Vier Kolumnisten, zwei Generationen, ein Thema. Unseren beiden Kolumnistinnen der jüngeren Generation, Inga Laas und Danielle Müller, und unsere zwei Schreiber der älteren Generation, Markus Waldvogel und Kuno Roth haben sich in vier verschiedenen Kolumnen mit dem Thema Ohnmacht und Klima auseinandergesetzt.
Die 16-jährige Greta Thunberg hat unter Klima-Schützerinnen und -Schützern viel Hoffnung ausgelöst. Ihr zuerst einsamer Schulstreik ist zu einer Protestbewegung gewachsen. Abertausende Schülerinnen und Schüler auf der Welt tun es ihr nach und streiken für Klimaschutz. Das gibt Hoffnung. Hoffnung dafür, dass die jungen Menschen mit ihren Protesten endlich erreichen, was wir seit drei Jahrzehnten ohnmächtig versuchen zu tun.
Als ich vor über dreissig Jahren umweltaktiv wurde, war ich empört über die zunehmende Luftverschmutzung. Ein Waldsterben schien zu drohen. Protest war mein Ventil, Ohnmacht das Gefühl dahinter. Ich fühlte mich wie ein Streichholz, das den Traum eines Flächenbrandes träumt und doch nur ein Strohfeuer zustande bringt. Da schloss ich mich Greenpeace an: Sich zusammentun ist ein probates Mittel gegen Ohnmacht. Manchmal jedenfalls.
Unsere erste Aktion zum Klimaschutz fand 1992 statt. Es folgte die Klimavisionsschau «Das blaue Wunder», mit der wir 1994/95 auf Schweizer Tournee gingen und die u. a. auch zehntausend Schülerinnen und Schüler sahen. Die Schönheit des Planeten wollten wir zeigen, warum er wegen der Klimaerwärmung bedroht ist mit der Botschaft: «Morgen wird er zerstört sein, wenn du nichts tust». So unser Katastrophenpädagogik-Ansatz, um Handlung im Kleinen zu erzeugen: Weniger Autofahren, weniger heizen usw. Doch die Schülerinnen und Schüler blieben nach der Schau entweder ratlos oder ohnmächtig zurück. Das war nicht die Absicht. Und also ward das JugendSolarProjekt geboren, das 20 Jahre lang mit jungen Menschen Solaranlagen installierte und sie so handlungsfähig machte. Im Juli 2018 wurde es eingestellt.
Zurück zur Katastrophen-Pädagogik: Hinter dem, dass nicht geschieht, was beabsichtigt ist, steckt die Allmende-Klemme. Kurz gesagt handelt es sich bei ihr um das Prinzip «Warum-soll-ausgerechnet-ich-beginnen-und-nicht-die-anderen?». Und weil (fast) alle anderen dasselbe denken, wird nichts Merkbares getan, und darum werden öffentliche Güter übernutzt. Ein solches war früher die Allmende. Gab es keine Abmachung über die Nutzungsrechte, liess jeder Schäfer seine Schafe länger weiden als ihm anteilsmässig eigentlich zur Verfügung stand und die Allmende konnte sich nicht regenerieren. Im Klimafall ist es heute die Atmosphäre, die überschmutzt wird. Weil die USA oder China oder Indien oder die Fleischproduzenten oder die Urwaldabholzer doch beginnen sollen. Jedenfalls die andern. Zwar gäbe es mit dem Pariser Klimavertrag eine Abmachung, aber er ist bisher Papier geblieben: Sollen doch die anderen beginnen. Ohnmächtig.
Wie die Allmende-Klemme überwinden? Zusammen konkret tun. Auf allen Ebenen: Politik, Schulhaus, Gemeinde, Siedlung, Haushalt. Den Protest auf den Boden bringen. Der Protest ist das Pferd, die Bewegung der Pflug. Greta & Co zujubeln genügt nicht. Es braucht Millionen Gretas. Sei auch Greta. Sei Pferd, aber auch Pflug, z. B. an deiner Schule oder mit Greenpeace. Das wäre der Greta-Effekt.
Kuno Roth arbeitet international als Leiter des globalen Mentoring-System bei Greenpeace. Jahrgang 57, Dr. rer. nat., ehemaliger Chemiker ist er mittlerweile Humanökologe, Umweltpädagoge sowie auch Schriftsteller.