Aller alarmierenden Befunde aus der Wissenschaft zum Trotz: Eine Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrats will das Trinkwasser nicht wirksamer vor Pestiziden und Nährstoffen schützen.

  • Die vom Ständerat vorgeschlagene Verbesserung des Trinkwasserschutzes wurde zunichte gemacht. 
     
  • Ein Absenkpfad auf Nährstoffe ist richtig, die dafür nötigen Instrumente aber bei Weitem nicht ambitioniert genug. 
     
  • Der Stillstand, den die Agrarlobby verteidigt, bringt Insekten und Vögel noch stärker in Bedrängnis und beeinträchtigt die Wasserqualität.

Mehr als eine Million Menschen in der Schweiz trinken Wasser, welches den gesetzlichen Anforderungen für Trinkwasser nicht entspricht. Warum? Weil das Wasser mehr Rückstände von Pestiziden enthält, als gesetzlich erlaubt ist. Der Schutz des Trinkwassers müsste ganz oben auf der politischen Prioritätenliste stehen. «Ohne Verbesserung des Vorsorgeprinzips, werden wir weitere katastrophale Situationen wie im Fall Chlorothalonil nicht vermeiden können», sagt Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft vom WWF Schweiz. Doch statt die Menschen und die Natur besser vor schädlichen Einwirkungen durch Pestizide zu schützen, hat die Mehrheit der Kommission des Nationalrats heute Verbesserungen zum Schutz des Trinkwassers zunichte gemacht.

Auch bei den Nährstoffüberschüssen schlägt die Mehrheit der Kommission eine absolute Minimallösung vor. Die Schweiz weist jedoch enorme Stickstoff- und Phosphor-Überschüsse auf. «Mit 97’344 Tonnen Stickstoffüberschuss pro Jahr seit nunmehr 20 Jahren gehört die Schweiz zu den flächenbezogen grössten Emittenten Europas», sagt Alexandra Gavilano, Projektleiterin Landwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. Die Überschüsse gefährden die Artenvielfalt und belasten die Luft- und Wasserqualität sowie das Klima. Die Folgen für die Umwelt und für uns Menschen sind gravierend.

Absenkpfad reicht niemals aus

Angesichts dieser Tatsachen hätte sich die Kommission nebst dem unbestrittenen Absenkpfad für Pestizide für einen ambitionierten Absenkpfad für Nährstoffe aussprechen müssen. Das Ergebnis ist jedoch inakzeptabel: im Gesetz werden keine Ziele verankert, es wird kein Monitoring zur Beurteilung der Zielerreichung aufgenommen und es gibt keine Massnahmen im Fall einer Zielverfehlung. Sogar die von den Kantonen geforderten Lenkungsabgaben fanden keine Mehrheit. Dieser Absenkpfad wird nicht ausreichen, um die massiven Probleme anzugehen.

«Es bräuchte eigentlich eine Reduktion von mindestens 40 Prozent, damit die Tragfähigkeit der Ökosysteme berücksichtigt und das aktuelle Umweltrecht respektiert sind», erklärt Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft bei BirdLife Schweiz.

«Die Agrarlobby hat bereits in der Kommission des Ständerates verhindert, dass die Agrarpolitik AP22+ beraten wird und sich für eine Sistierung der bundesrätlichen Vorlage ausgesprochen. Nun zeigt sie ein weiteres Mal, dass sie kein Interesse an einer zukunftsfähigen, ökologischen Reform der Schweizer Landwirtschaft hat», sagt Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik bei Pro Natura. Die Agrarlobby verteidigt einen Stillstand, der Insekten und Vögel noch stärker in Bedrängnis bringt und die Wasserqualität beeinträchtigt. Ein Alarmzeichen unter vielen: Im letzten Jahr ist das Rebhuhn in der Schweiz ausgestorben, da es infolge der intensiven Landwirtschaft keinen Lebensraum mehr vorfand.

Jetzt muss der Nationalrat die Vorlage unbedingt korrigieren.

Kontakte

Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft, WWF Schweiz, [email protected], 079 352 09 47

Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik, Pro Natura, [email protected], 061 317 92 40

Alexandra Gavilano, Projektleiterin Landwirtschaft und Klima, Greenpeace Schweiz, [email protected], +41 44 447 41 38

Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, BirdLife Schweiz, [email protected], 079 810 04 80