Mit einem neuen Energiegesetz wollte Frankreich seinen hohen Atomstromanteil senken. Jetzt liegt das Gesetz vor. Es scheint, als habe der Atomkonzern EDF daran mitgeschrieben.
Mit einem neuen Energiegesetz wollte Frankreich seinen hohen Atomstromanteil senken. Jetzt liegt das Gesetz vor. Es scheint, als habe der Atomkonzern EDF daran mitgeschrieben.
Eine Greenpeace-Aktivistin protestiert auf dem baufälligen Dach des AKW Fessenheim gegen die Gefahr radioaktiver Verseuchung, die von dem überalterten Atomkraftwerk für Europa ausgeht. Sie zeigt ein Banner mit der Botschaft «M. Hollande, une vraie transition énergétique maintenant!». Weitere Umweltschützer und Kletterer demonstrieren auf dem Gelände der Anlage – 18.3.2014
Eine Greenpeace-Aktivistin protestiert auf dem baufälligen Dach des AKW Fessenheim gegen die Gefahr radioaktiver Verseuchung, die von dem überalterten Atomkraftwerk für Europa ausgeht. Sie zeigt ein Banner mit der Botschaft «M. Hollande, une vraie transition énergétique maintenant!». Weitere Umweltschützer und Kletterer demonstrieren auf dem Gelände der Anlage – 18.3.2014
Frankreich deckt seinen Energiebedarf zu 73 Prozent mit teurer und hochgefährlicher Atomkraft. Im Wahlkampf versprach Staatspräsident Francois Hollande, diesen hohen Anteil bis 2025 auf 50 Prozent zu senken. Ein neues Energiegesetz sollte den Weg aufzeigen. Am Mittwoch stellte Energieministerin Sègoléne Royal es vor – es enttäuscht auf der ganzen Linie.
Frankreich sieht sich derzeit aufgrund seiner überalterten Atomkraftwerke landesweit konfrontiert mit einer nuklearen Sicherheitskrise. Der staatliche Atomkonzern EDF betreibt 58 Atomreaktoren. Die meisten von ihnen entstanden in den 70er und 80er Jahren, 29 haben die Betriebsdauer von 30 Jahren bereits überschritten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Überalterung der AKW heute ein beträchtliches Problem darstellt. Sie genügen nicht den modernen Sicherheitsstandards, wichtige Bauteile wie der Reaktordruckbehälter können nicht erneuert werden. Mit dem Alter der Reaktoren steigt die Unfallwahrscheinlichkeit. Der Atomreaktor Fessenheim 1 beispielsweise, rund 35 Kilometer von Basel entfernt, ist älter als sämtliche nach dem Atomdesaster in Fukushima in Deutschland abgeschalteten AKW.
Ein völlig unzureichendes Gesetz
Mit dem neuen Energiegesetz versprach die Regierung, auch in Frankreich eine Energiewende einzuleiten. Nun stellte sie ein völlig unzureichendes Gesetz vor. Dort regelt sie weder den schrittweisen Ausstieg aus den ältesten und damit gefährlichsten AKW noch schlägt sie Schritte für eine dringend notwendige echte Energiewende vor. Dazu gehören sowohl Energieeffizienzmassnahmen als auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Dennoch plant die Regierung weiterhin, den Anteil der Atomenergie an der Stromerzeugung von derzeit 73 Prozent auf 50 Prozent im Jahr 2025 zu senken. Wie, dazu liefert das neue Gesetz keinerlei Details. Sogar der Uralt-Meiler Fessenheim, dessen Schliessung Hollande bis Ende 2016 versprochen hat, wird mit keinem Wort erwähnt. Zudem fehlt eine Regelung, die es ermöglicht, Atomreaktoren aus energiepolitischen Gründen vorzeitig abzuschalten. Das Gesetz soll bis Anfang 2015 verabschiedet werden.
Das neue Energiegesetz klammert nicht nur einen konkreten Plan zur Abschaltung des AKW Fessenheim aus, es fehlt auch ein Zeitplan für den Ausstieg aus 18 weiteren ähnlich überalterten Reaktoren bis zum Jahr 2020. Die Abschaltungen sind jedoch nötig, will Frankreich sein Reduktionsziel erreichen.
Die Hälfte der französischen Atomreaktoren geht auf eine Betriebsdauer von 40 Jahren zu. Um die erforderlichen Sicherheitsstandards einzuhalten, wird EDF in den nächsten Jahren massiv in den Kraftwerkspark investieren müssen. Aktuelle Sicherheitsstandards werden diese Uralt-Reaktoren dennoch nicht erreichen. Trotzdem plant EDF diese Investitionen, hoffend auf Laufzeiten von 50 Jahren und mehr.
Greenpeace Frankreich veröffentlichte vergangene Woche einen Report (frz.), der zeigt, dass die Instandhaltung der AKW deutlich teurer wird als der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die sichere und kostengünstigere Option für Frankreich ist einzig eine echte Energiewende ohne Atomkraft. Darüber informiert im Moment auch das Greenpeace-Schiff Beluga, das noch bis am 22. Juni die AKW-Regionen an Rhein und Mosel besucht. Ihr Ziel: Die Menschen in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Luxemburg über die Risiken der alternden Atomkraftwerke zu informieren und zu mobilisieren. (siehe Fotos)
Wenn EDF seine Pläne umsetzt, werden pro Reaktor rund 4,4 Milliarden Euro benötigt. Diese Summe übersteigt die Kosten für den Ausbau von Wind an Land bereits im Jahr 2015, für den Ausbau der Photovoltaik im Jahr 2018 und im Jahr 2020 schliesslich werden auch die Kosten für Offshore Wind übertroffen.
Bisher sind alle Versprechungen der französischen Regierung, einen Ausstieg zumindest aus den ältesten Atomkraftwerken einzuleiten, reine Lippenbekenntnisse. Greenpeace fordert eine echte Energiewende ohne Atomkraft in Frankreich wie auch in der Schweiz und ganz Europa, denn nur so kann das nukleare Risiko und können die Energiekosten beherrscht werden.