Die nächsten Verhandlungen über ein internationales Plastikabkommen der Vereinten Nationen haben begonnen. Unsere Expertin für Konsum und Kreislaufwirtschaft, Joëlle Hérin, erklärt die Herausforderungen des Abkommens, das im Kampf gegen die Plastikverschmutzung eine historische Chance bietet. Ein Express-Interview, bevor sie nach Südkorea reist, um sich für ein wirkungsvolles Abkommen einzusetzen.  

Was ist die INC5?

«Dieser technische Begriff steht für die fünfte Runde der Verhandlungen zwischen den Regierungen über ein internationales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung. Plastik ist ein globales Problem, auf das wir eine globale Antwort finden müssen. Seit 2022 sitzen darum die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen am Verhandlungstisch, um ein internationales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung zu erreichen. Die fünfte Verhandlungsrunde findet vom 25. November bis zum 1. Dezember 2024 in Südkorea statt. Sie spielt eine entscheidende Rolle, da sie der letzte Schritt im Verhandlungsprozess sein sollte. Es geht um die Entscheidung, ob es ein ehrgeiziges Abkommen geben wird, das uns aus dem Plastikzeitalter befreit, oder ein schwaches Abkommen, das zulässt, dass die Plastikverschmutzung unsere Gesundheit, unser Klima und unseren Planeten bedroht. Deshalb reise ich mit anderen Kolleg:innen von Greenpeace und unseren Verbündeten aus der ganzen Welt nach Busan, um die Waagschalen in die richtige Richtung zu bewegen: zugunsten unseres Planeten.»

Warum ist das Plastikabkommen so wichtig?

«Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass es die grösste Chance für den Planeten und seine Bewohner:innen ist, sich endlich von Plastik zu befreien. Wir wissen, dass Plastik die Umwelt verschmutzt – von der Herstellung bis zur Entsorgung. Es schadet unserer Umwelt und trägt zur globalen Erwärmung bei. Und auch wenn ich das Gefühl habe, mich zu wiederholen, sage ich es, weil es schockierend ist: Plastik ist überall, in den Lebensmitteln, die wir essen, in der Luft, die wir atmen, und sogar in unserem Körper… Wir brauchen ein internationales Abkommen, das rechtlich bindend ist und starke Massnahmen wie eine Reduktion der Plastikproduktion beinhaltet. Wir müssen an der Quelle ansetzen!»

Massenmobilisierung an der INC4 in Ottawa, Kanada. © Tim Aubry / Greenpeace

Was können wir erwarten?

«Die Verhandlungen im Frühling in Kanada waren enttäuschend. Die Länder haben teilweise dem Druck der Lobbyist:innen der petrochemischen Industrie nachgegeben. Wir erwarten, dass wir wieder mit der starken Lobby der ölproduzierenden Länder konfrontiert werden, denn Plastik wird auf der Basis von Öl und Gas hergestellt. Glücklicherweise lassen sich jedoch einige Länder, wie Ruanda und Peru, nicht beeinflussen. Sie fordern ein ehrgeiziges, quantifiziertes Ziel für weniger Plastikproduktion. Viele Mitgliedstaaten, darunter auch die Schweiz, betonen, dass das Problem (auch) an der Wurzel angegangen werden muss: der ungezügelten Plastikproduktion. Wir unterstützen diese Schritte in die richtige Richtung. Wir erwarten auch viele Diskussionen über Entscheidungsprozesse, Kontrollmassnahmen, die Finanzierung und das Verbot von gefährlichen Chemikalien oder Einwegverpackungen. Das klingt auf den ersten Blick nicht sehr sexy, ist aber für die Umsetzung eines wirksamen Vertrags entscheidend.»

Was ist das gewünschte Ergebnis?

«Um deutlich zu sein: Wir können die Plastikverschmutzung nicht stoppen, ohne weniger Plastik zu produzieren. Wir fordern daher ein rechtsverbindliches Abkommen, das die Plastikproduktion bis 2040 um mindestens 75 Prozent reduziert und Einwegplastik abschafft. Das Abkommen muss klare Ziele sowie das Finanzierungssystem angeben, damit jedes Land seine Plastikproduktion reduzieren und die Wiederverwendung ausbauen kann.»

Was können wir dir für diese entscheidende Woche wünschen?

«Im Moment bin ich optimistisch, denn es gibt ermutigende Anzeichen: Etwa 40 Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, ein globales Ziel zu setzen, um wieder auf ein nachhaltiges Produktionsniveau von Plastik zurückzukehren. Was mir Sorgen macht, ist die Macht der Lobbyist:innen, deren Zahl bei den letzten Verhandlungen stark gestiegen ist. Daher glaube ich, dass wir uns von den Regierungen etwas wünschen sollten: Handelt im Interesse der Bevölkerung, widersteht den Versprechungen der Öl- und Gas-Lobby und einigt euch auf das Schlüsselelement des Abkommens: weniger Plastikproduktion. Nur so schützen wir unseren Planeten und seine Bewohner:innen.»

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