Neues aus dem Filz zwischen AKW-Betreibern und den (Überwachungs-)Behörden. Greenpeace wurde ein Protokoll einer vetraulichen Sitzung der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) vom Anfang dieses Jahres zugespielt. Das Protokoll enthält brisante Äusserungen zum Thema Atommüllentsorgung und zeigt einmal mehr: Wenn es um Atomenergie und deren Müllprobleme geht, dann sind AKW-Lobby und Behörden «eine schrecklich nette Familie».
Zürich. Im Protokoll tönt das Kommunikationskonzept der Nagra so: «Wesentlich ist eine Rollentverteilung zwischen Nagra, den Betreibergesellschaften und den Werken. Die Nagra muss sich als international anerkanntes, unabhängiges technisch-wissenschaftliches Kompetenzzentrum für die Entsorgung radioaktiver Stoffe positionieren. Sie arbeitet als Genossenschaft in öffentlichem Interesse mit einem Auftrage des Bundes». In Wahrheit aber zielt die Nagra direkt auf die politische Einflussnahme bei energiepolitischen Entscheiden, die wissenschaftliche Arbeit wurde nämlich bei der Tagung gar nicht thematisiert. Im Nagra-Strategiepapier werden Themen wie «Globale Perspektiven der Kernenergienutzung», «Marktöffnung» oder «Energiedialog» analysiert und anschliessend die politischen Massnahmen formuliert. So soll beispielsweise eine Kollision der Atomenergiegesetz-Vernehmlassung mit dem zweiten Anlauf für ein Konzessionsgesuch am Wellenberg, welches auf Ende 1999 vorbereitet wird, vermieden werden. Ausserdem wird befürchtet, dass die Alpenkonvention das Projekt «Endlager Wellenberg» gefährden könnte. Die nationale Entsorgungsfirma für Atommüll ist auch um eine Stellungnahme zuhanden ihrer Arbeitgeber nicht verlegen: Zur Marktöffnung strebt die Nagra (sic!) eine Senkung der Stromerzeugungskosten aus Atomkraftwerken auf unter 5 Rp./kWh an. Massnahmen sieht die Nagra in der Erhöhung der Verfügbarkeit der Werke, in der Senkung der Betriebs- und Instandhaltungskosten, in der Senkung der Entsorgungskosten und der Effizienzsteigerung bei den Behörden. Im Klartext: Weniger Sicherheit, mehr Gewinn. Unter Beteiligung des Bundes spielt die Nagra damit schamlos Interessenvertretung der Atomindustrie und zeigt in nicht zu überbietender Weise auf, wie in der Schweiz die Atomwirtschaft, Bundesbhörden und Teile der Wissenschaft heillos verfilzt sind. Greenpeace hat bereits im Zusammenhang mit den Atomtransporten eine Parlamentarische Untersuchungskommission gefordert. Das neueste Greenpeace zugespielte Dokument zeigt: Der Vetternwirtschaft von Atomeneggielobby und Behörden muss dringend ein Riegel geschoben werden. Auch das Thema Wiederaufarbeitung hat die Nagra nicht ausgelassen. Als mittelfristige Massnahme will sie die «Akzeptanz» für diese menschengefährdende Technologie erreichen und die Möglichkeit weiterer Atommülltransporte sicherstellen. Greenpeace und Kläger aus der Umgebung der Wiederaufarbeitungsanlagen hatten am Dienstag auf die verheerenden Auswirkungen der Wiederaufarbeitung an einer Pressekonferenz aufmerksam gemacht. Greenpeace lädt nun die Mitglieder der parlamentarischen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) zu einer Reise in die betroffene Region La Hague in der Normandie ein.
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