Der Vertreter des Bundesrates hat in der heutigen Verhandlung in Strassburg den KlägerInnen indirekt recht gegeben. Er gestand ein, dass das Schweizerische Atomrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstösst. Allerdings bestritt er die Anwendbarkeit der EMRK in dieser Frage.
Strassburg. Der Vertreter der KlägerInnen, Rechtsanwalt Rainer Weibel, legte in seinem Plädoyer dar, dass die Schweiz in ihrer Atomgesetzgebung, im Gegensatz zu andern europäischen Staaten wie Frankreich oder Deutschland, keine Appellationsmöglichkeit kennt. Weibel schloss sein Plädoyer mit der Frage an die Richter, ob die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl nicht hätte verhindert werden können, wenn in der damaligen UdSSR ein unabhängiges Gericht die AKW-Bewilligung hätte überprüfen können. Der Argumentation der KlägerInnen-Seite hatte der offizielle Schweizer Vertreter, Philippe Boillat, wenig entgegen zu setzen. Er gestand indirekt zu, dass das Fehlen einer unabhängigen Berufungsinstanz im schweizerischen Atomrecht gegen die EMRK verstösst. Er bestritt jedoch, dass die Konvention auf Fragen des Atomrechts anwendbar sei. Die Anwendung der Atomenergie sei in der Schweiz Gegenstand von demokratischen Entscheidungen, welche den individuellen Menschenrechten übergeordnet seien. Deshalb, so Boillat, könne der Schutz von Leib, Leben und Eigentum vor den Gefahren der Atomenergie in der Schweiz gerichtlich nicht durchgesetz werden. Neun Bewohnerinnen der Zone 1 um das AKW Mühleberg haben 1993 Klage gegen die Erteilung der AKW-Betriebsbewilligung wegen Verletzung der Menschenrechte eingereicht. Nachdem die KlägerInnen in zwei Zwischenentscheiden und dem Schlussentscheid der EMRK-Kommisssion Recht erhielten, ist die Veröffentlichung des letzinstanzlichen Entscheides des EMRK-Gerichtshofs auf Mitte Jahr zu erwarten.
Kontakt: Verein Mühleberg unter der Lupe, Postfach 6307, 3001 Bern