Die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, weltweit wird an immer autonomeren Erfindungen getüftelt. Wo die KI im Umweltschutz helfen kann und welche Gefahren sie gleichzeitig mit sich bringt, beantwortet uns Neuroinformatikerin Yulia Sandamirskaya.
Frau Sandamirskaya, eine kurze Einstiegsfrage: Was versteht man eigentlich alles unter künstlicher Intelligenz?
Mit künstlicher Intelligenz bezeichnet man Software-Programme oder Mechanismen, welche nicht bis ins Detail programmiert wurden, sondern zum Teil autonom Verhalten generieren. Beispielsweise Sprachassistenten, die je nach Frage verschiedene Aussagen machen. In diesem Fall wurde die Auswahl von möglichen Antworten vorprogrammiert, welche Antwort aber ausgewählt wird, entscheidet das System autonom.
Inwiefern könnte die KI im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes zum Einsatz kommen?
Durch die künstliche Intelligenz können präzisere wissenschaftliche Modelle gebaut werden, die z. B. den Einfluss von industriellen Eingriffen auf die Umwelt besser vorhersagen und somit zu einer Reduzierung dieser führen. Aber auch ganze Produktionsabläufe kann man mit der KI optimieren und dadurch geringere Mengen an Energie und Material verbrauchen.
Gibt es aber auch gewisse Risiken, die die KI für den Umweltschutz birgt?
Künstliche Intelligenz erfordert viel Rechenpower. Wenn man nicht bald bessere Computer und Rechensysteme designt, könnte die stetig wachsende Anzahl an KI-Systemen einen spürbaren Beitrag zum Energieverbrauch leisten.
Was denken Sie, wie weit fortgeschritten wird die künstliche Intelligenz 2050 sein?
Optimistisch betrachtet, werden in 30 Jahren energieeffizientere Rechensysteme gebaut worden sein, die ähnlich wenig Energie verbrauchen, wie beispielsweise die Nervensysteme von Insekten. Solche «künstlichen» Gehirne dürften 2050 viele Sensoren ausstatten, welche tägliche Abläufe bei uns Zuhause, im Büro und im öffentlichen Raum automatisieren. Z. B die automatische Regelung der Heizung und des Lichts in den eigenen vier Wänden, um Energie zu sparen, das Bestellen und Zubereiten von Lebensmitteln und das Aufräumen der Kinderzimmer. Aber auch im Krankenhaus beispielsweise könnten Diagnosen von KI-Systeme vorgeschlagen werden, welche Ärzte einfach noch bestätigen müssen, oder Operationen werden gar alleine von Robotern durchgeführt. Alles in allem könnten 2050 viele Bereiche des Alltags aber auch Produktionsabläufe im Allgemeinen optimiert sein.
Doch die künstliche Intelligenz hat nicht nur positive Aspekte, die Systeme stellen eine Gefahr für die Privatsphäre dar. So könnten 2050 beispielsweise automatische Beobachtungssysteme durchaus die ganze Bevölkerung überwachen.
Welche künstlich intelligente Erfindung wird es 2050 mit Sicherheit geben?
Das autonome Fahren wird, denke ich, selbstverständlich sein. Dies könnte vor allem zu einem effizienteren und weniger belastenden Transportwesen führen. Es wird mit Sicherheit aber auch intelligentere Häuser geben und die medizinische Versorgung wird exakter sein.
Ist es absehbar, dass 2050 gewisse Jobs durch Roboter ersetzt worden sind?
Ja, vor allem aber diejenigen, die mit harter, repetitiver und gesundheitsschädlicher Arbeit verbunden sind. Obwohl solche Roboter technisch noch sehr schwierig zu verwirklichen sind, müssen wir die entsprechenden gesellschaftlichen und ökonomischen Massnahmen schon heute durchdenken und vorbereiten.
Wir Menschen werden aber nicht gänzlich durch Roboter ersetzt?
Nein, auf keinen Fall. Die künstliche Intelligenz bringt einzig praktischere und bequemere Werkzeuge, sie ist aber mit dem Menschen nicht gleichgestellt. Wir müssen jedoch in Zukunft größere Anteile der Bevölkerung für kreative und intellektuell anspruchsvollere Jobs ausbilden, welche nicht durch KI ersetzt werden können. Das führt dazu, dass sich mehr Menschen zukünftig künstlerischen oder humanitären Tätigkeiten widmen dürfen.
Auch wenn die künstliche Intelligenz Ihrer Aussage nach uns Menschen nicht ersetzen wird – müssen wir uns trotzdem ein wenig davor fürchten?
Ja, denn wenn KI in die falschen Hände gerät, kann sie die Kontrolle und die Manipulation von Menschen und den Eingriff in deren Privatsphäre erleichtern. Deshalb ist es wichtig, dass es genügend Spezialisten gibt, die die künstliche Intelligenz verstehen und deren Missbrauch entgegenwirken können.
Yulia Sandamirskaya ist Gruppenleiterin am Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich und der ETH Zürich. Ihre Gruppe «Neuromorphe kognitive Roboter» untersucht Bewegungssteuerung, Gedächtnisbildung und Lernen in verkörperten neuronalen Systemen und implementiert neuronale Architekturen in neuromorphen Geräten, die mit Robotersensoren und -motoren verbunden sind.
Das Zukunftszenario von Yulia Sandamirskaya zum Thema «Künstliche Intelligenz» findest du im aktuellen Magazin.