Am Freitag wachten die friedlichen Aktivisten des Greenpeace Schiffes Arctic Sunrise in einer eiskalten Gefängniszelle in Russland auf, weil sie sich für den Schutz der Arktis und den Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt hatten. Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Zwischenstaatliche UNO-Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) seinen neusten Bericht zum Stand des Weltklimas.
Die beiden Ereignisse lassen sich unter einem einzigen Stichwort zusammenfassen: düster!
Der UNO-Bericht enthält hunderte von Seiten an Beweisen und Belegen, welche den Einsatz der mutigen ‹Arctic 30‹ rechtfertigen. Sie handelten zum Schutz einer empfindlichen arktischen Umwelt und einer zunehmend wärmer werdenden Welt.
Die neuste Studie geht weiter als ihre Vorgänger und dokumentiert die Klimakrise, in der wir uns befinden, entschiedener als noch in der vorletzten Auflage: Klimawandel ist ein riesiges Problem, die fossile Brennstoff-Industrie ist der Hauptsünder und das Zeitfenster, das uns erlauben würde, die schlimmsten Konsequenzen zu verhindern, schliesst sich rasch.
«Im neusten IPCC-Bericht steht zum ersten Mal in Zahlen, wie viel CO2 wir noch freisetzen können, ohne die sogenannt sichere Limite eines Temperaturanstiegs von 2 Grad Celsius zu übersteigen: 1000 Gigatonnen bis Ende 21.Jahrhundert, danach müssen wir mit potentiell katastrophalen Klimafolgen rechnen.»
Für Klimaschützer und Klimaschützerinnen in der ganzen Welt ist dies eine bittere Feststellung. Gewiss verleiht sie den Argumenten für den Einsatz der Arctic 30 zusätzliches Gewicht und der Debatte um den Klimawandel neue Dringlichkeit. Doch Regierungen überall schauen tatenlos zu—der erdrückenden Beweislage zum Trotz—und gleichzeitig beweist die russische Regierung, dass sie vor nichts haltmacht, um ihrer Ölindustrie den Zugang zu Ölquellen zu ermöglichen.
Nach der illegalen Enterung und Beschlagnahmung der Arctic Sunrise wegen eines friedlichen Protests gegen gefährliche Ölbohrungen wurde unser Schiff in den Hafen von Murmansk geschleppt. Die ‹Arctic 30› wurden verhört und daraufhin ohne Anklage festgehalten. Greenpeace und Millionen von Menschen in der ganzen Welt verlangen ihre sofortige Freilassung. Für uns ist der jüngste Klimabericht des IPCC ein weithin hörbarer Aufruf an Menschen überall, sich gegen die rücksichtslose Ölindustrie zur Wehr zu setzen.
Der russische Ölriese Gazprom versucht, unsere Aktivisten und jeden, der sich gegen die Ölförderung in der Arktis ausspricht, zum Schweigen zu bringen. Wie andere Ölgesellschaften, z.B. Shell, die in der Arktis tätig sind, fürchtet Gazprom den Blick der Öffentlichkeit. Doch tatsächlich kümmert sich die Welt noch viel zu wenig um das wahnsinnige Rennen nach arktischem Öl.
Im neusten IPCC-Bericht steht zum ersten Mal in Zahlen, wie viel CO2 wir noch freisetzen können, ohne die sogenannt sichere Limite eines Temperaturanstiegs von 2 Grad Celsius zu übersteigen: 1000 Gigatonnen bis Ende 21.Jahrhundert, danach müssen wir mit potentiell katastrophalen Klimafolgen rechnen. Um diese Limite einzuhalten, müssen die weltweiten CO2-Emissionen vor 2020 ihr Maximum erreicht haben und dann rapide abnehmen. Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir diese Menge in 20 bis 30 Jahren ausgestossen haben. Und wenn unsere CO2-Emissionen weiterhin so schnell zunehmen, wie sie es gegenwärtig tun, geht es noch schneller. Das ist eine grosse Herausforderung – aber noch keine unmögliche.
Unternehmen wie Gazprom und Shell hingegen setzen auf den Klimawandel. Sie verwenden Geschäftsmodelle, die darauf angelegt sind, den Energiedurst der Welt weiterhin mit fossilen Brennstoffen zu löschen und verlassen sich darauf, dass die Regierungen weiterhin in erster Linie die Ölindustrie schützen und nicht ihre Bevölkerungen. Doch es gibt Alternativen, und eine andere Welt ist möglich.
Ein Teil der heute bekannten fossilen Brennstoffvorkommen müssen im Boden bleiben, wenn wir katastrophale Klimafolgen verhindern wollen. Das ist eine einfache und unbestreitbare Tatsache. Dennoch suchen gierige Ölgesellschaften wie Gazprom und andere laufend nach neuen Öl- und Gasvorkommen, auch in extrem verletzlichen Ökosystemen wie dem eiskalten arktischen Ozean, wo die Gefahr von Lecks und Ölunfällen noch grösser ist als anderswo. Ölbohrungen im arktischen Ozean sind extrem gefährlich, weil es praktisch unmöglich ist, die Folgen eines Ölunfalls auf eisbedeckter See unter Kontrolle zubringen. Es ist, als ob man mit der Arktis russisches Roulette spielen würden.
Die ‹Arctic 30› wissen dies. Darum verdienen diese mutigen Aktivisten unseren Respekt, unsere Dankbarkeit und ihre Freiheit.
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Truls Gulowsen ist der Geschäftsführer von Greenpeace Norwegen