Am Amazonas-Fluss Tapajós soll ein Mega-Staudamm entstehen – auf Kosten von Menschen und Natur. Greenpeace prüfte das Projekt. Und entdeckte Korruption und Gewissenlosigkeit.

Am Amazonas-Fluss Tapajós soll ein Mega-Staudamm entstehen – auf Kosten von Menschen und Natur. Greenpeace prüfte das Projekt. Und entdeckte Korruption und Gewissenlosigkeit.


Am Tapajós-Fluss im brasilianischen Amazonas protestieren Angehörige des indigenen Munduruku-Volkes gegen den Bau von Staudämmen. Die Aktion fand im November vergangenen Jahres gemeinsam mit Greenpeace-Aktivisten statt.

©Bruno Kelly

 

Flüsse mit einer Länge von rund 100.000 Kilometern: Durchs Amazonasgebiet windet sich das größte Netzwerk an Wasserläufen auf unserer Erde. Einer der schönsten und wichtigsten darin ist der Tapajós. Im Bundesstaat Pará mündet er in den Amazonas. Dunkles Wasser, zahlreiche Stromschnellen, Strände und Wasserfälle umrahmt von unberührtem Wald und ein Paradies der Artenvielfalt: So präsentiert sich der Tapajós, bevor er in den mächtigen Amazonasstrom mündet.



Doch ausgerechnet dort am Tapajós will die brasilianische Regierung nun neue Wasserkraftwerke bauen – und Energie produzieren, um jeden Preis. Mindestens 40 große Staudämme mit mehr als 30 Gigawatt maximaler Leistung entstehen in Brasilien gerade oder sind in Planung. Fünf von ihnen haben für die brasilianische Regierung eine besonders hohe Priorität, darunter auch der São-Luiz-do-Tapajós-Damm, das größte der Projekte. Gerade wurden offiziell die möglichen Umweltauswirklungen des Mega-Damms auf die Region geprüft. Dabei ging man jedoch genauso unseriös vor, wie bereits bei vergangenen Staudamm-Bauprojekten.

STAUDAMM BEDROHT LEBENSRÄUME

Dabei ist der Tapajós mit seinem Wechsel von Überschwemmungenen und Perioden, in denen die Ufer austrocknen, Lebensgrundlage einer besonderen Artenvielfalt. Und er ist die Heimat von Tausenden Angehörigen indigener Völker sowie anderer Flussanwohner. In der Region besteht zwar ein Mosaik aus zehn Naturschutz- und 19 Indigenen-Gebieten; von diesen sind allerdings nur vier offiziell ausgewiesen und bieten somit unzureichend Schutz.


Am Tapajós: ein Angehöriger der Munduruku mit Luciano Naka von der Universität Pernambuco. Der Wissenschaftler koordinierte die Erstellung einer von Greenpeace Brasilien in Auftrag gegebenen Studie. Darin wird belegt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung, die die Regierung des Landes für den Bau des Staudamms am Tapajós in Auftrag gegeben hat, mangelhaft ist. ©Lunaé Parracho / Greenpeace

 

WÄLDER VERSCHWINDEN VON DER LANDKARTE

Dieser Missstand würde sich noch verschärfen, wenn das São-Luiz-do-Tapajós-Kraftwerk gebaut wird. Eine 53 Meter hohe und 7,6 Kilometer lange Mauer soll dann den Flusslauf durchziehen; das würde ein riesiges Gebiet 123 Kilometer entlang des Tapajós-Flusses und 76 Kilometer entlang des Flusses Jamanxim östlich davon beeinträchtigen.



Dadurch würden rund 37.600 Hektar Amazonaswald von der Landkarte verschwinden. Die natürlichen Überschwemmungs- und Dürreperioden würden entfallen; das würde zu einem immensen Verlust der Artenvielfalt führen. Indigene und Flussanwohner müssten zwangsweise umgesiedelt werden – soziale Konflikte wären dabei programmiert.



Im Dorf Dace Waptu im brasilianischen Bundesstaat Pará diskutieren Angehörige des Volkes der Munduruku mit Behördenvertretern und Wissenschaftlern über den geplanten São-Luiz-do-Tapajós-Staudamm und dessen Auswirkungen auf Menschen und Natur im Amazonasgebiet.
© Lunaé Parracho / Greenpeace

 


Dennoch nimmt die brasilianische Regierung die für die Genehmigung des Projektes obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf die leichte Schulter: Obwohl derartige Prüfungen eigentlich feststellen sollen, ob ein Projekt aus ökologischer Sicht tragbar ist, degradiert sie sie derzeit zu Formsachen. Diese legitimieren nurmehr dubiose Entscheidungen, die bereits gefällt worden sind.
 


Die Umweltverträglichkeitsprüfung für das São-Luiz-do-Tapajós-Wasserkraftwerk ist dafür ein weitere Beispiel. Der Konzern, der die Prüfung und den dazu gehörigen Bericht in Auftrag gegeben hat, ist derselbe, der maximales Interesse an dem Projekt hat: Eletrobas, eine der größten Energiefirmen in Lateinamerika. Sie legte der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA die zweifelhafte UVP im August 2014 vor.

GREENPEACE-ANALYSE: UMWELTVERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG MANGELHAFT

Greenpeace beauftragte daher führende Wissenschaftler der Fachrichtungen Klima, Soziales und Biodiversität, eine Analyse dieser Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen. Das Papier und der dazugehörige Bericht legen schwere Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung offen.
 


So sollte diese eigentlich die direkten und indirekten Auswirkungen des Kraftwerkbaus auf Wasser, Luft, Klima, Böden, Flora und Fauna beleuchten; sie sollte die Konsequenzen für die natürlichen Ressourcen kritisch begutachten. Tatsächlich verschweigt die Prüfung jedoch die wahren Auswirkungen auf Mensch und Natur.
 


So erfasst die UVP beispielsweise nicht die Arten der Uferzonen, Inseln und des Flussbettes, obwohl genau diese Bereiche am meisten von der dann ausbleibenden Überflutung betroffen sind. Die aktuelle Version der Prüfung zeigt auch nicht, welche Arten auf lokaler, regionaler oder globaler Ebene durch den Bau des Kraftwerks gefährdet werden.

MISSACHTUNG DER RECHTE INDIGENER VÖLKER

Der Teil der UVP, der sich mit den Auswirkungen des Kraftwerkbaus auf die in der Region lebende indigene Bevölkerung beschäftigt, wurde viel zu spät als Anhang beigefügt: Monate, nachdem der Rest des Berichts bereits abgeschlossen war. Ein klares Indiz dafür, dass die Rechte der Indigenen hier nicht ernst genommen werden.
 



Bei Treffen mit Staatsvertretern und Wissenschaftlern führen Männer des Munduruku-Volkes einen rituellen Kreistanz auf. Damit ehren sie den Fluss, den Wald, alles Leben darin – die Natur, die der Staudamm gefährden oder gar zerstören würde.

 

Um die Umsiedelung der indigenen Bevölkerungsgruppen zu rechtfertigen, die die Ufer des Tapajós bewohnen, ignoriert die UVP sogar die brasilianische Verfassung: Die schreibt vor, dass indigene Gruppen nur dann umgesiedelt werden dürfen, wenn Katastrophen oder Seuchen die Bevölkerung gefährden könnten.

BRASILIEN MUSS AUF SAUBEREN ENERGIEMIX UMSTELLEN


Der Tapajós aus der Luft. Der Fluss ist Lebensgrundlage für indigene Völker wie die Munduruku und für andere Anwohner. Würde der Mega-Staudamm gebaut, durchzöge eine 53 Meter hohe und 7,6 Kilometer lange Mauer den Flusslauf. Natürliche Überschwemmungs- und Dürreperioden blieben aus, die Artenvielfalt ginge verloren,Menschen müssten zwangsweise umgesiedelt werden.

 

Aus all diesen Gründen kommt die von Greenpeace in Auftrag gegebene Analyse zu dem Schluss, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung von der Genehmigungsstelle abgelehnt werden muss. Denn schon jetzt basieren 97 Prozent des brasilianischen Energie-Mixes auf Wasserkraft. Höchste Zeit also für die brasilianische Regierung, umzudenken: Statt das Amazonasgebiet mit seinen Flüssen und Wäldern weiter zu zerstören, muss das Land im großen Stil in saubere, erneuerbare und urwaldschützende Energiequellen wie Wind und Sonne investieren.

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