Ein Sieg für die Bewohner in der Umgebung des Atomkraftwerks Mühleberg, eine Ohrfeige für das ENSI: Das Bundesgericht hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat zurechtgewiesen und bestätigt, dass niemand über dem Gesetz steht und der Rechtsschutz auch bei potentiellen Gefahren wie einem Atomunfall gewährleistet werden muss (siehe Medienmitteilung). Da auf dem Rechtsweg trotzdem keine schnelle Abschaltung zu erwarten ist, gilt es, bereits an der kantonalen Abstimmung am 18. Mai den Stecker zu ziehen.
Sind umstrittene Entscheide des ENSI bei dessen Aufsichtstätigkeit über die laufenden AKW anfechtbar? Inwiefern muss das ENSI auf die Schutzinteressen der Bevölkerung eingehen? Diese wichtigen Grundsatzfragen hat am Freitag Morgen das Bundesgericht in Lausanne für drei Stunden beschäftigt. Auch für Laien war schnell klar, dass die Bundesrichter im Gegensatz zur Aufsichtsbehörde die Anliegen und Rechte der Bevölkerung ernst nehmen und insbesondere auch das von Atomkraftwerken ausgehende Gefahrenpotential.
Vorerst handelte es sich bei diesem Rechtsstreit um eine formelle Frage – es ging um die Anfechtbarkeit von Entscheiden des ENSI. Zwei Anwohner verlangten eine anfechtbare, materielle Verfügung, ob mobile Pumpen für das Notkühlsystem des AKW Mühleberg dem Sicherheitsnachweis angerechnet werden dürfen (wie das ENSI es tat) oder nicht. Ohne ausreichenden Sicherheitsnachweis müssen Atomkraftwerke ausser Betrieb genommen werden.
Anwalt Martin Pestalozzi und Anwohner der Alarmzonen Markus Kühni und Rainer Burki beantworten die Fragen der Journalisten vor dem Bundesgericht
Das ENSI wollte auf dieses Gesuch nicht eintreten. Nach dem Entscheid des Bundesgerichts muss es aber nun in einer anfechtbaren Verfügung materiell auf die Fragen der Anwohner eingehen und nachweisen, die im Kernenergierecht verankerten Sicherheitsvorschriften richtig angewandt zu haben.
Das ENSI wird das nur widerwillig machen und es ist nicht zu erwarten, dass die Aufsichtsbehörde schnell und im Sinne der betroffenen Anwohner eine Verfügung erlassen wird. Neben den Rechtsweg ist deshalb auch der politische Druck wichtiger denn je. Die Stimmberechtigten im Kanton Bern entscheiden am 18. Mai über die definitive Abschaltung des Altreaktors Mühleberg. Und das eidgenössische Parlament wird in den nächsten Monaten darüber befinden, ob es endlich eine verbindliche Laufzeitbeschränkung für alle AKW einführen will.