Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN hat gravierende Mängel festgestellt beim Bau des AKW Flamanville. Die Erkenntnisse könnten nicht nur das Ende dieses Möchtegern-Vorzeigereaktortyps bedeuten, sie könnten AKW-Hersteller Areva definitiv ruinieren. Das hätte auch Folgen für die Schweiz.

Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN hat gravierende Mängel festgestellt beim Bau des AKW Flamanville. Die Erkenntnisse könnten nicht nur das Ende dieses Möchtegern-Vorzeigereaktortyps bedeuten, sie könnten AKW-Hersteller Areva definitiv ruinieren. Das hätte auch Folgen für die Schweiz.


2007 blockierten Greenpeace-Aktivisten die AKW-Baustelle in Flamanville – nun könnte ein Baupfusch das definitive Ende des Prestigeprojekts bedeuten

EPR steht für European Pressurized Water Reactor. Der Name steht auch für die Träume der Atomindustrie, mit diesem neuen Reaktortyp das AKW-Zeitalter noch einmal zu verlängern. Der EPR galt einst als Vorzeigemodell der neusten technischen Errungenschaften französischer Atomtechnologie. Doch aus dem einstigen Traum wird immer mehr ein Albtraum.

Beim Herzstück geschlampt
Der jüngste Fall aus der Pannenserie des EPR ist besonders gravierend. Denn offenbar hat die Herstellerfirma Areva ausgerechnet beim Herzstück der Anlage geschlampt: Das Reaktordruckgefäss des im Bau befindlichen AKW Flamanville weist gemäss der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN «sehr ernste Anomalien» auf. Und wahrscheinlich ist Flamanville kein Einzelfall. Die ASN hat die zuständigen Behörden in China gewarnt, wo Reaktoren des gleichen Typs im Bau sind. Auch sie sind gemäss ASN möglicherweise betroffen, ebenso wie vorgefertigte Teile für geplante Neubauten in England und den USA.

Das Reaktordruckgefäss ist die wichtigste Sicherheitsbarriere eines AKW. Es muss auch bei schwersten Unfällen den Austritt radioaktiver Stoffe in die Umwelt verhindern. Schon im Normalbetrieb ist das Gefäss enormem Druck und hohen Temperaturen ausgesetzt. Ist es nicht absolut robust, kann das bei einem Unfall verheerende Folgen für Mensch und Umwelt haben.

Areva vor dem Aus
Bestätigt sich der ernste Verdacht der französischen Aufsichtsbehörde, so ist das ein weiterer herber Schlag für den ohnehin schon finanziell schwer angeschlagenen AKW-Bauer Areva. Die notwendigen Untersuchungen und Bauverzögerungen werden dem französischen Staatskonzern so oder so weitere Verluste in Milliardenhöhe verursachen. Und nun ist offenbar selbst der französische Staat nur noch beschränkt gewillt, solche Defizite zu tragen. In Finanzkreisen ist von einer Teilübernahme der Areva durch die Energie de France (EdF) die Rede – das wäre lediglich eine weitere Etappe des Niedergangs von Areva.

Schweizer AKW abhängig von Areva
Eine Pleite von Areva hätte wohl Folgen für die Schweiz. Denn der französische Konzern ist der wichtigste Lieferant der Schweizer AKW: von der Uranbeschaffung über die Fertigung der Brennelemente und der Überprüfung der technischen Sicherheit bis hin zu Nachrüstungen. Insbesondere bei den letzten zwei Punkten würde sich im Fall einer Pleite von Areva die Frage stellen, wer solche Arbeiten in Zukunft übernehmen würde – und mit welchen Kosten dies verbunden wäre.

Das Originalinterview mit ASN-Präsident Pierre-Franck Chevet auf «Les Echos» (französisch)

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