Das unscheinbare Dörfchen Loural versteckt sich weit oben in den Bergen Zentralportugals. Hier haben die Familie Klein und ihre Partner:innen vor einigen Jahren ein ehrgeiziges Projekt in Angriff genommen: Sie wollen den überschaubaren Ort, der seit dem Jahr 2000 verlassen ist, in ein nachhaltiges Paradies umwandeln. Im Gespräch erzählen Dimitri und Emilie Klein von ihrem Projekt.
Emilie und Dimitri, könnt ihr uns etwas über die Geschichte von Loural vor eurer Ankunft erzählen?
Loural wurde über mehrere Generationen von der Familie Moreira geführt. Eine einfache Bauernfamilie, die mit ihren Anbauterrassen rund um das Dorf bereits in einer gewissen Ernährungsautonomie zu leben schien. Der Anbau von Kastanien, aber auch von Weintrauben waren ihre wichtigsten Geldquellen gewesen. Außerdem lässt uns die beträchtliche Menge an Eukalyptusbäumen rund um das Dorf vermuten, dass sich die Bewohner:innen in den letzten Jahren hauptsächlich auf diese Ressource konzentriert hatten. Danach wurde das Dorf leerer, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, dass die jüngere Generation in den 1980er-Jahren nach dem Sturz der Diktatur in die Städte zog. Um 2005 kaufte ein Ingenieurspaar das Dorf und begann es zu restaurieren, um es als Herberge und Ort für Yoga- und Chi-Qong-Praktiken zu nutzen. Nachdem 2017 Brände das Dorf heimgesucht hatten, beschloss das Paar schließlich, es wieder zu verkaufen.
Wie kam es dazu, dass ihr das Dorf übernommen habt?
Unser Lebensweg mag ungewöhnlich erscheinen. Wir kommen aus Paris und einem sehr konsumorientierten System, das völlig von der Natur abgekoppelt war. Im Alter von 30 Jahren haben wir Frankreich Ende der 90er verlassen, um nach Indien zu ziehen. Dort entdeckten wir Auroville, einen experimentellen Ort des gemeinschaftlichen Lebens in Südindien und waren fest davon überzeugt, dass es möglich ist, anders zu leben. Also begannen wir, Öko-Hotels zu errichten, was sich als eine große Herausforderung herausstellte. Denn es ist nicht einfach, ein Ökosystem von Grund auf neu zu erschaffen. Die Orte boten den Menschen eine andere Art zu leben und öffneten das Bewusstsein für Ökologie. Nachdem wir 22 Jahre lang in Indien gelebt und die raschen Veränderungen des Landes beobachtet hatten, waren wir der Meinung, dass es an der Zeit war, weiterzuziehen.
Warum Portugal, speziell Loural?
Mehrere Monate lang hatten wir uns im Internet Tausende von Anzeigen aus der ganzen Welt angeschaut. Die von Loural tauchte eines Tages auf und wir waren sofort davon überzeugt, dass dies der richtige Ort für uns war.
Wie gelang es euch, das Dorf zu erwerben?
Der Erwerb des Dorfes war ein ziemliches Abenteuer. Mitten im Kaufprozess standen wir plötzlich ohne Geld da. Dimitri veröffentlichte daraufhin eine Anzeige in den Sozialen Medien, in der er unser Projekt erläuterte und nach potenziellen Partner:innen fragte. Wir erhielten Hunderte von positiven Nachrichten und Anrufe von allen Seiten. Nach zahlreichen Telefonaten und Treffen konnten wir die Gruppe zusammenstellen, die Loural in letzter Minute kaufte.
Wie setzt ihr das den ökologischen Gedanken im Alltag in Loural um?
Ökologisch zu sein bedeutet, mit der Natur im Einklang zu sein. Wir verwenden in letzter Zeit häufig den Begriff «Permakultur des Lebens». Wir sprechen also von der totalen Harmonie zwischen Mensch und Erde. Unsere Generation war das Gegenteil davon, nämlich völlig losgelöst von allem, was mit Natur zu tun hat, und besass eine eher destruktive Geisteshaltung. Das zeigt sich auch hier in der Region, die durch die Überproduktion in Eukalyptus-Monokulturen und durch Brände extrem geschädigt wurde. Die Schlüsselwörter in unserem Streben nach Ökologie sind deswegen Anpassungsfähigkeit und Zuhören, und das beginnt oft bei einem selbst. So bedeutet Nachhaltigkeit für uns, uns bewusst zu machen, woher wir kommen und dass wir uns in einer Übergangsbewegung befinden, mit einem Fuß drinnen und einem Fuß draußen. Es bedeutet auch, sich vom alten lokalen Wissen und den Menschen inspirieren zu lassen, die sich in diesem aufrichtigen Aktivismus befinden, das Wenige, was uns noch bleibt, zu schützen. Alles beginnt mit der Beobachtung der Umgebung, in der man sich befindet. Das ist es, was wir in Loural anstreben. Konkret bedeutet dies, dass wir eine Reihe von Praktiken und Systemen einführen müssen: Kompostierung unserer Abfälle, Installation von erneuerbaren Energien, Herstellung von Biogas, Benutzung von Trockentoiletten, ständige Pflege des Flusses und der Quellen, die uns versorgen, Neupflanzung endemischer Bäume, Wiederherstellung und Anreicherung des Bodens, Anbau unseres Biogemüses und -obstes usw…
Welche Möglichkeiten habt ihr, um eine Energie- und Nahrungsmittelautonomie anzustreben?
Die Mittel werden darin bestehen, Solar-, Wasser- und Windkraftanlagen für das gesamte Dorf zu installieren. Die Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist komplexer und braucht Zeit. Wir sind noch nicht in der Lage, das Volumen abzuschätzen, das für eine vollständige Autonomie erforderlich ist.
Wie spürt ihr den Klimawandel in Loural? Vor allem Dürren und Brände?
Wir befinden uns immer noch in der Beobachtung des Landes und der Natur. In diesem Jahr wurden wir dank der Weitsicht des lokalen Systems vollständig vor Bränden bewahrt. Der Forstverband der Region, mit dem wir am Wiederaufforstungsprogramm arbeiten, hat im Vorfeld eingegriffen. Was die Trockenheit betrifft, so haben wir fünf Wasserquellen und einen Fluss, der durch das Dorf fließt. Wir befinden uns in einer feuchten Umgebung und die sehr hohen Niederschlagsraten in diesem Winter lassen darauf schließen, dass wir ziemlich unberührt von Dürren bleiben sollten. Trotzdem gehen wir so bewusst wie möglich mit dem Wasser um.
Welche Herausforderungen liegen noch vor euch?
Es gibt eine wichtige Achse in diesem Projekt, die derzeit überhaupt nicht sichtbar ist, und das ist natürlich das Erlernen des Zusammenlebens. Denn wir sind eine kleine Gruppe, die sich zusammenfindet und wieder auseinanderfällt. Wir sind daher auf der Suche nach der Formel, die es uns ermöglichen wird, einfach und harmonisch zusammenzuleben und zu arbeiten. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich das nach und nach einstellen wird. Denn wir sehen es bereits jetzt.