine nachhaltige Fischerei zu fördern, die auch zukünftigen Generationen eine Lebensgrundlage aus dem Fischfang ermöglicht.
Die Ziele sind ambitiös und die Zeit wird immer knapper. Denn die momentane Plünderung unserer Meere hat verheerende Ausmasse angenommen.

Europäische und asiatische Fischfangflotten setzen massenhaft Ringwaden-Schleppnetze in Kombination mit Fischsammlern (FADs – Fish Aggregation Devices)  ein und dezimieren die Thunfischbestände im Indischen Ozean – des zweitgrössten Fischereigrunds für Thunfisch – auf dramatische Weise. Aber auch andere Meeresgeschöpfe fallen den zerstörerischen Fangmethoden zum Opfer: Schildkröten, Rochen, Delfine und Haie sind keine Seltenheit.


Shark Finning auf einem Japanischen Langleiner
© Paul Hilton / Greenpeace

 

Während die meisten dieser Kreaturen als Beifang  – also unerwünscht mitgefangene Abfallprodukte – meist tot oder sterbend wieder von Bord geworfen werden, kommt den Haien eine zweifelhaft hohe Beachtung zugute: Der Haiflossenmarkt in Asien boomt und so werden den – oft noch lebenden – Tieren die Flossen und Finnen vom Körper getrennt bevor der, für die Fischer nutzlose Körper, zum Sterben wieder der See übergeben wird. Geschätzte 73 Millionen Haie erleiden so jedes Jahr einen qualvollen Tod, nur um als Statussymbol verehrte, getrocknete Zutat in einer Suppe zu enden.

Gründe genug also für Greenpeace in dieser Region mit einem Schiff vertreten zu sein und nachhaltige Lösungen mit lokalen Fischern und Behörden der Küstenregionen und Inselstaaten zu diskutieren und Regierungen aufzufordern, die Verantwortung für ihre Gewässer zu übernehmen, Kontrollen zu verschärfen und der Piratenfischerei ein Ende zu setzen.

Bevor es zu spät ist.

Denn die Zahlen sind alarmierend. Im westlichen Teil des Indischen Ozeans beträgt die Menge an illegal gefangenem Fisch 11 – 26 Prozent der gesamten Fangmenge. Im Östlichen Teil des Indischen Ozeans sind es sogar 21 – 43 Prozent.

Als das Taxi stoppt, schultere ich meinen überpackten Rucksack und betrete die Rainbow Warrior. Es fühlt sich gut an. Immerhin geht für mich damit ein langersehnter Traum in Erfüllung. Einmal auf einem Greenpeace-Schiff an vorderster Front mit dabei zu sein. Noch konnte ich ja nicht ahnen, dass ich die Reise die ersten Tage über alles andere als geniessen würde und die meiste Zeit über der Reling hängend verbringen würde.

Mit einigen Tagen Verspätung, die wir dem tropischen Sturm Anais zu verdanken haben, der uns ausserhalb des Hafens von Port Louis festhielt, sind wir nun auf dem 10 Tage lang dauernden Transit zu den Malediven, um dort die traditionelle und nachhaltige Thunfischfangmethode Pole & Line zu dokumentieren.

Was sich trotz des unruhigen Seegangs vielleicht nah wie vor wie eine Kaffeefahrt anhört, ist in Wirklichkeit ein riskantes Unterfangen. Denn die Überfahrt führt uns direkt durch den äusseren Rand des Hochrisiko-Gebiets für Piratenangriffe im Indischen Ozean. Trotz aller erdenklich getroffener Sicherheitsmassnahmen und des verschwindend geringen Risikos überhaupt so weit draussen einem Piratenschiff zu begegnen, sind wir ab jetzt in ständiger Alarmbereitschaft.

Ich mache mir keine  Sorgen, denn die Rainbow Warrior ist ein gutes, schnelles und wendiges Schiff.

Seit sie ihre Segel zum Kampagnenstart Anfang September in Durban gesetzt hat, hat das Kampagnenteam an Bord gemeinsam mit den mozambikanischen Fischereibehörden zwei Wochen lang in Teamarbeit ausländische Fischerboote in den Gewässern vor Mosambik untersucht.
Später in Mauritius traf sich das Team mit lokalen Fischern, Vertretern der Industrie und der Behörden, um die Problematik der Überfischung zu thematisieren. Ein Riesenproblem: Denn es sind derzeit so viele Fischfangflotten in der Hochsee unterwegs dass deren Kontinuum schätzungsweise 2,5 Mal grösser ist, als das, was die Fischbestände überhaupt hergeben können.

Wenn wir die Ozeane weiterhin auf diese Weise plündern, wird bald nichts mehr übrig sein und stark überfischte Bestände wie beispielsweise die der Thunfische werden bald vollends kollabiert und verschwunden sein. Es ist an der Zeit, dass Industrie und Regierungen, aber auch Märkte und Konsumenten rund um den Globus endlich aufwachen und reagieren. Wenn wir unsere Ozeane noch retten wollen, braucht es jetzt, hier und heute eine Veränderung die weltweite Wellen schlägt.

Die Wellen wiederum, die uns Wirbelsturm Anais als Mitgift die letzten Tage mit auf die Reise gab, flachen langsam ab und die Sonne bricht durch die Wolken. Das azurblaue Meer liegt tiefgründig vor mir. Es ist friedlich hier draussen. Und für kurze Zeit kann ich den Kampf, den das Meer jeden Tag, jede Sekunde zu bestreiten hat, vergessen und den Augenblick geniessen.