Schweizer Pensionskassen behandeln das Thema Nachhaltigkeit stiefmütterlich. Das bestätigt die Analyse entsprechender Dokumente, die Greenpeace Schweiz dank engagierter Versicherten einsehen konnte. Die Vorsorgeeinrichtungen integrieren den Schutz des Klimas und der Biodiversität kaum konsequent in ihre Investitionsprozesse und -entscheide und nutzen ihre Einflussmöglichkeiten auf die investierten Unternehmen ungenügend. Greenpeace Schweiz fordert ab 2030 ein Verbot von Investitionen in Unternehmen, deren Geschäftstätigkeiten nicht vereinbar sind mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und dem Schutz der Biodiversität. 

Nur wenige Pensionskassen informieren transparent und öffentlich über ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Darum hat Greenpeace Schweiz Anfang Februar das Online-Tool «PensionWatch» lanciert, mit dem Versicherte ihrer Pensionskasse konkrete Fragen zu deren Nachhaltigkeit stellen konnten. In den vergangenen Wochen gelangten so rund 1’200 Versicherte an über 130 Pensionskassen. Doch längst nicht alle Vorsorgeeinrichtungen reagierten: Am Ende lagen nur Antworten von 46 Kassen vor. Zusammenfassend kommt Greenpeace Schweiz nach der Durchsicht der ihr vorliegenden Antworten zum Schluss: 

Die Bereitschaft, die eigenen Versicherten transparent und umfassend über die Nachhaltigkeitsstrategie zu informieren, ist klein. Selbst öffentlich-rechtliche Anstalten wie die Pensionskassen der Kantone Zug, Schaffhausen, Jura und Genf haben nicht auf die Kontaktaufnahme ihrer Versicherten reagiert. Auch nicht grosse Vorsorgeeinrichtungen wie Complan, die Pensionskasse der Swisscom, und die Sammelstiftung Helvetia. 

Die systematische Dekarbonisierung ihres Anlageportfolios gehen erst wenige Pensionskassen an. Zudem fehlen oft Zwischenziele. Ein langfristiges 2050-Klimaziel ist jedoch nichts wert, wenn keine Zwischenziele das Tempo der Emissionsreduktionen vorgeben. Dass es geht, zeigen zum Beispiel die Migros-Pensionskasse und die Publica. 

Die überwiegende Mehrheit der Vorsorgeeinrichtungen nutzt ihre Einflussmöglichkeiten auf die investierten Unternehmen via Stimmrecht und Engagement-Prozessen noch viel zu wenig zugunsten von Nachhaltigkeitszielen. Falls die Pensionskassen ihre Stimmrechte überhaupt einsetzen, überlassen sie die Entscheidung meist ihren Asset Managern, die hauptsächlich im Sinne von kurzfristiger Rendite handeln. Wenige positive Ausnahmen wie die Retraites Populaires, Abendrot und Previs geben an, ihre Stimmrechte zugunsten von Nachhaltigkeitszielen zu nutzen, indem sie den Empfehlungen von Dienstleistern wie ETHOS, EOS at Federated Hermes, ISS-ESG oder Inrate folgen. 

Für eine Einflussnahme mittels Engagement-Dialogen organisieren sich die nachhaltigen Kassen in Engagement-Pools. Dies ist grundsätzlich positiv. Doch die Anzahl der Unternehmen, auf welche die Pools Einfluss nehmen, ist beschränkt und müsste ausgeweitet werden. Auch sollten sich die Pensionskassen in ihren Pools noch stärker für Aktionärsanträge zugunsten von mehr Nachhaltigkeit bei den investierten Unternehmen engagieren. 

Bei Investitionen in Nachhaltigkeitslösungen mittels Impact Investments herrscht ein unklares und uneinheitliches Verständnis, was darunter tatsächlich zu verstehen ist. Eine Einordnung und Bewertung der Aussagen zu diesem Thema sind nicht möglich. «Es scheint, dass sich Pensionskassen vor Begriffen wie Impact Investing scheuen, weil es dafür keine allgemeingültige Definition gibt und daher rasch Greenwashing-Vorwürfe im Raum stehen könnten oder dies andersherum sogar als entgegen ihrem rechtlichen Auftrag erachtet werden könnte», sagt Niki Vischer, Expertin für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. «Fehlende Definitionen und Einigkeit bezüglich nachhaltigem Anlegen ist in der Finanzwelt grundsätzlich ein grosses Problem. Es braucht dringend verbindliche Mindestanforderungen für sogenannt nachhaltige Anlagen.»

Greenpeace fordert Verbot von klimaschädlichen Investitionen

Peter Haberstich, Experte für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz, zieht ein ernüchterndes Fazit: «Die meisten der angeschriebenen Pensionskassen drücken sich vor einer Antwort. Wir haben darum wohl grösstenteils Rückmeldungen von Pensionskassen bewertet, die sich teilweise schon für den Schutz des Klimas und der Biodiversität und damit für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen engagieren. Aber auch bei diesen Einrichtungen besteht noch viel Luft nach oben. Das lässt wenig Gutes für die gesamte Branche erahnen.»

Greenpeace Schweiz fordert, dass Pensionskassen dazu verpflichtet werden, 

  • sofort Transparenz über ihre Nachhaltigkeitsstrategie herzustellen, 
  • noch dieses Jahr ihre Portfolios an den Pariser Klimazielen und an einer Wiederherstellung der Biodiversität auszurichten 
  • und als engagierte Miteigentümerinnen darauf hinzuwirken, dass alle investierten Unternehmen zu nachhaltigem Handeln verpflichtet werden. 

Ab 2030 soll es Vorsorgeeinrichtungen zudem verboten sein, in Unternehmen zu investieren, deren Geschäftstätigkeiten nicht mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und dem Schutz der Biodiversität vereinbar sind. 

«Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist die Basis des Wohlstands und gehört deshalb zum Kernauftrag jeder Vorsorgeeinrichtung – im Interesse ihrer Versicherten», sagt Peter Haberstich.


Über 19’000 Menschen fordern nachhaltige Pensionskassen

Letztes Jahr hat Greenpeace Schweiz in einem Bericht die durchschnittlichen Investitionen der Schweizer Pensionskassen in Regenwald zerstörende Unternehmen berechnet und aufgezeigt: Die Vorsorgeeinrichtungen sind mit mindestens 60 Milliarden Franken in Unternehmen investiert, die für die Abholzung von tropischen Wäldern besonders verantwortlich sind. Eine daraufhin gestartete Petition an die Pensionskassen, den Schweizerischen Pensionskassenverband ASIP und die Politik haben bis heute über 19’000 Menschen unterzeichnet. Sie alle fordern: 

Die Pensionskassen müssen ihr gesamtes Handeln an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Insbesondere bezüglich Klima, Artenvielfalt und sozialverträglicher Transition. Sie müssen über ihre Strategie und ihre Fortschritte grösstmögliche Transparenz herstellen.

Heute hat Greenpeace Schweiz die Petition für nachhaltige Pensionskassen bei rund 750 Pensionskassen, beim Schweizerischen Pensionskassenverband ASIP, beim Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und dem Parlament eingereicht. 


Mehr Informationen

Kontakte 

  • Peter Haberstich, Experte für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz, +41 76 337 44 49, [email protected]    
  • Niki Vischer, Expertin für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, [email protected] 
  • Medienstelle Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, [email protected]