Heute wurde in Bern die von über 30 000 Menschen unterzeichnete Petition «Keine Gentechnik durch die Hintertür» eingereicht. Diese verlangt, dass auch die sogenannt neuen gentechnischen Methoden nicht unreguliert zur Anwendung kommen. Denn nur so ist die Transparenz und damit die Wahlfreiheit für die KonsumentInnen sichergestellt.
Höhere Erträge, weniger Pestizide, grössere Trockenheitstoleranz, mehr Nährwerte: Seit über zwei Jahrzehnten versprechen uns die Gentech-Befürworter das Blaue vom Himmel. Und weil sie nichts davon einhalten konnten, versuchen sie es jetzt mit einem Buebetrickli: Die neue Gentechnik sei gar nicht Gentechnik. Der Europäische Gerichtshof sieht das zu Recht anders.
Wer die 80er- und 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts aktiv miterlebt hat, wird sich wohl noch daran erinnern: Der Hype rund um die neuen Möglichkeiten, welche die Gentechnologie in der Pflanzenzüchtung bringen wird. Es wurden höhere Erträge, resistente Pflanzen und das Ende des Hungers auf der Welt prophezeit. Wenn wir nun zurückblicken, müssen wir feststellen, dass davon kaum etwas wahr geworden ist. Es werden zwar gentechnologisch veränderte Pflanzen auf Millionen von Hektaren angebaut. Dabei handelt es sich aber entweder um Pflanzen, die gegen Herbizide resistent sind, oder um Pflanzen, die selbst ein Insektizid produzieren. Beide Ansätze führen mit der Zeit zu Resistenzen und Schäden in den Ökosystemen. Und zu Abhängigkeiten der BäuerInnen von der Agrarindustrie. Echter agrarökologischer Fortschritt sieht anders aus.
Präzis und zielgerichtet?
Nun werden dieselben Versprechungen mit den neuen gentechnologischen Methoden wie CRISPR/Cas gemacht. Eine grosse Portion Skepsis ist hier angebracht. So einfach wie es die glühenden Befürworter einer raschen Anwendung dieser Technologien gerne hätten, ist es nicht. Die immer wieder gerühmte Präzision der Technologie ist relativ, wie eine kürzlich erschienene Studie gezeigt haben. So kommt es zu so genannten Off-Target-Effekten, das heisst, die Erbsubstanz der Zelle wird auch an Stellen verändert, die gar nicht im Visier der ForscherInnen waren. Auch der Prozess, um von der einzelnen in-vitro modifizierten Zelle wieder zu einer lebensfähigen Pflanze zu gelangen, kann zu weiteren Mutationen im Erbgut führen. Deshalb rufen auch führende WissenschafterInnen inzwischen zu einer klaren Regulierung dieser Technologien auf.
Ein weiteres Problem ist die Komplexität der Natur. Eine Idee, die im Labor bestens funktioniert, muss in der Natur nicht unbedingt gleich funktionieren. Denn die Wechselwirkungen mit den Bodelebewesen, mit anderen Pflanzen und Insekten sind so vielfältig, dass diese kaum vorausgesehen werden können.
Europäischer Gerichtshof schafft Klarheit
Trotz der vielen offenen Fragen rund um diese junge Technologie, will die Forschung und die Agrarindustrie so rasch wie möglich mit Gene-Editing manipulierte Produkte auf den Markt bringen. Da die Industrie weiss, dass die meisten KonsumentInnen der Gentechnologie in der Landwirtschaft kritisch gegenüber stehen, hat sie es mit einem kommunikativen Buebetrickli versucht: Die neuen Verfahren seien keine Gentechnologie, sondern vergleichbar mit der klassischen Züchtung. Ja, die Manipulation sei im Nachhinein nicht mehr feststellbar (was so im Normalfall nicht stimmt), und somit sei auch keine Regulierung notwendig. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist zum Glück nicht darauf reingefallen. Er hat beschlossen, dass die neuen gentechnischen Verfahren unter das Gentechnikgesetz fallen und somit streng reguliert werden müssen.
Über 30’000 Menschen haben die Petition “Keine Gentechnik durch die Hintertür” unterschrieben, die heute in Bern eingereicht wurde. Diese verlangt, dass die neuen gentechnischen Methoden auch in der Schweiz unter das Gentechnikgesetz gestellt werden. Nur so ist sichergestellt, dass eine Risikobewertung durchgeführt wird und sowohl BäuerInnen wie KonsumentInnen eine echte Wahl haben.
Text: Philippe Schenkel, Greenpeace-Kampagnenverantwortlicher für Landwirtschaft, Fleischkonsum und Pestizide. Mehr Hintergrundinformationen zum Thema finden Sie hier. Genaueres zum EU-Entscheid finden Sie hier.