Die neue Greenpeace-Untersuchung «Pestizide in der Schweizer Luft» ist besorgniserregend. Sie zeigt: Pestizide verbreiten sich stärker via Luft als gedacht. Die Drift von teils hochbedenklichen chemisch-synthetischen Substanzen ist für Bio-Bauern ein grosses Problem und stellt für LandwirtInnen sowie für AnwohnerInnen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Greenpeace fordert ein Massnahmenpaket zum Schutz der Umwelt, der Bevölkerung und des Biolandbaus.
Von Mai bis November 2019 haben WissenschaftlerInnen des Umweltinstituts München im Auftrag von Greenpeace Schweiz auf vier Bio-Betrieben mit so genannten Passivsammlern die Drift von Pestiziden in der Luft untersucht. Ausgewählt wurden biologisch bewirtschaftete Betriebe: ein Weinbaubetrieb im Wallis, je ein Ackerbaubetrieb in der Nordwestschweiz und im Mittelland (beide im Kanton Aargau) sowie ein Obstbaubetrieb in der Ostschweiz (Thurgau). An allen Standorten wurde eine Mehrfach-Belastung festgestellt: Insgesamt wurden 25 verschiedene Pestizide nachgewiesen, die teilweise als sehr giftig für den Menschen gelten und hochproblematisch sind für die Umwelt. Die höchste Belastung wurde in den Walliser Bio-Reben gemessen. Nicht-Bio-Winzer in der Gegend bringen Pestizide teils mit Helikoptern und Drohnen aus. David Herrmann, Verantwortlicher Medienstelle bei Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Bio-Produzenten, stellt klar: «Bio Suisse war nicht an der Erstellung der Studie beteiligt. Abdrift ist für Bio-Bauern ein Problem. Sie bringen vollen Einsatz für eine Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide und trotzdem belastet die Abdrift ihre Kulturen. Im schlimmsten Fall müssen sie ihre Produkte deklassieren, mit dramatischen finanziellen Konsequenzen. Das wollen wir so nicht hinnehmen.»
Kilometerweite Verbreitung von problematischen Pestiziden
Die Messungen bestätigen kürzlich in Deutschland veröffentlichte Recherchen. Auch bei korrekter Anwendung kommt es zu Ferntransport von Pestiziden. Selbst Stoffe, die kaum flüchtig sind, wie zum Beispiel das Herbizid Glyphosat, verbreiten sich, an Staubpartikeln haftend, mit dem Wind. Sie kontaminieren Ökosysteme sowie andere landwirtschaftliche Kulturen und stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko für LandwirtInnen und AnwohnerInnen dar. «Unsere Untersuchung zeigt, dass es in der Schweiz – wie in anderen Ländern auch – ein Problem mit der Luftverfrachtung von Pestiziden gibt. Die chemisch-synthetischen Substanzen verbleiben nicht an ihrem Einsatzort, sondern werden zum Teil mehrere Kilometer weit getragen», sagt Alexandra Gavilano, Leiterin Landwirtschaft und Klima bei Greenpeace Schweiz. «Doch das Problem wird einfach ignoriert: Weder gibt es ein nationales Monitoring zur Abdrift von Pestiziden noch Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen für LandwirtInnen und AnwohnerInnen.»
Bund und Kantone sind gefordert
Die Politik muss endlich aus ihrem agrarpolitischen Lockdown erwachen. Greenpeace fordert von Bund und Parlament ein Massnahmenpaket: Die im Rahmen der AP22+ diskutierte Ökologisierung der Landwirtschaft ist trotz Widerstands der Agrarlobby schleunigst anzugehen. Das Ausbringen von Pestiziden mit Helikoptern muss verboten, der Drohnen-Einsatz stärker reglementiert werden. Behörden und Politik sollen sicherstellen, dass der Biolandbau vor Pestizid-Drift geschützt wird und die Bio-KonsumentInnen ihre Wahlfreiheit behalten. Unabhängige Studien, die untersuchen, ob bestimmte, immer wieder mit Pestiziden in Verbindung gebrachte Erkrankungen wie Parkinson, ALS und NH-Lymphome in Regionen mit hohem Pestizid-Einsatz überdurchschnittlich oft vorkommen, sind überfällig – ebenso wie ein permanentes, landesweites digitales Monitoring der Verwendung und Luftverbreitung von Pestiziden, um entsprechend dem Vorsorgeprinzip die Bevölkerung besser schützen zu können. Wer biologisch produzierte Lebensmittel einkauft, unterstützt den dringend nötigen Wandel unseres Ernährungssystems.
Weitere Informationen:
Den Report «Pestizide in der Schweizer Luft» finden Sie hier.
Allgemeine Bilder zum Thema Pestizide finden Sie auf unserer Fotodatenbank.
Kontakte:
Alexandra Gavilano, Leiterin Landwirtschaft Greenpeace Schweiz, Tel. +41 44 447 41 38, [email protected]
David Herrmann, Verantwortlicher Medienstelle Bio Suisse, Tel. 061 204 66 46, [email protected]
Medienstelle Greenpeace Schweiz, Tel. 044 447 41 11, [email protected]