Als Ende der 1970er-Jahre die Heringsbestände in der Nordsee schwanden, begannen niederländische Unternehmen, die heute in der Pelagic Freezer-Trawler Association (PFA) organisiert sind, nach neuen Fanggebieten zu suchen. Mit modernen Tiefkühlschiffen eröffneten sich neue geografische Möglichkeiten. Die Fangschiffe konnten in früher unzugängliche Gebiete vordringen. Zuerst zog die Fabrikschiffflotte in den nördlichen Atlantik hinaus, dann, als ab 1995 auch dort nichts mehr zu holen war, vor die westafrikanische Küste, in die Gewässer Senegals, Guineas, Mauretaniens und Marokkos. Seit 2005 stösst die immer weiter aufgerüstete, 34 gigantische Tiefkühlschiffe zählende europäische Armada vor die chilenische Küste vor, um ihre riesigen Schleppnetze vollzukriegen.

Von Bruno Heinzer

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© Sibylle Heusser und Marcus Moser, atelier oculus, Zürich

 

2012 ist eines der grössten PFA-Schiffe, die ehemalige «FV Margiris», wegen ihres vor Westafrika erworbenen schlechten Rufs kurzerhand in «Abel Tasman» umgetauft, sogar bis nach Australien in die Tasmanische See vorgedrungen, um ihr zerstörerisches Werk fortzusetzen. Da ist der geplante grosse Raubzug auf Makrelen auf den entschlossenen Widerstand von Greenpeace, anderen Umweltschützern und lokalen Kleinfischern gestossen und die Behörden haben die «Margiris» während 6 Monaten in Australien festgehalten.
Diese fast 150 Meter langen Riesentrawler fegen sich mit ihren Schleppnetzen ganze Makrelen- oder Heringsschwärme in den Schiffsbauch und sind damit nicht nur eine Bedrohung für diese Fische, sondern auch für alle Tiere weiter oben in der Nahrungskette, die sich von ihnen ernähren. Wenn sie nicht als Beifang im mehrere hundert Meter langen Netz landen, verlieren sie ihre Nahrungsgrundlage. Und für die Küstenfischer mit ihren kleinen Booten bleibt auch nichts mehr übrig.
Das Problem ist, dass es schlicht nicht mehr genug Fische in den Ozeanen gibt, damit diese «Staubsauger der Meere» ihre Bäuche füllen könnten. Seit 1996 stagnieren die weltweiten Fischfänge, ja sie gehen sogar leicht zurück, obwohl die Fangkapazität der globalen Fischerei in dieser Zeit zugenommen hat. Gemäss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der UNO sind 80 Prozent der Bestände bis an ihre Grenzen befischt, überfischt oder bereits erschöpft. Riesentrawler sind im Grunde gar nicht mehr rentabel. Es gibt zu viele Schiffe und zu wenig Fisch, um ihre Kapazitäten dauerhaft auszuschöpfen. Trotzdem werden sie gegen jeden Gedanken an Nachhaltigkeit mit Steuergeld-Millionen künstlich am Leben erhalten.


© Sibylle Heusser und Marcus Moser, atelier oculus, Zürich

 

Zahlen
Mit bis 600 Meter langen Schleppnetzen können 250 Tonnen Fisch pro Tag gefangen werden, die im Schiffsbauch sortiert und tiefgefroren werden. Bis zu 6000 Tonnen Fisch haben im Lagerraum Platz, was den schwimmenden Fabriken wochenlange Fischzüge in abgelegenste Gebiete der Meere erlaubt. Ein Schiff wie die «FV Margiris» tötet an einem Tag bis zu 750 000 Makrelen — in einem Monat können es über 20 Millionen sein. Ein Freezer-Trawler der PFA-Flotte kann in einem Fischzug soviel Fisch soviel Fisch erbeuten wie 56 traditionelle westafrikanische Fischerpirogen pro Jahr.

Soziale Probleme
Die vor der Westküste Afrikas operierende PFA-Flotte stürzt die lokalen Kleinfischer in Senegal, Mauretanien, Marokko und Guinea in den Ruin. Sie zerstört mit ihrem Fisch zu Dumpingpreisen die lokalen Märkte. In Senegal, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Fischereisektor beschäftigt ist und der Fischexport die wichtigste Devisenquelle darstellt, trifft sie den Lebensnerv.

Beifang und andere ökologische Folgen
Allein vor Mauretanien wurden in den letzten 15 Jahren neben Meeressäugern, Thun und anderen grossen Raubfischen von den EU-Schleppnetzschiffen rund 1500 vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröten, über 18 000 Rochen und über 60 000 Haie als Beifang getötet, darunter bedrohte Mantarochen und Hammerhaie. Den Meerestieren droht zusätzliche Gefahr: Die riesigen Netze und Verarbeitungsgeräte der Tiefkühlfangschiffe können Zielfische wie Makrelen, Heringe oder Sardinen lokal derart dezimieren, dass grosse Raubfische wie Thunfische, Haie und Rochen, aber auch Delfine, Orcas, Robben, Meeresschildkröten und Meeresvögel ihre Nahrungsgrundlage verlieren.

Schiffsbetreiber — rechtliche, wirtschaftliche und politische Aspekte
Die Pelagic Freezer-Trawler Association repräsentiert drei holländische Unternehmen (Parlevliet & Van der Plas, Cornelis Vrolijk/Jaczon und Willem van der Zwan & Zonen). Ihre 34 schwimmenden Fischfabriken operieren mittlerweile unter den Flaggen der Niederlande, Grossbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Litauens und Perus. So können sie die Fangquoten der entsprechenden Staaten ausschöpfen, erhalten deren Fischereisubventionen und profitieren auch von laxeren Umweltgesetzen. Vordergründig weist die PFA einen Jahresgewinn von 55 Millionen Euro aus. Zieht man allerdings die direkten und die indirekten EU-Subventionen von über 100 Millionen Euro ab, resultiert unter dem Strich ein jährlicher Verlust von bis zu 50 Millionen Euro. Die PFA ist also weder ökologisch noch wirtschaftlich nachhaltig. Die Plünderungszüge vor Afrikas Westküste und im Südpazifik werden mit Steuergeldern der sich so gern mit ihrer ökologischen Haltung brüstenden EU aufrechterhalten.

EU-Fischereipolitik: Beschluss mit Potential nach oben!