Die Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag zur Atom-Initiative ist in vollem Gange. Greenpeace Schweiz deckt auf, dass der erläuternde Bericht des UVEK zum besagten Geschäft mit Ungenauigkeiten gespickt ist und diverse Lücken aufweist. Das Potenzial der Atomenergie für die Schweiz wird damit beschönigt. Greenpeace geht in einer neuen Publikation auf die problematischsten Punkte des erläuternden Berichts ein und fordert eine solidere Grundlage für die Atom-Debatte.
Der am 20. Dezember 2024 veröffentlichte, erläuternde Bericht vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK soll erklären, warum der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag zu der von Pro-Atom-Kreisen lancierten Initiative entworfen hat und den Atomausstieg rückgängig machen will. Der Bericht zeichnet zu schöne Aussichten für die Atomenergie in der Schweiz, insbesondere in Bezug auf die Kosten, die Bauzeiten der Reaktoren und die in der Entwicklung befindlichen Technologien sowie indem das Potenzial der erneuerbaren Energien systematisch unterschätzt wird. Einige besonders relevante Studien von international anerkannten Institutionen werden im Bericht zudem schlicht ignoriert.
Im Bericht schätzt der Bundesrat beispielsweise, dass sich die Gestehungskosten von Atomstrom in der Schweiz künftig auf zwischen 7 und 12 Rappen pro kWh belaufen werden. Für die im Bau befindlichen Reaktoren Hinkley Point in Grossbritannien oder Vogtle in den USA werden diese Kosten jedoch derzeit auf über 17 Rappen pro kWh geschätzt. Eine aktuelle Analyse der US-amerikanischen Investmentbank Lazard beziffert die Kosten auf 12,5 bis 20 Rappen pro kWh. Es gibt keine Argumente dafür, warum die Gestehungskosten von Atomstrom in der Schweiz geringer ausfallen sollten. Da diese Kosten über den Marktpreisen für Strom liegen, kann die Wettbewerbsfähigkeit der Atomkraftwerke nicht gewährleistet werden.
Weiter geht der Bericht davon aus, dass die Bauzeit für Atomreaktoren zwischen sieben und acht Jahren liegt. Doch die Realisierung der jüngsten Projekte in Europa dauerte deutlich länger. Der Bau des European Pressurised Reactors (EPR) in Olkiluoto in Finnland und des EPR in Flamanville in Frankreich dauerte 16 bzw. 17 Jahre. Der Bau der beiden EPRs in Hinkley Point wird mindestens 11 bis 13 Jahre dauern, der Bau der AP1000-Reaktoren Vogtle 3 und 4 in den USA hat rund 15 Jahre gedauert.
Der erläuternde Bericht enthält eine Reihe weiterer problematischer Argumente, insbesondere zum Potenzial der erneuerbaren Energien, zur Anzahl der im Bau befindlichen Atomkraftwerke und zur tatsächlichen Leistungsfähigkeit der in der Entwicklung befindlichen Technologien, allen voran der Small Modular Reactors.
Die wichtigsten Problempunkte zum erläuternden Bericht werden von Greenpeace Schweiz in einer heute veröffentlichten Analyse kommentiert.
«Das Problem ist, dass die Verfasser:innen des erläuternden Berichts die Schlussfolgerungen des bestehenden Technology Monitoring of Nuclear Energy für bare Münze genommen haben», sagt Nathan Solothurnmann, Experte für Energiefragen bei Greenpeace Schweiz. «Doch dieses Monitoring enthält Ungenauigkeiten und lässt diverse Fakten aus. Wir stellen die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit des Technology Monitoring of Nuclear Energy in Frage, zumal es keiner qualitativen Analyse unterzogen wurde und von Autor:innen mit einem Interessenkonflikt verfasst wurde. Das haben wir im September 2024 mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Bundesrat angeprangert. Diese Beschwerde wurde jedoch vom UVEK zurückgewiesen, ohne dass in der Antwort auf eine unserer inhaltlichen Kritiken eingegangen wurde. Bei einer solchen Reaktion kann man sich fragen, ob das Departement von Albert Rösti mit dem Sachverhalt tatsächlich vertraut ist.»
«Mit der Abstimmung über den Atomausstieg im Jahr 2017 und dem Urnengang über das Stromgesetz im Jahr 2024 haben die Wähler:innen ihren Wunsch klar zum Ausdruck gebracht, dass unser Land aus der Atomenergie aussteigen und die Energiewende mit erneuerbaren Energien konsequent verfolgen soll», sagt Nathan Solothurnmann. «Mit diesem erläuternden Bericht wird deutlich, dass das UVEK den Auftrag, den es von der Bevölkerung erhalten hat, nicht wahrnimmt. Angesichts der Bedeutung der Atom-Debatte über unsere Energiezukunft ist es entscheidend, dass die Diskussion auf Basis von soliden Fakten geführt werden kann. Die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Dokumente müssen eine unparteiische und ausgewogene Position vertreten, auf qualitativ hochwertigen Informationen aufbauen und von unabhängigen Autor:innen verfasst werden.»
Weitere Informationen
Analyse zum Erläuternden Bericht zum indirekten Gegenvorschlag zur Atom-Initiative (Blackout stoppen), Greenpeace Schweiz, März 2025
Kontakte
- Nathan Solothurnmann, Energieexperte bei Greenpeace Schweiz, +41 76 514 90 48, nathan.solothurnmann@greenpeace.org
- Medienstelle Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, pressestelle.ch@greenpeace.org