Kreative Aktivisten wissen, wie sich die Öffentlichkeit sensibilisieren lässt. Die Amerikanerin Whitney Black verblüfft mit skurrilen Überlebenskugeln; die Australierin Allana Beltran protestiert in Tasmanien gegen Abholzungen, indem sie sich als Mahnengel auf ein 45 Meter hohes Gerüst schnallen lässt; die Französin Cécile Lecomte steigt in Frankfurt auf Hochhäuser und tanzt so «dem Kapitalismus auf der Nase herum». Die Gruppe 350.org schliesslich macht mit spektakulären Events auf die zunehmende Klimaerwärmung aufmerksam. Die Geschichten dieser Bewegten sind spannendste Adventure-Literatur.

Von David Torcasso 

Carrotmob-Gründer Brent Schulkin, 32, San Francisco 

Zuckerrübe statt Peitsche

Der Amerikaner Brent Schulkin mobilisiert mit Carrotmob umweltbewusste Konsumentinnen und Konsumenten – und belohnt damit Unternehmen, die sich für den Klimaschutz einsetzen.   

Der Carrotmob vor dem Kales Natural Foods, Hawaii. © Carrotmob

«Boykotte provozieren Konflikte. Ich glaube, dass Menschen gemeinsam mehr Einfluss auf Unternehmen haben, wenn sie nicht protestieren, sondern ihnen mit Geld einen Anreiz geben», sagt Brent Schulkin, Gründer der weltweit aktiven Carrotmob-Bewegung. In San Francisco aufgewachsen, hat er ein Wirtschaftsstudium an der Stanford University absolviert. Nach dem Abschluss arbeitete er bei Google und entwickelte später Onlinespiele. Wie viele der heute erfolgreichen UmweltaktivistInnen nutzt er seinen ökonomischen Background für ökologische Anliegen.

Es sei unvernünftig, Unternehmen für ihr «schlechtes Benehmen gegenüber der Umwelt» an den Pranger zu stellen, so der Ökonom. Das führe in eine Sackgasse. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte er seine Geschäftsidee: Eine Gruppe von Menschen soll gemeinsam Geld für etwas ausgeben, das ein gutes Gefühl beim Einkaufen hinterlässt, weil der Gewinn nachhaltig eingesetzt wird. «For-Profit anstatt Non-Profit», nennt er das und kreiert aus «Zuckerbrot statt Peitsche» (carrot) und der Macht der Masse (mob) den Namen «Carrotmob» für die neue Bewegung.

Brent Schulkins erster Carrotmob am 29. März 2008 in San Francisco war ein voller Erfolg. Nach einem Aufruf über Facebook und Twitter kauften Hunderte in einem Quartierladen Artikel ein, die sie ohnehin benötigten: Früchte, Chips, Wein oder Putzmittel. Zuvor hatte der Ladenbesitzer Schulkin seine Bereitschaft erklärt, einen Teil des Umsatzes für die klimagerechte Sanierung einzusetzen. Der Laden verzeichnete an diesem Tag den dreifachen Umsatz und investierte 22 Prozent in Energieeffizienz.

Der Carrotmob vor dem Victoria Canada Sauce Restaurant. © Carrotmob

Heute ist Carrotmob auf der ganzen Welt aktiv – mehr als 250 Kampagnen in 20 Ländern laufen zurzeit. Wer teilnimmt, setzt sich nachhaltig ein, sei es mit Fairtrade-Lebensmitteln, energieeffizienter Einrichtung oder der Förderung der lokalen Wirtschaft. «So wählen ökologisch bewusste Menschen mit ihrem Geld, was sie unterstützen möchten. Das ist eine echte Win-win-Situation», sagt der Gründer. Der Unterschied zu herkömmlichen Umweltinitiativen: Die Leute spenden das Geld nicht, sie geben es für Dinge aus, die sie brauchen – sinnvoll und umweltbewusst.

Carrotmobbers haben von New York über Paris bis nach Bangkok bisher über eine Million Dollar in nachhaltige Businessideen investiert. Damit die Idee weltweit über das Internet funktioniert, hat Schulkin ein Online-Gutschein-System entwickelt, ähnlich wie bei Crowdfunding. Statt dass die Leute zu einer gewissen Zeit an einem bestimmten Ort stehen müssen, können sie mit Gutscheinen ein ausgewähltes Unternehmen unterstützen.

Brent Schulkin verfolgt seine Vision des umweltbewussten Konsums mit Tatendrang, Optimismus und selbstbewusstem Schalk: «Der Konsument gewinnt, das Unternehmen gewinnt – und unser Planet gewinnt!» Als Nächstes möchte er nun mit Grossunternehmen zusammenarbeiten: «Jeder kauft Zahnbürsten. Den meisten Menschen ist die Marke egal. Wenn wir eine Million Menschen finden, die sagen, wir kaufen eine bestimmte Zahnbürste, weil sie nachhaltig produziert wird, werden Grossunternehmen hellhörig.»