Greenpeace hat 2006 im Basler Trinkwasser Schadstoffe nachgewiesen. Der Bund hat daraus die Konsequenzen gezogen und 2009 einen neuen Grenzwert (Toleranzwert) für Schadstoffe im Trinkwasser erlassen. Pikant: Diesen neuen Grenzwert kontrollieren die Industriellen Werke Basel (IWB) bzw. die Hardwasser AG nicht. Warum? Seit dem Greenpeace-Nachweis von Schadstoffen im Trinkwasser haben die IWB/Hardwasser AG ihre Analytik bei den GC/MS- Screenings runtergefahren. Diese Trinkwasser-Untersuchungen sind heute so unsensibel, dass der neue Grenzwert des Bundes gar nicht kontrolliert werden kann.
Rund 230’000 Menschen aus der Stadt und Agglomeration Basel trinken täglich das Wasser der IWB/Hardwasser AG. Dieses Trinkwasser stammt teilweise aus der Muttenzer Hard, wo es in unmittelbarer Nachbarschaft der Muttenzer Chemiemülldeponien von Novartis, BASF und Syngenta gewonnen wird. In diesem Trinkwasser hat Greenpeace 2006 Schadstoffe wie das genotoxische Hexachlorbutadien nachgewiesen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der benachbarten Chemiemülldeponie Feldreben stammen.
Trinkwasserverschmutzung mit technischem Trick verschwinden lassen
Wie haben aber die IWB/Hardwasser AG auf diese Schadstoffe im Trinkwasser reagiert? Zu erwarten wäre, dass sie die Untersuchungen intensivieren. Die beiden staatlichen Trinkwasserversorger aber machten das Gegenteil: Haben IWB/Hardwasser AG 2005 noch Schadstoffe mit 1 ng/l im GC/MS-Screening ausgewiesen, so schneiden sie heute Substanzen mit Konzentrationen von kleiner 100 ng/l einfach weg. Mit anderen Worten: Die Schadstoffe mit einer Konzentration unter 100 ng/l Trinkwasser schauen die IWB/Hardwasser AG gar nicht mehr an. Sie haben somit bei dieser Analysemethode die Bestimmungsgrenze um einen Faktor 100 verschlechtert. Die IWB/Hardwasser AG haben also mit einem Trick die Trinkwasserverunreinigung verschwinden lassen. Dies haben die Kantonalen Laboratorien Baselland und Basel-Stadt als Trinkwasserbehörden offensichtlich gutgeheissen.
Grenzwert der Lebensmittelverordnung seit 2010 nicht kontrolliert
Mit dieser Praxisänderung kontrollieren die IWB/Hardwasser AG einen Grenzwert (Toleranzwert ) nicht, den das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Folge des Nachweises von Schadstoffen im Basler Trinkwasser 2009 erlassen hat. Danach darf im Trinkwasser die Konzentration einer Substanz, die das Potential hat, das Erbgut zu verändern und/oder Krebs auslösen (genotoxisches Potential), maximal 100 ng/l betragen. Zur Überwachung dieses Grenzwerts reicht es nicht aus, nur Substanzen mit grösser 100 ng/l im GC/MS auszuwerten: „Man muss bei dieser Analysemethode GC/MS-Screening deutlich unter 100 ng/l gehen, um den Grenzwert von 100 ng/l zu überwachen», sagt Pierre Studer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zum Vorgehen der IWB/Hardwasser AG. Und Professor Michael Oehme, einst an der Universität Basel und heute als weltweit anerkannter Analytikexperte tätig, betont: „Wenn man bei 100 ng/l abschneidet und die Substanzen darunter nicht auswertet, ignoriert man die Messunsicherheit der Screeningmethode, welche bei ±100% liegt. So lässt sich ein Grenzwert von 100 ng/l nicht kontrollieren. Das ist nicht Stand der Technik und nicht in Übereinstimmung mit internationalen Normen. Eine Auswertung bis auf 50 ng/l ist absolut notwendig und ja auch für Grundwasser bei Chemiemülldeponien üblich. Es macht wenig Sinn, Grundwasser bei Deponien besser zu untersuchen als Trinkwasser.»
ADM konfrontieren IWB/Hardwasser AG
„Diese ewige Trickserei mit dem Trinkwasser geht mir gegen den Strich“, nervt sich Hanspeter Meier, Co-Präsident der Allianz Deponien Muttenz (ADM). Und Mirjam Kopp Greenpeace Schweiz meint: „Das ist eine veritable Ohrfeige für die Trinkwasser-KonsumentInnen, dass die IWB/Hardwasser AG ihre Analysen unempfindlicher fahren, als vor unseren Schadstofffunden von 2006..“ Deshalb hat die ADM die IWB/Hardwasser AG in zwei Gesprächen mit ihren Erkenntnissen konfrontiert. Als Folge davon werden IWB/Hardwasser AG die Nachweisgrenze beim GC/MS-Screening auf 50 ng/l Liter absenken. Dazu brauche es aber gewisse Anpassungen, die ca. drei Monate beanspruchen würden. Diese späte Einsicht ist erfreulich, kann aber nur ein erster Schritt sein. Denn: Die Analytik die IWB/Hardwasser AG künftig anwenden wollen, ist immer noch rund 50 Mal unsensibler als jene, die sie 2005 durchgeführt haben.
ADM fordert:
- Eine rückwirkende Auswertung der GC/MS-Daten von 2009–2014 mit der Bestimmungsgrenze von 50 ng/l.
- Eine zukünftige Auswertung der GC/MS-Screenings bis auf 20 ng/l, was dem heutigen Stand der Technik entspricht.
- Die Anwendung des seit 2002 existierenden Qualitätssicherungssystems für Analysen von Prof. Michael Oehme auch bei den IWB/Hardwasser AG.
- Eine systematische Kontrolle auf die Einhaltung aller Grenz- und Toleranzwerte der Lebensmittelverordnung durch die Kantonalen Laboratorien Baselland und Basel-Stadt.
- Keine Billigsanierung der Feldrebengrube. Um das Trinkwasser zu schützen müssen die Verursacher Novartis, Basf und Syngenta richtig, sicher und vollständig aufräumen.
Kontakt:
Martin Forter, Dr. Geograf und Altlastenexperte, 061 691 55 83
Weiteres zum Thema
- 03.12.2013 – BASF, Novartis und Syngenta wollen sich davon schleichen – die Kosten sollen die Steuerzahler/innen tragen
- 26.11.2013 – Teilsanierung Chemiemülldeponie Feldreben: BASF, Novartis, Syngenta und der Kanton Basel-Land nehmen Trinkwasserverschmutzung weiterhin in Kauf
- 29.04.2013 – Bisher unveröffentlichte, Industrie-interne Dokumente zeigen: Chemie verheimlicht in Muttenz Grenzwerte aus Monthey (VS) für Risikoschadstoffe
- 22.01.2013 – Sanierungsgremien Chemiemülldeponie Feldreben Muttenz: Dreistes Doppelspiel
- 18.07.2012 – Arbeitsplätze und Chemiemülldeponien in der Region Basel: Novartis und Roche räumen auf, BASF spielt auf Zeit – und zieht schrittweise ab
- 04.06.2012 – ADM lehnt eine Teilnahme an der Begleitkommission Feldreben zum jetzigen Zeitpunkt ab
- 12.11.2010 – Von den Chemiemülldeponien in das Trinkwasser von 200’000 Menschen