Neun Jahre nach dem Giftmüll-Skandal in der Elfenbeinküste ziehen mehr als 100’000 Betroffene in den Niederlanden gegen den verursachenden Erdölkonzern Trafigura vor Gericht.


 

Montag, 23. Februar 2015
Post für Trafigura.
© Greenpeace / Bas Beentjes

 

An einem Augustmorgen 2006 fühlten sich Zehntausende von Menschen in der Stadt Abidjan/Elfenbeinküste plötzlich krank. Sie litten an Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, Hautreizungen und Atemproblemen. Was sie nicht wussten: In der Nacht hatte der in den Niederlanden eingetragene, aber in der Schweiz situierte Konzern Trafigura via den gecharterten Frachter «Probo Koala» an mindestens 18 verschiedenen Stellen illegal Giftmüll entsorgt. Das Schiff machte vor seiner Fahrt in die Elfenbeinküste in Amsterdam Halt, dort hätte der Giftmüll ursprünglich aufbereitet werden sollen. Stattdessen wurde der Müll auf offenen Halden in Abidjan entsorgt. Nach Angaben der ivorischen Justiz starben 17 Menschen, 100’000 weitere Personen erlitten Vergiftungen.

Nun gehen die Opfer gerichtlich gegen Trafigura vor. Neben einer Erstattung der Entsorgungskosten verlangen sie eine Entschädigung von je 2500 Euro und damit insgesamt fast 280 Millionen Euro, wie von ihren Anwälten verlautete. Trafigura sei für die körperlichen, moralischen und wirtschaftlichen Schäden der Betroffenen regresspflichtig, heisst es in der Klageschrift, die dem Konzern schon zugestellt wurde. Beim Gericht in Amsterdam soll sie am 2. März eingereicht werden.

Konzern hat keine Verantwortung übernommen

Der multinationale Trafigura-Konzern hat stets bestritten, dass die Todesfälle und schwere Gesundheitsschäden auf die Giftmüllverklappung zurückzuführen seien. 2011 hatte die niederländische Justiz eine Forderung von Greenpeace ausgeschlagen, Trafigura wegen des Skandals in der Elfenbeinküste vor Gericht zu stellen. Zur Begründung hiess es, keines der Opfer lebe in den Niederlanden, und die Vorwürfe bezögen sich auf Vorkommnisse ausserhalb des Landes. Die Kläger wollen die Argumentation nun umschiffen und haben deshalb eine niederländische Stiftung für die Opfer gegründet. Die Regierung der Elfenbeinküste hatte sich schon 2007 mit Trafigura gegen Zahlung von umgerechnet 152 Millionen Euro darauf geeinigt, nicht gerichtlich gegen den Konzern vorzugehen. 2009 hatte die Firma dann doch umgerechnet 33 Millionen Euro an etwa 30’000 Betroffene gezahlt. Nun werde für Entschädigung für all jene gestritten, die bislang leer ausgegangen seien, sagte einer der Opfer-Anwälte.

Kein Einzelfall – Schweizer Politik muss Massnahmen ergreifen

Insbesondere in Entwicklungsländern ist der Staat oft nicht in der Lage, den Schutz von Mensch und Umwelt gegenüber den Aktivitäten international tätiger Konzerne zu garantieren. Viele multinationale Unternehmen sind in der Schweiz beheimatet. Pro Kopf der Bevölkerung zählt unser Land weltweit die höchste Dichte an international tätigen Firmen und ist Nummer zwei, was die Direktinvestitionen im Ausland betrifft.

Der Trafigura-Skandal ist leider kein Einzelfall. Immer wieder sind Schweizer Konzerne im Ausland – vor allem in der Dritten Welt – in Raubbau an der Natur und Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Juristisch sind sie dafür kaum einklagbar. Bundesrat und Parlament waren bisher nicht bereit, den erforderlichen nächsten Schritt zu machen und rechtlich verbindliche Anforderungen an Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu formulieren. Das will eine Koalition von 50 Nichtregierungsorganisationen, der auch Greenpeace angehört, nun ändern: Mit ihrer Volksinitiative «für verantwortungsvolle Konzerne – zum Schutz von Mensch und Umwelt (Konzernverantwortungsinitiative)» wollen sie in der Schweiz eine Sorgfaltsprüfungspflicht für alle Schweizer Unternehmen gesetzlich verankern. Diese umfasst eine Risiko-Abschätzung, Massnahmen zur Vermeidung und Beendigung allfälliger Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sowie eine umfassende Berichterstattung darüber. Die Sorgfaltsprüfungspflicht erstreckt sich auf alle Geschäftsbeziehungen einer Firma und orientiert sich an den UNO-Leitprinzipien.

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