Der Bundesrat hat heute die Teilrevision der Kernenergieverordnung verabschiedet. In einem beispiellosen Vorgehen torpediert er den Strahlenschutz im Atombereich und missachtet den Rechtsstaat sowie den Anspruch auf Rechtsschutz in grobem Masse. Implizit anerkennt er aber auch, dass die Axpo das Atomkraftwerk Beznau seit Jahren illegal betreibt – mit dem rechtswidrigen Segen des ENSI.
Offensichtlich traf die Beschwerde, die Anwohnerinnen und Anwohner von Beznau 2016 beim Bundesverwaltungsgericht gegen das ENSI und die Axpo eingereicht haben, einen wunden Punkt. Diese monierten, die Atomaufsichtsbehörde ENSI wende die geltende Gesetzgebung falsch an und lasse so einen Weiterbetrieb von Beznau zu, obwohl das AKW erhebliche Lücken bei der Erdbebensicherheit aufweist. Ohne das Prinzip der Gewaltenteilung einzuhalten und den Entscheid der Richter abzuwarten, hat der Bundesrat heute die Gesetzgebung in den entsprechenden Bestimmungen im Sinne von ENSI und Axpo abgeschwächt. Er will damit erreichen, dass Beznau ohne Konsequenzen über Jahrzehnte weiterbetrieben werden kann. Dass er damit gegen die Vorgaben des Kernenergiegesetzes und der Strahlenschutzverordnung verstösst, ist offenbar egal.
Bundesrat ignoriert breite Kritik
Dies ist umso stossender, als die Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung überwiegend kritisch ausgefallen sind. Zahlreiche Kantone, Städte und Gemeinden, Kantonsvertreter des Bevölkerungsschutzes, diverse Gesundheits-, Anwalts- und Umweltverbände sowie die zuständige Kommission für Strahlenschutz des Bundes kamen zum Schluss, dass die geplanten Verordnungsanpassungen zu einer Herabsetzung des Schutzniveaus für die Bevölkerung führen.
Zweifel auch im Ständerat
Damit nicht genug: Auch im Parlament wurden Fragen laut. So hat die ständerätliche Energiekommission jüngst einstimmig ein Postulat angenommen, das vom Bundesrat verlangt, die Auswirkungen der Revision auf den Schutz der Bevölkerung zu prüfen. Unbeeindruckt von aller Kritik und rechtsstaatlichen Grundsätzen brachte Doris Leuthard heute die Revision des Verordnungspakets in der Regierung durch. «Ein so umstrittenes Geschäft als letzte Amtshandlung einfach noch durchzupauken ist völlig unverantwortlich», sagt SES-Geschäftsleiter Nils Epprecht dazu.
Schutz der Bevölkerung steht hinten an
«Mit diesem Entscheid droht der beschlossene Atomausstieg zum Papiertiger zu werden», ergänzt Florian Kasser, Atomexperte bei Greenpeace Schweiz. Denn anstatt den Weiterbetrieb der überalterten Schweizer Atomkraftwerke an die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen zu knüpfen – wie im Abstimmungskampf zur Atomausstiegsinitiative und der Energiestrategie 2050 von Behördenseite immer betont wurde – werden diese nun einfach abgeschwächt.
Beschwerdeverfahren geht weiter
Die Anwohner von Beznau und die unterstützenden Organisationen geben allerdings ihren Einsatz gegen den illegalen Weiterbetrieb des AKW Beznau nicht auf. Sie werden ihre juristischen Mittel im hängigen Verfahren ausschöpfen, um das ENSI zu einer korrekten Anwendung des Rechts zu verpflichten. «Wie kann man den Schutz der Bevölkerung bloss derart ausser Acht lassen?» fragt Rudolf Rechsteiner, Vize-Präsident des Trinationalen Atomschutzverbandes (TRAS). «Wir hoffen, dass die Gerichte eine solche Änderung der Spielregeln während des Spiels nicht akzeptieren».
Weitere Informationen:
Nils Epprecht, Geschäftsleiter Schweizerische Energie-Stiftung, 077 455 99 79, [email protected]
Florian Kasser, Nuclear Campaigner, Greenpeace Schweiz,
076 345 26 55, [email protected]
Rudolf Rechsteiner, Vize-Präsident des Trinationalen Atomschutzverbandes TRAS, 079 785 71 82,
[email protected]
Im Namen des Vereins Beznau Verfahren:
Greenpeace Schweiz Schweizerische Energie-Stiftung SES TRAS Trinationaler Atomschutzverbund