Die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC hat einen höchst fahrlässigen Entscheid gefällt: Sie gibt grünes Licht für das Wiederanfahren der beiden Reaktoren Doel 3 und Tihange 2. Greenpeace Schweiz kritisiert den Entscheid der FANC und warnt davor, daraus voreilige Rückschlüsse auf die Situation im Schweizer Uralt-AKW Beznau zu ziehen.
Die belgische Atomaufsichtsbehörde hat heute ihren Entscheid mitgeteilt, dass die beiden Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 wieder ans Netz dürfen. Beide Reaktoren stehen seit über einem Jahr still. Grund dafür sind tausende Risse, die im Reaktordruckbehälter (RDB) entdeckt wurden. Nun teilt die FANC mit, diese Risse (oder «Wasserstoff-Flakes», wie sie die Aufsichtsbehörde nennt) würden «kein unakzeptables Sicherheitsrisiko für die Reaktoren darstellen». Wie dieser Entscheid aber genau zustande gekommen ist, bleibt unklar: «Es bleiben mehr Fragen offen als beantwortet wurden», sagt Stefan Füglister, Atomexperte für Greenpeace. «Zwei von Rissen übersäte Reaktordruckbehälter auf dieser Grundlage wieder in Betrieb zu nehmen ist grobfahrlässig.»
Beznau ist nicht Doel oder Tihange
Die in Belgien entdeckten Risse führten dazu, dass auch in Schweizer AKW Ultraschallmessungen an den RDB durchgeführt wurden. Dabei kamen in Reaktor 1 des AKW Beznau Schwachstellen zutage. Nun wäre es aber höchst verfehlt, aus dem Entscheid der FANC Rückschlüsse auf die Situation in Beznau zu ziehen: «Der Entscheid in Belgien ist kein Freibrief für das Wiederanfahren von Beznau 1», betont Stefan Füglister. Die Situation ist aus verschiedenen Gründen nur sehr bedingt vergleichbar:
- Der Reaktordruckbehälter in Beznau besteht aus einem anderen Material (unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Stahllegierung) als die belgischen RDB
- Der Reaktordruckbehälter in Beznau ist 14 bzw. 13 Jahre länger in Betrieb als dessen Pendants in Tihange und Doel
- Aufgrund des längeren Betriebs muss man davon ausgehen, dass der RDB von Beznau stärker versprödet ist – was sich negativ auf die Sicherheit auswirkt
- Nach wie vor ungeklärt ist, ob die Risse in den belgischen Reaktoren aufgrund des laufenden Betriebs grösser werden – diese zentrale Frage muss auch in Beznau geklärt werden, bevor über eine Wiederinbetriebnahme überhaupt nachgedacht werden kann
Greenpeace fordert Berichte zu Beznau
Die genaue Situation in Beznau will die Betreiberin Axpo offenbar so lange geheim halten wie es geht. Man weiss in den Führungsetagen wohl, dass ein Wiederanfahren von Beznau 1 kaum gerechtfertigt werden kann. Greenpeace Schweiz fordert, dass der Bericht der Axpo an das ENSI lückenlos veröffentlicht wird. Es kann nicht Sache von einigen Ingenieuren sein zu bestimmen was als sicher gilt und der Bevölkerung zumutbar ist.
Für weitere Informationen:
Stefan Füglister, Atomexperte für Greenpeace Schweiz, +41 79 773 19 31
Thomas Mäder, Mediensprecher Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 74