Vier Kolumnisten, zwei Generationen, ein Thema. Unseren beiden Kolumnistinnen der jüngeren Generation, Inga Laas und Danielle Müller, und unsere zwei Schreiber der älteren Generation, Markus Waldvogel und Kuno Roth haben sich in vier verschiedenen Kolumnen mit dem Thema Ohnmacht und Klima auseinandergesetzt.
Sklaven aus Afrika sangen im Süden der Vereinigten Staaten auf den Baumwollfeldern von Grossgrundbesitzern melancholische Lieder. Man sprach bald vom «Blues»: Wer sich «blue» fühlt, ist traurig und melancholisch.
Der Blues blieb noch lange das Merkmal der unterdrückten, ohnmächtigen schwarzen Minderheit im Lande. Als Barack Obama 2009 zum ersten farbigen Präsidenten gewählt wurde, kam es zu unglaublichen Gefühlsstürmen: Was lange unmöglich schien, wurde Tatsache! Doch die Geschichte verläuft nicht linear; acht Jahre später wurde mit Donald Trump ein rechter Populist gewählt. Viele Frauen, Ökologen, Journalisten, Richter und Vertreterinnen und Vertreter ethnischer Minderheiten fühlten sich erneut «blue».
Vor über 25 Jahren planten rot-grüne Politikerinnen und Politiker in Deutschland den «sozial-ökologischen Umbau» der Gesellschaft. Die Chancen standen gut. Aber mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurden andere Prioritäten wichtiger. Die «Osterweiterung» war in erster Linie eine ökonomische Herausforderung, und zwar für ganz Europa. Die Geschichte verläuft nicht linear. Bis heute steht eine «sozial-ökologische» EU nicht zur Debatte. Die innere Kohäsion im Spannungsfeld von Staatsverschuldungen, rechtem Populismus und dem damit einhergehenden Demokratieabbau vor allem in Ländern des alten Ostblocks, des Brexit oder des Movement der Gilets jaunes in Frankreich bestimmen die Agenda. Umweltschützerinnen und -Schützer fühlen sich «blue».
Auch in der Schweiz: Der Bundesrat will einen massiven Ausbau der Autobahnen, die Parlamente tun sich schwer mit dem CO2-Gesetz und zwingende Abgaben im Bereich der Freizeitmobilität werden als Freiheitskiller verschrien. Symptomatisch dafür sind die Offroader: Ihr Beliebtheitsgrad ist so hoch wie nie. Im Jahr 2018 hatte fast jeder zweite Neuwagen einen Allradantrieb. Die CO2-Emissionen der Neuwagen haben erstmals seit 1996 wieder zugenommen und in Schweizer Städten überlegt man sich sogar, Parkplatzmarkierungen den Offroadern anzupassen. Der Bund will nun die Schraube anziehen, weil er seine Klimastrategie gefährdet sieht. Derweil pocht die Autobranche auf Übergangslösungen: Man brauche Zeit, um umzustellen… Diese Leier ist alt, sehr alt sogar. Blue, blue, blue…; ist der Moment für einen Offroader-Blues gekommen? Warum nicht, er könnte ja die nächsten Klimademos begleiten. Von wegen: Vorausgesagt hat diese keine(r). Die Geschichte verläuft eben nicht linear. Zum Glück.
Markus Waldvogel ist Autor, Philosoph und Leiter der Beratungsfirma Pantaris. Er war viele Jahre Mitarbeiter des WWF Schweiz und hat die Bieler Philosophietage mitbegründet.