Kreative Aktivisten wissen, wie sich die Öffentlichkeit sensibilisieren lässt. Die Amerikanerin Whitney Black verblüfft mit skurrilen Überlebenskugeln; die Australierin Allana Beltran protestiert in Tasmanien gegen Abholzungen, indem sie sich als Mahnengel auf ein 45 Meter hohes Gerüst schnallen lässt; die Französin Cécile Lecomte steigt in Frankfurt auf Hochhäuser und tanzt so «dem Kapitalismus auf der Nase herum». Die Gruppe 350.org schliesslich macht mit spektakulären Events auf die zunehmende Klimaerwärmung aufmerksam. Die Geschichten dieser Bewegten sind spannendste Adventure-Literatur.

Von Rita Torcasso 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Greenpeace Magazin 2/2013.

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Co-Gründer von 350org: Jamie Henn, 27 

Eine Zahl knackt den Medien-Jackpot

 

Seit fünf Jahren organisiert Jamie Henn Proteste gegen den Klimawandel. Die Gruppe 350.org ist zu einer weltweiten Bewegung geworden, die von einer Million Menschen unterstützt wird.   


Jamie Henn

Von Rita Torcasso — Am 24. Oktober 2009 fand der erste weltweite Aktionstag gegen den Klimawandel statt – mit 5200 Veranstaltungen in 180 Ländern. «An diesem Tag erfüllte sich der Traum, für den ich mich fast zwei Jahre eingesetzt hatte», sagt Jamie Henn. Als logische Entwicklung bezeichnet er seinen Weg zum «globalen Klimaaktivisten». Während der Highschool arbeitete er als Freiwilliger in Suppenküchen; am Middlebury College in Vermont organisierte er mit fünf Freunden Events gegen den Klimawandel. Sein erster grosser Coup, noch als Geschichtsstudent, war der Umwelttag «Step it up» in 50 US-Staaten. Er wollte mehr.  

2008 gründet er zusammen mit seinen fünf College-Freunden und dem Umweltjournalisten Bill McKlibben 350.org. Die Zahl weist auf die Kohlendioxid-Konzentration von 350 ppm hin. Nur wenn die Konzentration nicht über diesen Wert hinausgehe, könne unser Planet auf der heutigen Entwicklungsstufe weiter bestehen, so das Fazit einer Studie des Klimaexperten James Hansen. Das habe wie eine geistige Bombe gezündet, erzählt Henn. 350 wird zum Signet der Gruppe, die «die Welt aufrütteln will». Er übernimmt Ostasien. «Jeden Tag war ich nun im fensterlosen Büro in San Francisco damit beschäftigt, E-Mails zu versenden und Kampagnenpläne zu machen», so der Online-Aktivist, der auch die Öffentlichkeitsarbeit für 350.org übernimmt. Ein Netz von AktivistInnen beginnt sich um die Welt zu spannen.

 


«Global Power Shift» ist der Erfolg von 350.org. Die Zahl 350 ist der zulässige höchstwert für Kohlendioxid.
© Ahmed Hayman

 


© DDancer / artforthesky.com

Nach eineinhalb Jahren sind sie am Ziel: Tausende von Bildern mit Protestaktionen gegen den Klimawandel treffen in San Francisco ein. «Mit einem einzigen Tag hatten wir die Behauptung, die Klimabewegung sei nur etwas für die reichen weissen Menschen in Europa und Nordamerika, ausser Kraft gesetzt», sagt Jamie Henn. 350.org habe den Medien-Jackpot geknackt: Das Ereignis beherrschte weltweit die Schlagzeilen. «Für mich war es, als ob jeder einzelne Mensch, der sich beteiligt hatte, die Hand aus den Bildern strecken würde.» Eine halbe Million Dollar Spenden sammelt die Gruppe, um mit den Bildern und 50 Organisatoren von der Südhalbkugel an den Klimagipfel in Kopenhagen zu reisen. Doch einzig 117 der armen und am stärksten betroffenen Länder übernahmen das 350-ppm-Ziel. Es waren «die falschen», so Henn. «Doch wir konnten wenigstens jenen Rückendeckung geben, die sich gegen die grossen Mächte auflehnten.»


© 350.org

Jamie Henn nennt als eines seiner Interessen das Extremklettern. Ausdauer braucht er, denn 2010 startet 350.org eine globale Arbeitsparty, 2011 folgt der dritte internationale Aktionstag, 2012 ein Tag der Folgen des Klimawandels. 20000 Demonstrationen führte die Bewegung in drei Jahren durch. Er sei kein Utopist, sagt der Kommunikationschef, der heute von zwölf AktivistInnen auf allen Kontinenten bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt wird. Sein Slogan zum Werbefilm lautet: «350: Denn die Welt muss es wissen!» Ende 2012 wird erstmals in den USA eine Kohlendioxid-Konzentration von 400 ppm gemessen. Die AktivistInnen starten eine neue Protestphase. «Mit ‹Global Power Shift› wollen wir erreichen, dass die internationale Klimabewegung gemeinsam aktiv wird. Denn um unter 350 ppm zu kommen, muss sich die Welt grundlegend verändern.»


© 350.org

 

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